[IMG 2]Ende März war das Pyrethroid «Blocker» schweizweit ausverkauft. Angesichts des frühen und massenhaften Einflugs des Rapsglanzkäfers sahen sich viele Landwirte gezwungen, das sonderbewilligungspflichtige Pflanzenschutzmittel (PSM) einzusetzen. Die Diskussion um die Reduktion des PSM-Einsatzes – und deren Grenzen – ist damit längst wieder auf den Feldern angekommen.

Die Politik befasste sich jüngst mit der Vernehmlassung zur Totalrevision der PSM-Verordnung (PSMV) und in einer Sondersession u. a. mit Berufskrankheiten im Zusammenhang mit dem Pflanzenschutz. Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP), der Schweizer Obstverband (SOV) und Swisspatat haben sich bereits 2019 in der IG Zukunft Pflanzenschutz (IG ZPS) zusammengeschlossen, um Anliegen rund um dieses Thema aufzunehmen und umsetzbare Lösungen zu entwickeln. SOV-Direktor und Mitglied des Steuerungsausschusses der IG ZPS, Jimmy Mariéthoz, erläutert im Interview, wie mögliche Lösungen aussehen könnten.

Ihr erklärtes Ziel ist ein «noch schonungsvollerer» Einsatz von PSM. Was steht dem aktuell im Weg?

Jimmy Mariéthoz: Die Gründe sind zahlreich. Einer der wichtigsten ist die fehlende oder schleppende Zulassung von neuen PSM – auch im Bereich der biologischen. In der Raumplanung erschwert die derzeitige Auslegung die Errichtung von wirksamen Installationen zum Schutz der Kulturen (Gewächshäuser, Tunnel, Netze usw.). Das ist ärgerlich, weil gerade damit der PSM-Einsatz deutlich reduziert werden kann. Im Bereich der Züchtung hoffen wir, dass künftig neue Methoden der Pflanzenzüchtung erlaubt sein werden. Gerade Crispr/Cas verspricht neue Sorten, die deutlich robuster sind.

Wie kann die IG Pflanzenschutz hier Verbesserungen erwirken?

Indem wir immer wieder betonen, dass die gesamte Ernährungswirtschaft an der Reduktion von PSM interessiert ist – dafür aber die richten Anreize geschaffen werden müssen. Wir sprechen aber nicht nur davon, sondern handeln; alle Mitgliederverbände der IG ZPS setzen Massnahmen um, um die Risiken von PSM zu reduzieren. Im Bereich der Früchte haben wir das nationale Branchenprogramm «Nachhaltigkeit Früchte» lanciert. Beim Gemüse wurden die Qualitätsanforderungen angepasst. Und bei den Kartoffeln wird einiges unternommen, um robuste Sorten zu fördern.

«Innovation statt Verbote» war Ihr Motto im Kampf gegen die Agrar-Initiativen. Innovationen wie z. B. Spot-Spraying sind aber teuer – wie lösen Sie dieses Problem?

Es ist klar, dass die Finanzierung das grösste Problem darstellt. Im neuen Agrarpaket, das gerade in der Vernehmlassung war, sind finanzielle Fördermassnahmen vorgesehen. Aus unserer Sicht bräuchte es aber auch andere Anreize. Z. B. wäre eine Reduktion der Auflagen für gewisse PSM denkbar, wenn sie mit solchen Techniken ausgebracht werden. Das Risiko für die Umwelt wird massiv verringert. Zudem hat sich der Bund in seiner Perspektive für 2050 ambitionierte Ziele gesetzt, was den Einsatz von neuen Technologien angeht. Dort bräuchte es jetzt eine konkrete Strategie. Eventuell auch dafür, dass solche Techniken hier vor Ort entwickelt werden.

Das Konsumentenforum (KF) ist in beratender Funktion in der IG aktiv. Gelingt es so, die Anliegen der Konsumenten aufzunehmen?

Die beratende Funktion des KF ist sehr wichtig, da wir so stets auch eine andere Sicht – schliesslich die entscheidende Konsumentensicht – in unsere Überlegungen mit einfliessen lassen können.

Wäre das KF auch ein Weg, um Konsumenten zu sensibilisieren, was rein optische Mängel oder (weniger bekannte) robuste Sorten angeht?

Auf jeden Fall.

Ansprüche vonseiten des Handels werden oft als Gründe für notwendigen Pflanzenschutz genannt. Wie geht die IG diesen Bereich an?

Der VSGP hat gezeigt, wie das gemacht werden muss. Er hat im letzten Jahr gemeinsam mit dem Handel die Qualitätsanforderungen angepasst.

Gerade wurde in der Sondersession über Berufskrankheiten als Folge jahrelanger Arbeit mit Pflanzenschutz debattiert. Ist der Anwenderschutz auch ein Thema für Ihre IG?

Die Risikoreduktion für Anwender(innen) ist integraler Bestandteil des Aktionsplans PSM und ein wichtiges Thema. Der Anwenderschutz ist aber kein Fokusthema der IG. Die Mitgliederverbände kümmern sich allerdings aktiv darum.

Sie haben in der Vergangenheit den Personalmangel in der Zulassung kritisiert. Nun ist eine Erhöhung vorgesehen (in der Revision der PSMV). Erwarten Sie daher eine Verbesserung der Situation?

Nein, nicht mit der bestehenden Vernehmlassungsvorlage. Dort werden zu viele Türchen offengelassen, die eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren verhindern und stattdessen den Prozess verkomplizieren. Wir erwarten eine gründliche Überarbeitung. Zudem ist es stossend, dass die zusätzlichen Stellen durch erhöhte Gebühren finanziert werden sollen, während Beschwerden/Einsprachen – die ja auch Arbeit verursachen – weiterhin kostenlos möglich sein sollen.

Welche Aktivitäten plant die IG als Nächstes?

Wir planen im Spätsommer die Durchführung der zweiten Ausgabe von «Phyto.Synthese», unserer Dialogveranstaltung zum aktuellen Thema der Zulassung. Wie gewohnt bieten wir unterschiedlichsten Ansichten eine Bühne und suchen den Dialog. Denn Lösungen erreichen wir nur gemeinsam.