Der Auslöser der Detonation vom 4. August in der libanesischen Hauptstadt Beirut war unsachgemäss gelagertes Ammoniumnitrat. Das hochexplosive Material wird vor allem zur Verwendung von Stickstoffdünger und Sprengstoff eingesetzt. Diversen Berichten zufolge warnten Experten über sechs Jahre hinweg vor der Explosionsgefahr der Substanz. Die Behörden gingen nicht auf die Warnungen ein.
Der Premierminister des Libanon, Hassan Diab, ist mittlerweile dem Druck der Anti-Regierungs-Demonstrationen gewichen und ist von seinem Amt abgetreten. Grosse Teile der Bevölkerung machen ihn und die gesamte Regierung für die fahrlässige Handhabung des Ammoniumnitrats im Hafen Beiruts verantwortlich.
Unbrauchbares verschiffen
Das Ammoniumnitrat hätte ursprünglich nach Mosambik im südlichen Afrika verschifft werden sollen. Das kristalline Salz musste aber aufgrund der technischen Mängel des Transportschiffs in Beirut deponiert werden. Es stellt sich die Frage, warum dieses hochexplosive Substrat überhaupt auf dem Weg in ein Entwicklungsland war.
Zwar ist die Problematik des Exports von hier unverkäuflichen Düngemitteln wenig bekannt – Pflanzenschutzmittel (PSM), die aufgrund ihrer gesundheitlichen Bedenken vom hiesigen Markt verbannt werden, werden aber zu erheblichen Mengen in Entwicklungsländer verschifft. Dies passiert im
Rahmen einer Verordnung,
welche «die Ein- und Ausfuhr von bestimmten gefährlichen Chemikalien und Pestiziden» regelt, heisst es beim Bundesamt für Umwelt. Um giftige
Chemikalien exportieren zu können, müssen lediglich folgende Kriterien eingehalten werden:
- Ausfuhrmeldung erfassen.
- Aus- und Einfuhrbeschränkungen beachten.
- Gefährliche Substanzen sachgemäss deklarieren.
- Der Stoff muss im Einfuhrland zugelassen sein.
Pflanzenschutzmittel: Aus den Augen, aus dem Sinn
Exportiere PSM, welche in der Schweiz verboten sind, aber im Jahr 2019 dennoch exportiert wurden, sind gemäss einer Liste des Bundesamts für Umwelt beispielsweise:
- Permethrin (12 t)
- Atrazin (11 t)
- Ocylphenol (1639 t)
- Nonylphenol (1899 t)
Gemäss der Antwort des Bundesrats auf eine eingereichte Anfrage an die Regierung vom Jahr 2017 «wird bei der Ausfuhr gefährlicher PSM erwartet, dass jedes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz die internationalen Normen berücksichtigt.» Des Weiteren sollte das Ausfuhrland «so weit wie möglich sicherstellen, dass gute Handelspraktiken beim PSM-Export betrieben werden». Für die Kontrolle der Einhaltung der Rechtsvorschriften seien gemäss des Bundesrats allerdings die nationalen Behörden zuständig.
Verarmung des Libanon
Schon vor der Explosionskatastrophe im Hafen Beiruts befand sich das Land in einer desolaten Wirtschaftslage. Die Pandemie verstärkte dies. Nun berichtet das Schweizer Radio- und Fern-
sehen (SRF), dass mehr als 50% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Die Mittelschicht verarme zusehends, berichtet SRF.
Die Jungen fliehen
Aufgrund der starken Landflucht lebt zurzeit die Hälfte der Bevölkerung in der Hauptstadt Beirut. Aus Misstrauen in die Regierung und in deren Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen, beschliessen immer mehr junge Leute, ihre Heimat zu verlassen. In Folge der Detonation rechnet der Libanon aktuell mit über 6000 Verletzten und 200 Toten. Die Schweiz liess dem Land mindestens vier Millionen Franken zukommen.