Es ist morgens um 5.23 Uhr, als sich neben meinem Bett mit einem grossen «Platsch» die Niagarafälle in die Tiefe zu stürzen scheinen. So kommt es mir wenigstens im schlagartig beendeten Schlaf vor und mein Hirn weiss sofort, jetzt ist die Chinascheisse zusammengekracht.

Der Hofplatz wird zum Ballenberg

Normalerweise sind wir immer vor dem Haus unter der Laube, am einzigen schattigen Platz um unser Haus gesessen. Doch seit der Berset seine Schäfchen gebeten hat, zuhause zu bleiben, zog regelmässig Moses mit den Israeliten über unseren Hausplatz, dem scheinbar einzigen Wanderweg im Kanton Bern. Menschen, die zum ersten Mal eine Bauernfamilie, fremdartige Tiere und ein altes Holzhaus bestaunen durften. So wurden wir zum Zoo und Ballenberg-Ersatz ob wir wollten oder nicht. Vor dem Haus sitzen konnte man ab da vergessen, wollte man seinen Blutdruck schonen. Endgültig die Hutschnur lüpfte es mir, als man meinen fünf Kilogramm leichten Pinscher als Schäferhund bezeichnete. Gleichzeitig hatte sich die etwa zwölfköpfige Familie über das gesamte Grundstück verteilt und mit Blick in den Pferdestall schon beinahe die Notrufnummer des Tierschutzes gewählt, weil mein Fohlen wohl gelähmt im Stroh liege. Oder es macht einfach nur Mittagsschlaf – würde ich auch, wenn ich Ruhe hätte, dachte ich und warf einen weiteren Betablocker ein.

Die Sonne brennt vom Himmel

Und so kam ich zu meiner Chinascheisse, wie es meine Sprösslinge liebevoll nennen. Beim Versuch hinter dem Haus an der prallen Sonne den Stadtmenschen zu entgehen holte ich mir nämlich einen Sonnenbrand, worauf ich schleunigst ein Schattenzelt bestellte. Und natürlich nötigten mich meine weiblichen Hormone, dasjenige zu nehmen, das so süsse Schnörkel hat und nicht etwa eins, das stabil aussieht. Was soll schon passieren, im Frühling, bei Sonnenschein …

Weich wie Butter

Mein Sohn der Mechaniker hatte zum Glück gute Laune, als Metallprofi meldete er aber bereits beim Aufbau leise Zweifel am 120-fränkigen Billig-Zelt an: «Diese Chinascheisse wird dir beim ersten Windhauch wie weiche Butter zusammenklappen» reklamierte er, während er versuchte aus schrägen Bohrungen und murben Gestängen das Beste heraus zu holen. Ja sorry, wenn die Chinesen die einzigen sind, die auch mit Corona noch arbeiten und uns mit lebenswichtigen Schattenzelten versorgen … Ich hätte auch mehr bezahlt, ehrlich. Aber wer online während Corona einkauft, muss nehmen, was ihm geliefert wird.

Steter Tropfen höhlt das Zelt

Nach der 653-sten Schraube wurde der Ton dann auch für einen Mechaniker etwas rauer. So hiess mein Zelt seither ***-Chinascheisse, wurde liebevoll mit Pflanzen geschmückt und machte während zwei Wochen Sonnenschein eine gute Figur. Doch dann kam steter Tropfen und höhlte das Zelt. Während ich tags immer wieder mal die Pfützen vom Dach schütteln konnte, verschlief ich dies in der Nacht, was dann eben mit einem eingedrückten Dach und einem Wasserfall direkt neben meinem Schlafzimmerfenster endete. Seither hält ein schnörkelloser Besenstiel das Dach an seinem Platz und ein paar Löcher in der Blache lassen das Wasser auch ohne mein Zutun abfliessen. Ein Gflick halt, wie so oft im Leben, wenn der stete Tropfen uns dahin bringt, wo wir vermutlich nie hin wollten. Und vielleicht hätte man zur rechten Zeit doch besser ein stabileres Fundament aufgebaut. Etwas Rechtes und nicht das, was gerade ohne viel Aufwand zu bekommen war.