Scheinbar ist es still geworden um die Bauernproteste, die letztes Jahr im Gefolge der landwirtschaftlichen Grossdemonstrationen in Deutschland und anderen EU-Ländern auch die Schweiz erreicht hatten. Aber nur scheinbar. In gutschweizerischer Manier führen die «aufständischen» Bauerngruppen ihren Kampf derzeit nicht auf der Strasse, sondern am Verhandlungstisch. Ende März könnte sich entscheiden, ob es dabei bleibt. Bis dahin nämlich soll das Bundesamt für Landwirtschaft zu einem Forderungskatalog Stellung nehmen, den eine «Delegation der Bauernfamilien und deren nachgesinnten Kreise» am 26. Februar überbracht hatte. «Obwohl schon zahlreiche Kontakte stattgefunden haben, ist doch nichts Konkretes herausgekommen. Uns reicht es. Jetzt muss etwas gehen!», heisst es in dem Schreiben, das der BauernZeitung vorliegt. Und: «Wir verlangen bis in einem Monat – also bis Ende März 2025 erste konkrete Ergebnisse.»
Guten Willen unter Beweis stellen
Was fordern die Initianten? Zunächst eine Art Zeichen: Nachdem bei Gesprächen mit dem BLW klar geworden war, dass dieses nicht im Alleingang über die Gestaltung der Landwirtschaftspolitik bestimmen kann, sondern dem Willen von Bundesrat und Parlament Folge leisten muss, haben die Initianten vier Massnahmen identifiziert, die das Amt sofort und auf eigene Faust umsetzen könnte, um so guten Willen unter Beweis zu stellen. Als «sofortige Massnahmen» werden im Papier gelistet:
- Stallungen mit permanent zugänglichen Laufhöfen brauchen kein Auslaufjournal.
- Für bewilligte Wirkstoffe im PSM-Bereich braucht es keine Sonderbewilligungen oder zusätzliche Kosten.
- Es werden nur noch Medikamente mit Absetzfristen im Behandlungsjournal aufgezeichnet.
- Es werden nur noch Pflanzenschutzmittel mit Wartefristen aufgezeichnet.
Damit soll die landwirtschaftliche Ausbildung EFZ Anerkennung finden. Als Fachpersonen seien Landwirte qualifiziert, über diese Punkte selbst zu entscheiden und Verantwortung zu tragen, so das Papier.
Noch gibt es vom BLW dazu keine Stellungnahme. Es will sich nächste Woche zu den Forderungen äussern. Diese umfassen auch einen Katalog von sieben weiteren Punkten, die längerfristig umgesetzt werden sollen:
- Streichung widersprüchlicher Produktionssystembeiträge.
- Basisbeiträge sind zwingend der Produktionsleistung anzupassen.
- Die BTS/RAUS-Beitragskürzungen sind zwingend rückgängig zu machen. Die bereits getätigten Investitionen zugunsten Stallhaltungsmassnahmen sind zu entschädigen.
- Interessenskonflikte Tierschutz-Umweltschutz sind durch das BLW zu lösen. Für allfällig erhöhte Ammoniakwerte bei Ausläufen sind sicher nicht die Bauern verantwortlich, sondern das BLW.
- Die finanziellen Mittel müssen effizienter und vor allem produktionsfördernd eingesetzt werden. Dazu muss das BLW/BLV fehlende, wirksame Insektizid-Beizungen und Pflanzenschutzmittel wieder zulassen.
- Sämtliche Medienmitteilungen, welche die Landwirtschaft in ein positives Licht rücken, sind umgehend der Bevölkerung publik zu machen. So wie z. B. Glyphosat-Entstehung in Kläranlagen.
- Alle Schweizer Rohstoffe dürfen nicht mit Importware verwässert werden. Diese Massnahme muss für alle Produkte gelten, ohne Ausnahme oder Sonderregelungen.
Für Landwirt Jürg Haas, der bei den Gesprächen mit dem BLW dabei war, geht es dabei um nichts weniger als den Erhalt der produzierenden Landwirtschaft in der Schweiz. Denn verloren gehen laut ihm nicht nur Flächen und wirksame Optionen für den Pflanzenschutz, sondern auch das Know-how. Und das könne böse enden. «Bald weiss gar keiner mehr, wie man eine Kultur zur Maximalleistung bringt», befürchtet er.
«Kaputt ist kaputt»
Es bestehe die Gefahr, dass die Schweiz die landwirtschaftliche Produktion auch in einem Krisenfall gar nicht mehr hochfahren könne – weil es dann an Fachwissen und Personal fehle und auch die notwendige Infrastruktur nicht mehr bereitstehe. Als Beispiel nennt Haas die Situation bei der Zuckerproduktion. «Wenn die Zuckerfabrik einmal kaputt ist, ist sie kaputt», sagt Haas. Um dies zu verhindern, brauche die Fabrik keine Einzelkulturbeiträge, sondern möglichst viele Tonnagen Rüben, auf die sie die Fixkosten verteilen könne, um rentabel zu sein. Um diese Tonnagen zu produzieren, brauche es einen funktionierenden Pflanzenschutz. Das Verbot des Wirkstoffs Imidacloprid («Gaucho Saatgutbeizung») habe dazu geführt, dass die Zuckerproduktion von 16 t/ha im Jahr 2019 auf 8,6 t/ha im Jahr 2024 gesunken sei. Um die verlorene Zuckermenge zu kompensieren, müsste die Fläche verdoppelt werden, rechnet Haas vor. «Das Frustrierende daran ist, dass der Wirkstoff Imidacloprid in der Heimtiermedizin weiterhin in Form von Flohhalsbändern eingesetzt wird.» Ebenso beim Chlorothalonil: In der Landwirtschaft verboten, wird es in Fassadenfarben zur Verhinderung der Schimmelbildung weiterhin eingesetzt. «Solche Missstände müssen zwingend aufgearbeitet werden», verlangt Haas.
Im Ausland noch bewilligt
Das Problem Pflanzenschutz betreffe alle Kulturen. Innerhalb von wenigen Jahren seien 71 Wirkstoffe gestrichen und nur 6 neue zugelassen worden. «Über 600 Hilfsstoffe warten auf eine Zulassung, deren Bewilligungen systematisch gehemmt werden», sagt Haas. Dabei: «Mit der Verbotsstrategie verhindern wir nicht, dass die bei uns verbotenen Wirkstoffe auf unseren Tellern landen.» Denn bei der Kompensation der Lebensmittel aus dem Ausland seien viele solcher Wirkstoffe noch bewilligt, und das mit höheren Grenzwerten. «Es ist daher eine Illusion, zu glauben, mit weitreichenden Verboten würden wir uns gesünder ernähren», sagt Haas.
Die importierten Lebensmittel müssten intensiver auf Wirkstoffe kontrolliert werden, verlangt er deshalb. Bei der Produktion von Schweizer Lebensmitteln hätten diese Verbote und die Behinderung der Neuzulassungen dazu geführt, dass der Selbstversorgungsgrad in der pflanzlichen Produktion auf 33 % gesunken sei. «Es nützt nichts, Milliarden in die Armee und erneuerbare Energien zu investieren, dabei aber die Landwirtschaft darben zu lassen», ist Haas überzeugt. Es müsse zwingend in eine produzierende Landwirtschaft investiert werden, um die künftigen Herausforderungen zu meistern.