Jahre bevor das Thema Klima in der Politik zum Dauerbrenner wurde, beschäftigte sich eine Gruppe innovativer Bauern aus dem Flaachtal damit. Ihr erklärtes Ziel, nämlich politischen Vorgaben zuvorzukommen, haben sie erreicht – und das Interesse am Projekt über die Landesgrenzen hinaus geweckt.

Bekannt für Auen und Rüben

Um 2012 war das Flaachtal vor allem bekannt für die Thurauen, ein Naturschutzgebiet. Was die Landwirtschaft in der Region zu bieten hat, beispielsweise Spargeln, schien in Vergessenheit geraten zu sein. «Das Flaachtal ist sehr produktiv, mit Rüben, Kartoffeln und Gemüse», erklärt Toni Meier. Er hat damals mit zehn Bauern den Verein «AgroCO2ncept» gegründet und das erste Ressourcenprojekt von bäuerlicher Seite gestartet. «Zuerst ging alles ganz schnell und wir wurden vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eingeladen», erinnert sich Meier. Die Idee kam zur perfekten Zeit; das BLW arbeitete gerade an einer Klima-Strategie für die Landwirtschaft. Nach den ersten raschen Fortschritten gingen die Entwürfe hin und her, bis das Projekt eingereicht werden konnte und die Bundesbeiträge gesprochen wurden. Zur finanziellen Unterstützung konnte der WWF gewonnen werden, der auch mit der Projektskizze half. Hinzu kam das Engagement der Treuhänderfirma Ernst&Young AG. «In der Politik war das Echo gross, mehr Überzeugungsarbeit brauchte es bei den Bauern», so Meier. Viele Landwirte glaubten, das sei nur so ein «Ökoprojekt». Ein wichtiger Punkt beim «AgroCO2ncept» sei aber, dass man die bisherige Produktion erhalten wolle. Die Idee ist, mit weniger Ressourcen dieselbe Menge zu ernten und so Kosten und CO2 einzusparen. Als das angekommen sei, wuchs die Zustimmung. Schliesslich konnten ab 2016 nur 24 statt der geplanten

30 Bauern teilnehmen, wie Meier erklärt: «Die Bauern waren so motiviert, wollten so vieles umsetzen, dass die Finanzierung für mehr nicht gereicht hätte.»

Individuelle Massnahmen

2016 begann die Umsetzung. Der Initiant des «AgroCO2ncepts» betont dabei, es gebe keine allgemeingültigen Massnahmen zur CO2-Reduktion. «Jeder Betrieb ist anders und muss gesamthaft angeschaut werden. Es greift eine Vielzahl von Zahnrädern ineinander, die man beachten muss». Insgesamt etwa einen Tag nahm die vollständige Treibhausgas-Bilanzierung eines Betriebs in Anspruch, wovon etwa die Hälfte zur Vorbereitung aufgewendet wurde, schätzt Toni Meier. Vertreter der Bodensee-Stiftung und Berater des Strickhofs gingen mit dem Betriebsleiter über den Hof. «Manchmal fragte jemand, warum etwas so gemacht werde – und das fragte sich der Betriebsleiter dann auch», erinnert sich Meier lächelnd. Es sei immer bereichernd, wenn verschiedene Landwirte ins Gespräch kämen. Auch deshalb stand das «AgroCO2ncept» für alle offen, unabhängig von der Produktionsweise: «Wir haben Bio-Bauern, IP- und ÖLN-Betriebe, natürlich gibt es da Diskussionen. Das ist aber auch gut so». Es gebe keine «schlechten Bauern», jeder wolle es auf seine Weise gut machen. Das Ziel sei eine Verbesserung. Die Klimadebatte in der Landwirtschaft müsse alle umfassen, in der CO2-Bilanz lägen sowieso alle sehr nahe beieinander.

Unkompliziert umsetzen

Die Umsetzung ist laut Toni Meier oftmals denkbar einfach gewesen. Wenn man zum Schluss gekommen sei, dass man weniger düngen sollte, könne man einfach den Düngerstreuer anders einstellen – fertig. Auch Glühbirnen sind schnell durch energiesparendere Leuchtmittel ausgetauscht. «Allerdings ist es in der Tierhaltung schon etwas anders. Im Gegensatz zum Ackerbau geht die Umsetzung dort nicht im gleichen Arbeitsgang». Daher gab es Workshops zur klimafreundlicheren Tierhaltung. Die Teilnehmer lernten ausserdem in einem gemeinsamen Eco-Drive-Kurs umweltschonendes Fahren. Auch da sei man angenehm ins Gespräch gekommen.

Meier hat von vielen gehört, sie würden bereits klimafreundlich arbeiten. Das sei sicher so, es gehe aber darum, sich wo möglich zu verbessern. «Man muss ja auch das Rad nicht neu erfinden. Man kann voneinander lernen und von unterschiedlichen Blickwinkeln profitieren», resümiert er.

Nach abgeschlossenem Papierkrieg und drei Jahren Umsetzungszeit nähert sich im August eine weitere grosse Bilanzierung. Allerdings sei das mit den CO2-Bilanzen jeweils nicht so einfach; sie werden über drei Jahre gemacht und da die Anbaubedingungen teils stark schwanken, ist eine Interpretation des Durchschnitts schwierig. Hinzu kommt, dass viele der Betriebe im Verein gewachsen seien. Dem mit Umrechnungsfaktoren gerecht zu werden, sei auch nicht leicht, da es den Vergleich mit dem Ausgangszustand erschwert.

«Wir wollten dieselbe Menge, aber sparsamer produzieren.»

Toni Meier über das Ziel des «AgroCO2ncepts».

Anpassungen gab es bei allen teilnehmenden Betrieben, manchmal auf unerwartete Art. Auch die Konsumenten durften nicht vergessen gehen; so stellte ein Flaachtaler Weingut auf leichtere Flaschen um. Dafür musste erst Akzeptanz geschaffen werden, da man qualitativ hochstehende Weine in schweren Flaschen erwarte.

Die Politik beeinflussen

Delegationen aus Tschechien, Deutschland, Österreich, Russland und auch aus China haben die Flaachtaler «Klimabauern» besucht und sich inspirieren lassen. Immer dabei: Toni Meier. Sie hätten sich Schritt für Schritt von unten her bis in die Politik hochgearbeitet und könnten diese jetzt vielleicht auch beeinflussen. Schliesslich würden bereits Nationalräte bei ihm anklopfen und fragen, was man in Sachen Klima und Landwirtschaft tun könne. «Man merkt jeweils, wann bald etwas aus der Politik kommen wird. Wir wollten dem zuvorkommen und selbst etwas machen», erklärt Meier den Start des Projekts. Der nächste Schritt ist nun die Vermarktung.

Dabei sei noch das Meiste offen, ein Label wolle er aber sicher nicht, stellt Meier fest; «davon gibt es schon zu viele». Direktvermarktung oder eine Zusammenarbeit mit der Gastronomie schwebt ihm vor. Das stecke aber alles noch in den Kinderschuhen.

Zu seinen Visionen und einer Ausweitung des Konzepts ist Meier bescheiden; «wir fokussieren auf das Flaachtal. Der Kanton sieht sein Gebiet, das BLW die ganze Schweiz, jeder hat seinen Radius». Im Ausland sei man zum Teil weiter, er denke da ans Allgäu und an Österreich. «Da haben wir vielleicht etwas nachzuholen, oder zumindest noch Potenzial». Das Wissen werde nun aber auch in Schulen einfliessen, dann seien entsprechende Kenntnisse in Zukunft bereits «automatisch» vorhanden.

 

Zu diesem Artikel gehören zwei Kurzporträts von teilnehmenden "Klimabauern":