Der Beruf Landwirtin und Landwirt ist gefragt. Im Kanton Luzern sind die Ausbildungszahlen im langfristigen Vergleich stabil, im Moment sogar leicht steigend. Der Anteil der Frauen liegt im aktuellen Jahrgang im 1. Lehrjahr bei 17 Prozent, Tendenz ebenfalls steigend. Darüber wurde an den Luzerner Lehrmeistertagungen im Dezember berichtet.
Abbrüche nicht selten
Komfortabel ist für die Lernenden derzeit das Überangebot von Lehrplätzen. Der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung (DBW) sind aktuell 391 aktive Lehrbetriebe gemeldet und zusätzlich steigen die Gesuche um Bildungsbewilligung in der Landwirtschaft überdurchschnittlich stark an. Das Überangebot hat Konsequenzen: freie Lehrplätze können nicht besetzt werden. Einen positiven Effekt habe die grosse Auswahl aber auf die Ausbildungsqualität, wie Peter Küng, betrieblicher Ausbildungsberater bei der DBW, erklärte. «Gute Lehrbetriebe gewinnen, schlechte Lehrbetriebe verlieren.»
Allerdings seien auch Auflösungen von Lehrverträgen und Lehrabbrüche nicht selten, der Beruf Landwirt liege dabei unter den ersten zehn bezüglich Häufigkeit, mit einem Anteil von rund 9 Prozent, mahnte Küng. Das dürfte auch mit der besonderen Situation dieser Lehre zusammenhängen, wohnen doch die Lernenden meist bei der Berufsbildnerfamilie auf dem Bauernhof. «Diese unmittelbare Nähe führt zu mehr Konfliktpotenzial, als wenn man am Feierabend nach Hause gehen und sich abgrenzen kann.»
Es sei sinnvoll, beim Entstehen von Herausforderungen frühzeitig mit der Dienststelle in Kontakt zu treten, beispielsweise bei rechtlichen Fragen, unterschiedlichen Erwartungen, Leistungsproblemen, zwischenmenschlichen Konflikten oder Überforderung während der Lehre.
Peter Küng stellte fest, dass viele Junge generell mit Reizen überladen seien und dies zu einer Überbelastung führen könne. Berufsbildner müssten deshalb Verständnis für die Jungen aufbringen, sich in deren Lage versetzen und sie dort abholen, wo sie stehen. Bei einer Lehre müsse die Ausbildung im Vordergrund stehen, nicht nur die Arbeit oder der Nutzen einer günstigen Arbeitskraft.
Heutige Jugendliche würden oft nicht mehr alles akzeptieren, ohne es zu hinterfragen, und anders mit Autoritäten umgehen. «Dies hat weniger mit ‹Frechsein› zu tun, sondern ist vielmehr Ausdruck der gesellschaftlichen Veränderung zwischen jüngeren und älteren Personen», meinte Küng.
Junge ticken anders
Wie Jugendliche heute ticken und was Ausbildner deshalb zu beachten haben, darüber referierte Alois Vogel, Leiter Bildung bei der Luzerner Psychiatrie AG. Dass Junge schlechte Manieren hätten, Autoritäten verachteten und respektlos seien, habe schon der Philosoph Sokrates 500 Jahre vor Christus gemeint. Während bei den Babyboomern oder der Generation X bis Jahrgang 1980 noch auf «leben, um zu arbeiten» gesetzt und Autoritäten akzeptiert worden seien, hätten die nachfolgenden Generationen weniger Interesse an Karriere, stellten Autoritäten in Frage, schätzten lebenslanges Lernen und strebten die Integration von Privat- und Berufsleben an. Sie wünschten eine interessante Tätigkeit, ein gutes Arbeitsklima, Förderung durch Vorgesetzte und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Sinn zähle bei ihnen mehr als der Status, Glück schlage Geld und wichtig sei das Gespräch, listete Vogel die Veränderungen auf.
Mehr psychische Probleme
Studien hätten aber gezeigt, dass heute fast 60 Prozent aller Lernenden während ihrer Ausbildung mit Schwierigkeiten kämpfen, meist psychischer Natur, und im Schnitt würden 13 Prozent der Lehren abgebrochen. Ein Drittel aller Jugendlichen sei von psychischen Problemen betroffen. Risikofaktoren seien schwierige Familienverhältnisse, tiefer sozioökonomischer Status, schlechte Kindheitserfahrungen und chronische Leiden. Ein Drittel bleibe mit den Problemen allein, nur die Hälfte bekomme professionelle Hilfe, und nur wenige würden sich selber an Fachpersonen wenden.
Anzeichen von Schwierigkeiten sind:
- Gesundheitliche Probleme
- Häufige Absenzen
- Passivität und Rückzug
- Mangelnde Kreativität
- Teilnahmslosigkeit
- Schlechte Leistungen
- Mangelnde Motivation
- Plötzliche Verhaltensänderungen
Früh intervenieren
Wichtig sei, früh zu intervenieren und das Netzwerk zu mobilisieren, betonte Alois Vogel. Er empfahl auch den Austausch unter erfahrenen Lehrmeistern. Bei Verdacht auf psychische Störungen seien die Betroffenen behutsam, aber direkt anzusprechen. Sie sollten ihre Sorgen und Ängste aussprechen, ihre Situation selber einschätzen. Die Sorgen sollten geteilt werden und bei Bedarf seien Betroffene für eine Behandlung zu motivieren. Mit positiver Pädagogik sollten trotz «ungünstiger Rahmenbedingungen» möglichst viele positive Erlebnisse ermöglicht, individuelles Engagement gefördert und Sinn in der Arbeit vermittelt werden.