Auf den ersten Blick ist es ein Bürokratieproblem. Der Grenzschutz, der den Schweizer Futteranbau vor der billigeren Konkurrenz aus dem Ausland abschirmen soll, funktioniert nicht mehr richtig. Brechen die Preise auf den internationalen Märkten kurzfristig ein, reicht die Zeit nicht, um die Zölle anzupassen. Und im digitalisierten Handel sind zusätzliche Importe schnell ausgelöst. Das Zeitfenster zwischen Preissturz und Zollerhöhung reicht längstens, um den Schweizer Markt mit günstigen Importen zu fluten – und die Preise für längere Zeit unter das angestrebte Niveau zu drücken.

Anpassung in Echtzeit würde das Problem lösen

Das Problem wäre gelöst, könnte der Bund mit dem Tempo der Märkte mithalten und den Grenzschutz in Echtzeit anpassen. Dass er das nicht kann, mag mit bürokratischen Strukturen zu tun haben oder mit der langen Leitung, die Bundesbern bei der Digitalisierung hat. Wir erinnern uns an Corona. Damals war das Erstaunen gross, dass es die moderne Schweiz nicht schaffte, kritische Daten in Echtzeit zu erfassen und aufzubereiten.

Alles also nur eine Frage der Organisation beim Bund? In der Branche gibt es längst einen anderen Verdacht: Der Bund lässt die Futtergetreideproduzenten im Regen stehen, nicht, weil er nicht helfen kann, sondern weil er nicht – mehr – helfen will.

Schnell ist der Verweis zum Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» zur Hand, in dem der Bundesrat skizziert, wie sich die Bevölkerung 2050 ernähren soll. Die dort berechnete umweltoptimierte Tagesernährung enthält 69 Prozent weniger Fleisch, als heute im Schnitt auf Schweizer Teller kommt. Eine Bundesverwaltung, die politische Ziele durchsetzt, indem sie ihre Hausaufgaben nicht macht, hier Steine in den Weg legt, dort sanften Druck ausübt.

Ein neuer Ton hält Einzug

Das klingt nach Verschwörungstheorie. Und doch fällt auf, wie in Gesprächen am Rande von Veranstaltungen der Branche ein neuer Ton Einzug gehalten hat. Veganismus als Megatrend, Fleischproduktion als Auslaufmodell, pflanzenbasiertes Protein als Lösung, deren Teil sein muss, wer nicht zum Problem werden will – die Rede vom Umbau des Ernährungssystems gehört längst zum professionellen Jargon der Politiker, Chefbeamten und Lehrbeauftragten.

Umso mehr erstaunt der Lösungsvorschlag, den der Schweizerische Getreideproduzentenverband seit Jahren ins Spiel bringt. Der Anbau von Futtergetreide soll als Spezialkultur anerkannt und mit Flächenbeiträgen unterstützt werden. Zweifellos: Eine solche Lösung würde der Uneinigkeit unter den verschiedenen landwirtschaftlichen Branchen ein Ende setzen. Die Produzenten hätten mehr Geld, ohne dass die Abnehmer dafür tiefer in die Tasche greifen müssten.

Wer zahlt, befiehlt, heisst es. Wenn der Bund die Produktion von Futtergetreide mit Flächenbeiträgen finanziert, entscheidet letztlich er darüber, wann, wo und wie viel angebaut wird. Die Frage ist, ob sich die Branche damit den Fleischgegnern nicht nur noch mehr ans Messer liefert.

Im Zweifelsfall greift der Konsument zum billigen Fleisch

Schon jetzt muss die Fleischbranche einen gewaltigen Spagat machen. Der Veganismustrend wird zwar von einer lauten Minderheit verkündet, die schweigende Mehrheit lebt am Markt aber etwas ganz anderes. Der Konsument greift im Zweifelsfall zum billigen Fleisch, lässt Labels links liegen, sobald es teurer wird, und isst immer mehr getreidebasiertes Poulet statt grasländiges Rind. Das Resultat: Das, was die Politik will, lässt sich nicht mit dem nötigen Mehrwert verkaufen. Zumindest nicht, solange diese nur an einer Stellschraube dreht und nicht die ganze Wertschöpfungskette mitnimmt.

So oder so: Wenn die Produzenten politisch durchsetzen wollen, dass die Futterproduktion mit Bundesgeldern künstlich hoch und billig gehalten wird, müssen sie dafür gute Gründe liefern. Und es muss dargelegt werden, wie verhindert werden soll, dass tiefe Futterpreise erneut eine Überproduktion anheizen wie jene, die unlängst bei den Schweinen eine Marktentlastung nötig machte. Den Entscheidungsträgern in der Politik muss klargemacht werden, worin der Mehrwert des Schweizer Futtergetreides liegt.

Macht Schweizer Futtergetreide unser Fleisch und unsere Eier gesünder, nachhaltiger, ethischer? Wer im heutigen Umfeld um öffentliche Gelder wirbt, muss auf solche Fragen eine klare Antwort geben können.