Manchmal bin ich froh, wenn ich in den Stall kann. Besonders, wenn die jugendlichen Emotionen beim Gang zum Kühlschrank in der Küche aufeinanderprallen. Doch irgendwann sind alle Tiere versorgt und ich muss wieder rein. Kaum ist die Türe offen, kreischts von drinnen: «Mama, sag ihm, dass er ein Nazi ist, wenn er das Verhüllen verbieten will.» Mit männlich geschwellter Brust meint der Älteste entgeistert: «Gibt es ernsthaft Menschen, die denken, die tragen diese Leintücher freiwillig?» Witzig die unterschiedliche Prägung, ob die Kinder den Abstimmungskampf in einer öffentlich geschützten Volksschule erleben oder in einer wirtschaftsnahen Berufsschule.

Trägt frau das Ding freiwillig?

Die erwartungsvollen Blicke ruhen auf mir, man scheint mein Urteil zu verlangen. Hm, mich hat weder jemand gezwungen eine Burka zu tragen, noch sie auszuziehen, schwer zu sagen. Entführungsopfer sagen zwar beim Tatort auch immer, dass es ihnen gut gehe. Von dem her ist das als Aussenstehende schwer zu beurteilen, ob die Dinger freiwillig getragen werden oder ob man eher unfreiwillig sagt, man trage sie freiwillig. Grundsätzlich ist es mir egal, wenn ich nicht jedes Gesicht sehen muss. Dass es nur die eher nicht so emanzipierten Frauen sind, die sich dieses ach so tolle Kleid überwerfen, macht ein bisschen stutzig. Aber wer sind wir, dass wir uns ein Urteil über fremde Kulturen erlauben. Haben wir in Sachen Mann-Frau-Ehe-Gleichstellung nicht genug vor der eigenen Türe zu wischen? Wer in seiner Ehe vollumfänglich, für immer und ewig glücklich ist, werfe den ersten Stein. Vielleicht wäre mancher froh, er müsste nur eine Burka tragen. Das wäre wenigstens ein offen getragenes Statement. Hierzulande muss man meist tiefer graben, um die Schicksale ans Tageslicht zu befördern.

Nachhaltig fürs Portemonnaie

Im Falle von Indonesien sind wir dann ja nicht so mit Volksbefreiung und so. Da wird in Inserätli vorpolitisiert, dass die froh sind, wenn wir unsere überteuerten Nähmaschinen gegen spotbillige Kleider tauschen. Da ist es gäbig, sind dort Frauen unterdrückt, haben wenig Schulbildung und fragen nicht, wenn man ihnen jährlich nur 115 Franken Gesundheitsausgaben pro Person zugesteht und eine zehnmal höhere Säuglingssterblichkeit als hierzulande zumutet. Nur so können die uns nachhaltiges Palmöl liefern – also nachhaltig für unseren Geldsäckel. Vermutlich können die in den Verträgen gar nicht lesen, wie man im finanziell und ethisch weit entfernten Europa Nachhaltigkeit interpretiert.

Die Drecksarbeit machen andere 

Übrigens, witziges Detail am Rande, wir geben rund 12 Prozent unseres BIP für Gesundheitskosten aus. Indonesien nur drei Prozent. Und deren BIP ist dann erst noch zwanzigmal kleiner als unseres. Das scheinen robuste Kerlchen zu sein in diesem Indonesien. Rund ein Drittel arbeitet in der Landwirtschaft. Die sind gesund und munter bis sie von der Ölpalme fallen. So ist es wenig erstaunlich, dass die Partei, die sich mehr oder weniger vehement gegen eine Ausbeutung der hiesigen Bauern einsetzt, nun für den Freihandel ist. «Liebe Bauern, wir haben uns für euch eingesetzt und jemanden gefunden, der eure Drecksarbeit für einen Bruchteil des Lohns macht.»

Ah, wegen der Burka. Ich denke, man muss da helvetisch unterscheiden, ob sie getragen wird, weil man im Denner ein Gascho Feldschlössli darunter verstecken will, oder ob man sie trägt, um sich beim Nähen vor giftigem Staub zu schützen. Aber wer klaut schon Feldschlösschenbier …