Das T-Shirt von Ruedi Fischer lässt wenig Zweifel daran, welches seine bevorzugte Kultur ist: eine herzförmige Kartoffel auf blauem Stoff. Das passt zum langjährigen Präsidenten der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP). Diese Woche feiert die Organisation ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Fest an den Feldtagen in Kölliken AG.

Das Kartoffeljahr war bisher schwierig aufgrund des nassen Wetters. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Ruedi Fischer: Ich gehe davon aus, dass in diesen Tagen die letzten Kartoffeln gepflanzt werden. Es wurden immer im Mai und Juni noch Kartoffeln gepflanzt, aber nie ein so grosser Teil so spät. Das ist sicher historisch. Es könnte heuer eine grosse Lücke zwischen der frühen Ware und den spät gepflanzten Kartoffeln geben, das wird spannend. Wenn der Sommer gut ausfällt und das Wetter von nun an stimmt, kann es aber immer noch eine akzeptable bis gute Ernte geben.

Zur Person

Ruedi Fischer (1968) aus Bätterkinden BE ist seit 16 Jahren VSKP-Präsident. Der Land- und Energiewirt und Berner SVP-Grossrat ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Mit seinem Bruder Samuel führt er einen Betrieb mit 65 ha und 70 Milchkühen (Emmentaler-Produktion). Die Hälfte des Landes ist Gras, dazu kommen 13 ha Kartoffeln, 10 ha Getreide, 2 ha Konsumerbsen und etwas Grünmais. Fischer kandidiert heuer erstmals für den Nationalrat.

Was sind für die Kartoffelproduzenten zurzeit die grössten Herausforderungen?

Ich bin jetzt seit 16 Jahren Präsident. Die letzten drei Jahre waren spannend, punkto Anbau, aber auch punkto Markt. Angefangen mit Corona, als wir eine Weile lang nicht wussten, wohin mit den Verarbeitungskartoffeln, und der Speisekartoffelmarkt auf Hochtouren lief. Dann die Phase, als alle Kartoffeln essen wollten, weil die Grenzen dicht waren und kein Einkaufstourismus möglich war. Da brauchte es plötzlich Riesenmengen. Bei den Speisekartoffeln hat es sich wieder normalisiert. Was immer noch sehr gut läuft, sind bei der Verarbeitung Chips und Pommes frites. Offenbar liegt das auch am Fachkräftemangel in der Gastronomie. Die Wirte setzen jetzt vermehrt auf Frites, weil eine Fritteuse einfacher zu bedienen ist.

Die Produktionskosten sind aufgrund der verschiedenen Krisen stark gestiegen. Anfang Jahr hat die VSKP deshalb eine Preiserhöhung gefordert. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Letztes Jahr konnten wir bei den Preisen schon eine schöne Anpassung realisieren, was nicht bei allen anderen Kulturen möglich war. Auch heuer konnten wir für die Ernte 2023 noch mal eine Preiserhöhung erreichen. Die gestiegenen Produktionskosten werden nicht vollumfänglich gedeckt, aber es ist ein Weg in die richtige Richtung. Es kommt auch sehr darauf an, zu welchem Zeitpunkt man die Hilfsstoffe gekauft hat. Aber mit 1200 bis 1500 Franken Mehrkosten pro Hektare muss man heuer sicher rechnen. Ich bringe diese Zahl immer wieder: Unter 10'000 Franken direkte Produktionskosten pro Hektare kann niemand Kartoffeln produzieren, und da sind die Arbeitsstunden noch nicht eingerechnet. Bei den Verarbeitungskartoffeln war eine grössere Preisanpassung längst fällig.

Bei den Speisekartoffeln sah die Situation etwas anders aus, das hängt auch mit der Anbaubereitschaft zusammen. Um die Produzenten im Anbau zu halten, brauchte es bei den Chips- und Frites-Sorten eine grössere Anpassung als bei den Speisekartoffeln. Das Interesse, Speisekartoffeln zu produzieren, ist grösser, vor allem bei den frühen Sorten.

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Machen Sie sich Sorgen um die Anbaubereitschaft?

Ja. Ich mache mir grosse Gedanken darüber, ohne jetzt jammern zu wollen. Es gibt nicht wenige Produzenten, für die die letzten zwei Jahre wegen des Wetters ganz schwierig waren. Heuer war der Start auch wieder schwer. Ich weiss von Bauern, die die Pflanzkartoffeln zurückgegeben haben und gesagt haben, «ich steige schon dieses Jahr aus». Dann gibt es sicher solche, die 2023 mal noch abwarten. Ich sage das immer auch den Abnehmern. Langsam merken sie, dass man zu der Produktion Sorge tragen muss. Es findet bei der nachgelagerten Stufe ein Umdenken statt, auch bezüglich Übernahmebedingungen, das hat auch mit der Verfügbarkeit zu tun. Sie wollen Schweizer Kartoffeln. Natürlich wollen sie mit Importen ergänzen, aber es ist nicht so, wie manche Bauern denken, dass sie nur importieren wollen. Die Wertschöpfung mit Schweizer Kartoffeln ist auf allen Stufen höher.

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Wie sieht es bei den Sorten aus?

Robuste Sorten sind eines der Top-Themen, auch im Zusammenhang mit Resistenzen und dem Absenkpfad beim Pflanzenschutz. Es ist nicht einfach. Bei den Speisekartoffeln gibt es Sorten, die im Anbau gut sind, aber nicht unbedingt durchschlagend erfolgreich in der Vermarktung. Das Gleiche bei den Industriesorten. Umgekehrt sind nicht alle Sorten, die gut in der Verarbeitung sind, wirtschaftlich für uns Produzenten. Es laufen mit Hochdruck Versuche, nicht nur in der Schweiz. Aber es geht bei den Kartoffeln halt einfach lange. Agria ist weiterhin die Hauptsorte. Es gibt Produzenten, die damit immer noch gut fahren, andere haben Probleme. Die Pflanzkartoffel-Produktion bei Agria ist besonders schwierig, weil die Erträge oft nicht zufriedenstellend sind.

Was sagen Sie zu den Stichworten Pflanzenschutz und Agrarpolitik?

Wir probieren ständig, uns beim Bund Gehör zu verschaffen, sei es zum Thema Pflanzenschutz oder zu anderen politischen Themen. Oft reden wir gegen eine Wand. Der konstruktive, lösungsorientierte Dialog fehlt mir. Es scheint, als ob man diesen Weg jetzt eingeschlagen hat und ihn konsequent gehen will, aber ich weiss nicht, ob die möglichen Auswirkungen allen bewusst sind. Dann gibt es auch schizophrene Dinge bei den neuen Beiträgen. Zum Beispiel, dass der herbizidlose Anbau von Kartoffeln mit Beiträgen nur gefördert wird, wenn man mit der ganzen Kartoffelfläche mitmacht. Dieses Risiko nehmen nicht alle Produzenten auf sich und verzichten lieber auf die Teilnahme am Programm.

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Was macht die Arbeit im VSKP und in der Branche für Sie aus?

Wir arbeiten in der Branche gut zusammen, dies ist wohl mit ein Grund, wieso ich schon so lange dabei bin. Ich habe wahrscheinlich den besten Vorstand, den man bei einer landwirtschaftlichen Organisation haben kann. Wir sind gut aufgestellt, arbeiten konstruktiv und intensiv, haben aber auch einen sehr guten zweiten Teil. Ich spüre in der Branche weiterhin den Willen, gemeinsam Lösungen für den Schweizer Kartoffelanbau zu finden. Natürlich gab es auch einzelne Tiefschläge. Ich bin auch schon aus Sitzungen davongelaufen, weil mir die Diskussion mit den Abnehmern auf diesem Niveau einfach zu blöd war. Damals ging es um Kaliber, das weiss ich noch. Ich bin nicht immer nur ein lieber Cheib, wie das manche von mir denken (lacht).

Was fasziniert Sie nach wie vor am Kartoffelanbau?

Die Kartoffel ist und bleibt die Königin der Ackerkulturen. Sie verfolgt mich schon mein ganzes Leben, als Kind habe ich schon beim Härdöpfele geholfen und später habe ich gar meine Frau auf einem Kartoffelfeld in der Bretagne (Frankreich) kennengelernt. Auch, was die Kartoffel als Nahrungsmittel anbelangt, bin ich fasziniert. Reis und Teigwaren gut und recht, aber sie haben keine Chance gegen die Vielfältigkeit der Kartoffel. Gesünder gehts nicht, und da kann man einfach alles machen, sogar Desserts.

Die ehemaligen VSKP-Präsidenten erinnern sich: «Wir waren knallhart»

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«Anfang der 1970er-Jahre bestanden Butterberge und Milchseen», erinnert sich Alt-Nationalrat Hermann Weyeneth. Er war von 1983 bis 1991 Präsident der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP). Angesichts dieser Butterberge und Milchseen seien die jährlich anfallenden Kosten für die Verwertung von Marktüberschüssen bei den Kartoffeln ins Gerede gekommen. «Der Finanzchef im Bundesrat machte bei den jährlich wiederkehrenden Budgetberatungen im Parlament seinem Unmut darüber Luft», hält Weyeneth fest.

Konzentration bei Verarbeitern

Wie immer, wenn der Preis amtlich festgesetzt sei, habe der Käufer durch strengere Anwendung der Handelsusanzen den Einkaufspreis zu mindern versucht, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. So habe der Druck auf die Produzenten zugenommen, auch wegen der Konzentration im Detailhandel und bei den Verarbeitern.

Bei den Bauern stieg in der Folge das Bedürfnis nach einer eigenen Interessenvertretung. «Eine Handvoll Kartoffelproduzenten suchten nach einer stärkeren Wahrnehmung der Erzeugerinteressen», blickt Hermann Weyeneth zurück. «Nicht alle fanden die Idee im Vorfeld der Gründung genial.»

Es war der Bauernsekretär des Kantons Schaffhausen, der mit einem Artikel in den bäuerlichen Medien die «Legitimation unseres Anliegens in klaren Worten verteidigte». Nachdem die Skepsis in der Ostschweiz ausgeräumt war, fiel der Entscheid zur Gründung der VSKP am 27. März 1973 einstimmig. Am 19. Juni 1973 fand die Gründungsversammlung mit über 250 beigetretenen Mitgliedern statt.

Übergang in freien Markt

Walter Balmer aus Rosshäusern BE war Hermann Weyeneths Nachfolger und von 1991 bis 2007 Präsident der VSKP. «Meine Zeit war geprägt von der schrittweisen Ablösung der vom Bundesrat festgelegten Produzentenpreise zu Marktpreisen sowie von den Verwertungsmassnahmen der Alkoholverwaltung durch eine von den Produzenten finanzierte Verwertung der Kartoffeln, die im Speisemarkt keinen Absatz fanden», erinnert sich der Alt-SVP-Grossrat.

Zu Beginn seiner Amtszeit bezahlte die Alkoholverwaltung für die Verwertung der Überschüsse zirka 60 Mio Franken. «Im August traf ich mich jeweils mit dem Direktor. In zirka einer Stunde wurden die Zuschüsse nach Sorte festgelegt», hält der ehemalige Berner Bauernpräsident fest. Nachdem diese Zahlungen zusehends unter Druck kamen, wurde die Verwertung mit Beiträgen für die Frischverfütterung als Ergänzung zur Trocknung eingeführt. Damit konnten wesentliche Einsparungen erzielt werden.

Zwei Drittel hörten auf

In der Folge zog sich die Alkoholverwaltung vollständig aus der Finanzierung des Verwertungsfonds zurück. Die Kartoffelbranche musste nun durch Beiträge von Produzenten, Handel und Verarbeitern den Fonds selbst finanzieren. In dieser Periode ging die Anbaufläche von 19 000 ha auf zirka 12 000 ha zurück. «Beinahe zwei Drittel der Produzenten gaben den Kartoffelbau auf. Dafür hat sich die durchschnittliche Anbaufläche auf 160 Aren pro Produzenten verdoppelt», blickt Walter Balmer zurück.

Der Rückgang der Anbaufläche sowie die Verwertungsmassnahmen waren die Grundvoraussetzungen, dass «wir zu dieser Zeit in der Branchenorganisation SKK die Kartoffelpreise auf diesem Niveau halten konnten». In der Arbeitsgruppe Preise wurden jeweils mit Grossverteilern, Handel, Industrie und Produzenten die Preise fürs kommende Jahr festgelegt. «Zu dieser Zeit sanken die Preise für die Produzenten praktisch auf der ganzen Linie. Milchpreis und Getreidepreis zum Beispiel halbierten sich damals auf die Hälfte», so Balmer.

Kontroverse Verhandlungen

In diesem Umfeld seien die Verhandlungen für kostendeckende Preise eine grosse Herausforderung gewesen. «Die Verhandlungen waren vielfach sehr kontrovers, und wir beharrten knallhart auf unseren Forderungen», erzählt Balmer weiter. Nicht selten wurden die Sitzungen ohne Einigung vertagt. Ab und zu habe im Nachgang der damalige Branchenpräsident Peter Pfister die Vertreter zu sogenannten Kaminfeuergesprächen eingeladen.

Hauptadressat war speziell Walter Balmer. «Durch meine hartnäckige und unnachgiebige Haltung strapazierte ich die Nerven der Branchenpartner», aber der menschliche Kontakt zueinander sei in der Branchenorganisation trotzdem gut gewesen. Die Produzenten hätten schon damals produziert, was der Markt verlangt habe. «Wir konnten den Kartoffelkonsum in dieser Zeit halten, das heisst auf zirka 46 kg pro Kopf und Jahr.»