Vor Wochenfrist hat der Nationalrat kurz vor Redaktionsschluss das Minipaket zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) fertig beraten. Mit den Anträgen für allerhand weitere ökologische Massnahmen biss Links-Grün auf bürgerlichen Granit. Das heisst nun aber nicht, dass die progressiven Kräfte komplett leer ausgegangen wären; im Gegenteil. Diese sind schon zuvor reich belohnt worden mit gut begrünten Absenkpfaden, die den Landwirt(innen) einiges abfordern werden. Das links-grüne Lamento vom zementierten Status quo läuft deshalb ins Leere. Das Fazit ist vielmehr – wie eigentlich immer in der eidgenössischen Politik – mittlere Unzufriedenheit. Wobei diese aber ja immer auch mässige Zufriedenheit beinhaltet.

Viele Zugeständnisse gemacht

Anders ausgedrückt: Die Politiker(innen) von links-grün bis rechtskonservativ können relativ gut leben mit dem Resultat des turbulenten Revisionsprozesses. AP 22+ wurde zunächst sistiert, dann seziert und neu aufgelegt. Die ökologischen Elemente hat man unter dem Druck der drohenden Agrar-Initiativen vorgezogen. Ironie des Schicksals: Die Idee der Absenkpfade wurde nicht etwa im Hinterzimmer einer links-grünen Genossenschaftsbeiz ausgebrütet, sondern aus bürgerlichen Kreisen lanciert. Überflüssig, zu sagen, dass dabei auch bäuerliche Parlamentarier die Hände im Spiel hatten.

Hintergrund war seinerzeit, dass man einen Gegenvorschlag zur Trinkwasser- und Pestizidverbots-Initiative verhindern wollte. Im Nachhinein muss man sich aus bäuerlicher Seite eingestehen, dass damals wohl zu viele Konzessionen gemacht wurden. Es ist aber müssig, den Zugeständnissen nachzutrauern. Ein Ja schien seinerzeit alles andere als unmöglich und hätte wohl üble Folgen gehabt.

Die deutliche Ablehnung aller drei Initiativen in den letzten beiden Jahren brachte nun für alle Beteiligten einen Lehrblätz. Links-Grün musste einsehen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die bürgerlichen Landwirtschaftsvertreter dürfen zwar auf eine klare Mehrheit zählen, 40 Prozent fordern aber mehr Ökologie und Tierwohl. Das ist ein Bevölkerungsanteil, der nicht vernachlässigt werden kann. Bei den Behörden wiederum hat man dank parlamentarischer Nachhilfe bäuerlicherseits begriffen, dass die Agrarpolitik Schritt für Schritt zur Ernährungspolitik umgebaut werden muss. Dies ist ein sehr positiver Effekt der seinerzeitigen Sistierung.

Zu lange alleine im politischen Regen

Die Erkenntnis, dass die Bauern politisch allzu lange alleine im Regen standen, scheint sich allmählich breit durchzusetzen: Wenn man die Parlamentsdebatte und die anschliessende «Arena» von SRF verfolgte, fiel auf, wie wenig direkte Kritik an den Bauernfamilien geübt wurde. Auch der Bürger(innen)rat für Ernährungspolitik ist lebender Beweis, dass man sich hier breiter Gedanken machen will. Obwohl dessen Resultate vorläufig noch sehr luftig daherkommen, ist dies eine gute Entwicklung. Quer durch die politische Landschaft äussert man heute Verständnis für die Mühen des bäuerlichen Alltags im immer komplexer werdenden System. Am Pranger stehen eher die Verbände für ihre kompromisslose Lobbyarbeit, die vorgelagerte Industrie mit ihren stark erhöhten Preisen oder die Detailhändler mit ihren üppigen Margen.

Apropos Verbände: Der bürgerliche Schulterschluss hat in dieser Debatte relativ reibungslos funktioniert. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die Allianz des Bauernverbands mit den Wirtschaftsverbänden zurückzuführen. Allerdings wäre es übertrieben, diesen lockeren Zusammenschluss als entscheidenden Faktor zu betrachten. Vielmehr dürfte sich auf der konservativeren Ratsseite die Erkenntnis breit durchgesetzt haben, dass das Ökofuder im Moment mehr als ausreichend beladen ist.

Die Zukunft entscheidet sich am Markt

Breit anerkannt ist unterdessen auch der Sachverhalt, dass sich die Zukunft der Landwirtschaft primär am Markt entscheidet und nicht im Bundeshaus. Eine Politpause, eine Art verordnungsfreie Verdauungspause, wäre vor diesem Hintergrund zu begrüssen. Nur wird dies aller Voraussicht nach ein frommer Wunsch bleiben. Es warten weitere Initiativen – Stichworte Biodiversität, Landschaft, Klima, Selbstversorgung.

Der Bundesrat hat Klima- und Food-Waste-Ziele verabschiedet und man kann davon ausgehen, dass die Landwirtschaft in einer immer dichter besiedelten Schweiz noch stärker unter Druck kommen wird. Sei es wegen Emissionen aller Art, ihrer Bautätigkeit oder Insektensterben. Die Agrarpolitik bleibt eine Projektionsfläche für allerlei Ideen, fundierte und eher wirre. Damit werden wir auch künftig leben müssen.