Bauer F. B. ist wütend, sehr wütend sogar: Er ist Mitte 50, alleinstehend und führt einen Landwirtschaftsbetrieb. Zirka 200 Meter neben seinem Betrieb besitzt er noch ein altes Bauernhaus, mit Wohnung und Kuhstall. Nun möchte Bauer F. B. das alte Bauernhaus abreissen und sich im Wohnteil für nach der Pensionierung eine Alterswohnung bauen. Zum Erstauen von F. B. sagen die Behörden aber Nein: Zuerst müsse er seine Betriebsnachfolge geregelt haben, bevor es eine Baubewilligung gebe. «Ich weiss doch beim besten Willen noch nicht, wer einmal meinen Betrieb übernehmen wird», sagt der kinderlose F. B. enttäuscht.

Wer kommt danach?

«Da Bauer F. B. noch nicht über eine gesicherte Betriebsnachfolge verfügt, ist die sogenannte «Stöcklisituation» nicht gegeben. In diesem Fall wird er auch keine Alterswohnung baubewilligt erhalten», weiss Hansueli Schaub, fachverantwortlicher Raumplanung bei Agriexpert in Brugg AG.

Damit eine Alterswohnung landwirtschaftlich zonenkonform baubewilligt werden kann, müssen zudem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die abtretende Generation hat schon ihr ganzes Leben an diesem Betriebsstandort gelebt und gearbeitet.
  • Die Betriebsnachfolge ist geregelt.
  • Die längerfristige Existenz des Betriebs ist nachgewiesen/gesichert.
  • Der Baute stehen am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegen.

Nicht zonenkonform

Dass Bauer F. B. im alten Bauernhaus keine Alterswohnung bauen darf, hat vor allem mit dem Raumplanungsgesetz zu tun. «Im Raumplanungsgesetz ist in der Landwirtschaftszone vorgesehen, dass bei landwirtschaftlichen Gewerben, bei denen der Wohnraum für den Betriebsleiter unentbehrlich an den Betriebsstandort gebunden ist, auch Wohnraum für die abtretende Generation als landwirtschaftlich zonenkonform gilt», sagt Hansueli Schaub. Unentbehrlich sei der Wohnraum dann, wenn für die (zonenkonforme) Bewirtschaftung des Bodens eine lange Anwesenheit vor Ort erforderlich sei und die nächstgelegene Wohnzone weit entfernt liege. Und: «Ob Wohnraum im genannten Sinn unentbehrlich ist, beurteilt sich allein nach objektiven Kriterien.

Subjektive Vorstellungen und Wünsche sind ebenso ­wenig massgebend wie die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit», hält der Raumplanungs-Spezialist fest. Ausschlaggebend dafür sei eine Gesamtbetrachtung, die sich mehr an qualitativen als an quantitativen Faktoren orientiere. Zu berücksichtigen seien namentlich die Art und Grösse des Betriebs, seine topografische Lage und sein wirtschaftliches Umfeld (insbe-sondere die Lage in einem Abwanderungsgebiet), aber auch weitere Eigenheiten wie etwa die biologische Produktionsweise. «Die allfällige Notwendigkeit der ständigen Präsenz ergibt sich aus der Gesamtheit der auf dem Hof anfallenden Arbeiten, nicht aus den einzelnen Verrichtungen», sagt Schaub.

Unentbehrlich für den Betrieb

Laut Raumplanungsrecht kann Bauer F. B. also nur eine Alterswohnung bauen, wenn es sich bei seinem Landwirtschaftsbetrieb um ein landwirtschaftliches Gewerbe, nach bäuerlichem Bodenrecht handelt. Sein Wohnraum muss zudem für den Betrieb unentbehrlich, die Betriesnachfolge geregelt sein und die nächstgelegene Wohnzone weit entfernt liegen. «Verschiedene Kantone haben die Bewilligungspraxis, dass unter dem Titel Zonenkonformität keine Bewilligung mehr erteilt wird, wenn der Betriebsleiter und Gesuchsteller über 55 Jahre alt ist», hält Hansueli Schaub fest.

Dies mit der Begründung, dass bei fehlender Betriebsnachfolge die längerfristige Existenz nicht nachgewiesen sei. «Betreffend Standort ist die Handhabung in den Kantonen unterschiedlich und die örtlichen Situationen spielen auch in die Standortbeurteilung hinein», sagt der Agriexpert-Mitarbeiter.

Im Sinne eines Stöcklis

Üblich sei, dass eine Alterswohnung, im Sinne eines freistehenden Stöcklis, im unmittelbaren Bereich der Hauptbetriebsgebäude zu erstellen sei. «Da ein Ersatzbau vorgesehen ist, kann der Standort dieses Wohnhauses durchaus die 200 Meter verschoben sein, wenn die raumplanerischen Interessen dies verlangen, was meistens der Fall ist», hält der Experte fest. Da Bauer F. B. aber noch nicht über eine gesicherte Betriebsnachfolge verfügt, sei die sogenannte «Stöcklisituation» nicht gegeben. «In diesem Fall wird er auch keine Baubewilligung für eine Alterswohnung erhalten», so Hansueli Schaub.

Variante geprüft

Bauer F. B. hat auch die Variante geprüft, den Umriss des alten Hauses stehen und einfach den Wohnraum renovieren zu lassen: «Ich habe aber schnell gemerkt, dass dies reine Geldverschwendung wäre», sagte der Landwirt. Denn: «Die Bausubstanz ist schlecht, das Dach hängt tief hinunter. Ein Abriss und ein Neubau wäre die beste Lösung», sagt er. Obwohl es nicht die Wunschvorstellung von Bauer F. B. ist, nur den Wohnraum zu renovieren und äusserlich am Haus nichts verändern zu lassen, würde dies die ­Gesetzesvorlage auch nicht bewilligen. «Auch hier gilt: Solange die Betriebsnachfolge nicht geklärt ist, hat Bauer F. B. auch kein Anrecht auf diese Bauvariante und den zusätzlichen landwirtschaftlichen Wohnraum», sagt Hansueli Schaub.

Des Weiteren sei auch die Distanz zum Hauptbetriebsstandort mit 200 m zu gross, um den Wohnhausumbau als landwirtschaftlich zonenkonform baubewilligt zu erhalten. Denn das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 20. Mai 2020 (BGE 1_C 145/ 2019) festgehalten, dass die sogenannte Besitzstandsgarantie nach Art. 24c RPG auf eine altrechtliche Wohnbaute in der Landwirtschaftszone, bei der die vorhandene Betriebsleiterwohnung oder der vorhandene Altenteil als solche genutzt wird, nicht anwendbar ist. Unpräzise ist der Bundesgerichtsentscheid in der Frage, wann es sich um eine landwirtschaftliche Nutzung des Wohnraumes oder um einen aktiven, praktizierenden Landwirtschaftsbetrieb handelt.

Zuerst Klarheit schaffen

In Bezug auf Bauer F. B. bedeutet diese Sachlage nun, dass die Behörde zuerst Klarheit über die künftige Existenzfähigkeit seines Betriebs erhalten wolle. «Sie müssen entscheiden können, ob der Wohnhausersatz unter dem landwirtschaftlich zonenkonformen Titel oder unter dem Titel der Besitzstandsgarantie zonenwidriger Bauten zu beurteilen ist», sagt Hansueli Schaub. Sonst seien nur Unterhaltsarbeiten zulässig, die keine Baubewilligung erfordern.

«Beim Gebäude von Bauer F. B. ist vorderhand also nur eine ‹Pinselsanierung› zulässig», sagt der Experte. Bauer F. B. weiss aber schon jetzt, dass es, wenn er den Betrieb an eine junge Betriebsleiterfamilie übergibt, für ihn keinen Platz mehr im Bauernhaus hat. «Irgendwo muss ich nach meiner Pensionierung ja noch leben können», sagt der Landwirt. Da wäre sein altes Bauernhaus eben die ideale Lösung dafür.

 

Nachgefragt: «Nicht das Gesetz ist so scharf»

Wir haben bei Hansueli Schaub, Fachverantwortlicher Raumplanung bei Agri-expert in Brugg AG, nachgefragt.

Auf dem Betrieb, wo F. B. wohnt, ist es zu klein, dass er später nach der Betriebsübergabe dort seinen Lebensabend verbringen könnte. Was empfehlen Sie ihm, damit er ein anderes altes Haus, dass zum Betrieb gehört, umbauen kann?

Hansueli Schaub: Bauer F. B. muss sich entscheiden, in welche Richtung sich sein Betrieb entwickeln soll. Soll der Betrieb als existenzfähiger Landwirtschaftsbetrieb mit unentbehrlichem Wohnraum (und damit Anrecht auf eine Alterswohnung) unter dem zonenkonformen Rechtstitel zusätzlichen Wohnraum erstellen, muss Bauer F. B. den Betrieb und die Nachfolge entsprechend dieser Bewilligungsvoraussetzungen ausrichten. In diesem Fall steht allenfalls der abgesetzte Standort noch infrage und ein Ersatzbau müsste dem Hauptstandort angegliedert werden.

Und wenn der Betrieb nicht weitergeführt wird?

Soll der Betrieb nach der Pensionierung von F. B. nicht mehr weitergeführt werden, so ist mit den Bewilligungsbe-hörden zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Umbau des Wohnhauses unter dem nichtlandwirtschaftlichen Titel der Besitzstandsgarantie möglich wäre und mit welchen Auflagen zu rechnen ist (z. B. Anschluss an öffentliche Schmutzwasser-kanalisation).

Bauer F. B. ist der Ansicht, dass das Gesetz so scharf sei, weil zum Betrieb gehörende Häuser umgebaut und nicht für den Eigenbedarf genutzt, sondern vermietet wurden.

Nicht das Gesetz oder die Verordnung sind «so scharf» oder die anderen Bauern sind schuld. Die Auslegung der rechtlichen Vorgaben hat sich seit dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes 1980 und der verschiedenen Revisionen mit jedem Gerichtsentscheid entwickelt. Auch hatten die Kantone eine kantonale Bewilligungspraxis, einen roten Faden für ihre Entscheidungsfindungen, festzulegen. Auch kann sich die betriebliche Situation ändern. So kann eine bewilligte Alterswohnung unbenutzt sein, weil die abtretende Generation ins Dorf gezogen ist oder ins Altersheim verlegt werden wollte oder … oder … . Dass diese leer stehende Wohnung dann bei Nichteigenbedarf an Dritte vermietet wird, ist nicht verwerflich, sondern übliches Verhalten.

Also stimmt das nicht?

Einen Funken Wahrheit hat die Aussage allerdings schon. Gesetzesrevisionen beziehungsweise die diesbezüglichen parlamentarischen Diskussionen oder Gerichtsurteile und kantonalen Bewilligungspraxen wurden durchaus durch bestimmte Bedürfnisse und Begehrlichkeiten beeinflusst. Massgebenderen Einfluss auf die Auslegung und die Formulierung der Rechtsgrundlagen haben allerdings der jeweils geltende Zeitgeist und die gesellschaftlichen Vorstellungen.

Kann Bauer F. B. das alte Bauernhaus nicht vom Betrieb abparzellieren lassen?

Im Falle der Weiterführung des landwirtschaftlichen Gewerbes mit unentbehrlichem Wohnraum wird zwar eine Bewilligung für zonenkonformen Wohnraum erteilt werden können, in diesem Fall wird in verschiedenen Kantonen – zur Sicherstellung der Bewilligungsvoraussetzung der längerfristigen Existenz des Gewerbes – ein Realteilungs- und Zerstückelungsverbot auf den Gebäudeparzellen und teilweise auf sämtlichen Eigenlandparzellen im Grundbuch einge-tragen.

Und bei Betriebsaufgabe?

Wenn der Betrieb nicht mehr weitergeführt wird und das alte Bauernhaus unter dem Titel der Besitzstandsgarantie an diesem abgesetzten Standort umgebaut werden kann, so kann dieses auch mit wenig Umschwung abparzelliert und vom restlichen Betrieb abgetrennt werden. Hierfür ist beim zuständigen kantonalen Amt (BE: Regierungsstatthalteramt) ein Gesuch um Parzellierung/Realteilung sowie Entlassung aus dem Geltungsbereich des bäuerlichen Bodenrechts (inkl. Aufhebung der landwirtschaftlichen Belehnungsgrenze) einzureichen und genehmigen zu lassen. Allenfalls wird auf den Gebäudeparzellen ein Verbot zur Erstellung von zusätzlichem Wohnraum im Grundbuch eingetragen. Ansonsten könnte sich ein veritables Dorf um den Landwirtschaftsbetrieb entwickeln, was weder aus landwirtschaftlicher noch raumplanerischer Sicht sinnvoll ist.