Am 14. Juli wurde eine branchenübergreifende Absichtserklärung für mehr Klimaschutz in der Schweizer Landwirtschaft veröffentlicht. Sie ist das Resultat des runden Tisches vom 11. Juni, an dem Vertreter von Landwirtschaft, Verarbeitung, Detailhandel und Umweltorganisationen teilnahmen. Die Unterzeichner, darunter die Mitglieder der IG Detailhandel Schweiz (Coop, Denner, Migros), Bio Suisse, Emmi, Fenaco, IP-Suisse, Nestlé, der Schweizer Bauernverband sowie der WWF, bekennen sich darin zu einem gemeinsamen Ziel: eine klimafreundlichere Landwirtschaft bei gleichbleibender inländischer Produktion. Doch die Absichtserklärung bleibt vage. Gerade, welche Rolle die Bauern inskünftig einnehmen, geht aus der Erklärung nicht hervor. Sie stehen mit ihrer Produktion am Pranger, lösen oder zumindest sagen, wie das vonstattengeht, wollen offenbar andere. Die BauernZeitung hat nachgefragt.

Ohne konkrete Verpflichtung

Die Absichtserklärung umfasst die fünf folgenden zentralen Punkte:

  • Netto-null: Unser Ziel ist die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen Richtung Netto-null durch Umsetzung von wirkungsvollen Massnahmen, die eine gesamtheitlich nachhaltige Anbaupraxis anstreben, ohne die inländische Produktion zu verringern.
  • SBTi: Wir einigen uns auf einheitlich berechnete SBTi-konforme Emissionsfaktoren für alle relevanten Rohstoffe (inkl. periodische Aktualisierung).
  • Datenaustausch: Wir einigen uns auf einen standardisierten Datenaustausch über eine neutrale Plattform entlang der Wertschöpfungskette.
  • Finanzierungsmodell: Wir erarbeiten ein Finanzierungsmodell, welches die Herkunft und Verwendung der Mittel sicherstellt und Marktverzerrungen verhindert.
  • Erbrachte Leistungen: Die von den Produzenten erbrachten Leistungen (inkl. der vorgängigen Datenerhebungen) werden durch höhere Zuschläge (beispielsweise Richtpreiszuschlag im Milchbereich) am Markt durch die jeweiligen Abnehmer (u. a. Verarbeitung, Handel und Industrie) abgegolten. Diese Abgeltungen werden separat ausgewiesen.

Die Koordination der Arbeiten erfolgt durch die IG Detailhandel Schweiz. Diese erklärt gegenüber der BauernZeitung, die fünf Punkte würden bis zum 31. Oktober 2025 konkretisiert. «Wir sind überzeugt, dass wirkungsvolle Massnahmen nur gelingen können, wenn alle Akteure am selben Strang ziehen», schreibt die IG. Ziel sei ein einheitliches Vorgehen mit einheitlichen Emissionsfaktoren, Datenformaten und einem gemeinsamen Finanzierungsmodell. Diese Aussage weist darauf hin, dass man sich am 11. Juni über das Vorgehen noch nicht einig schien – ansonsten hätte die Absichtserklärung «mehr Fleisch am Knochen».

BOM und der Klimarechner

Obwohl die Branchenorganisation Milch (BOM) nicht zu den Erstunterzeichnenden gehört, meldet sie sich gleichentags mit einer Medienmitteilung zu Wort. Dort begrüsst man die Initiative ausdrücklich. «Die Milchbranche wird Teil der Lösung sein», heisst es in einer Stellungnahme. Die BOM will ihre Erfahrungen aus dem Projekt «Klimastar Milch» einbringen, das 2022 von einer Gruppe ihrer Mitglieder initiiert wurde. Im Zentrum steht ein eigens entwickelter Klimarechner, der ab Anfang 2026 einsatzbereit sein soll.

«Wir erwarten, dass offen und transparent über Inhalte und Fortschritte kommuniziert wird», schreibt die BOM und hinterlässt damit auch gleich den Eindruck, dass man dem unter Umständen nicht überall gerecht wird. Zudem fordert sie, dass der Kreis der Beteiligten nun erweitert wird: «Neben der BOM müssen auch andere Akteure aus den Branchen und aus dem Markt ihre Erfahrungen einbringen können.»

Viele Fragen offen

Trotz des positiven Signals bleibt aus Sicht der Bauern vieles unklar. Die BauernZeitung konfrontierte die IG Detailhandel mit konkreten Fragen. Warum eine Absichtserklärung statt einer verbindlichen Vereinbarung verabschiedet wurde, beantwortet die IG mit dem Hinweis auf die Komplexität der Materie. «Die Diskussionen am runden Tisch wurden eher generell geführt. Eine konkrete und detaillierte Vereinbarung konnte in der kurzen Zeit nicht erarbeitet werden», so die IG. Das Ziel bleibe jedoch, die Grundsätze in handlungsleitende Aktivitäten umzusetzen.

Gefragt nach konkreten Zugeständnissen des Detailhandels betont die IG ihre Rolle als Initiantin des Prozesses. «Ein wichtiger Beitrag der IG Detailhandel ist, dass sie den Prozess angestossen und die wichtigsten Akteure an einen Tisch gebracht hat.» Finanziell bleibe vieles offen: Zwar sei der Handel bereit, die Produzenten für ihre Klimaleistungen zu entschädigen – wie das konkret geschehen soll, wer die Höhe der Zuschläge festlegt und wer deren Auszahlung garantiert, ist noch unklar. Auch zu einem möglichen Beitrag über höhere Endverkaufspreise gibt es keine Entscheidung.

Die IG Detailhandel bestätigt, dass die Finanzierungsfragen in den nächsten Monaten von Arbeitsgruppen geklärt werden sollen. Ob der Handel selbst Mittel bereitstellt oder alles im Markt geregelt wird, ist offen. Ebenso bleibt unklar, welche Rolle die Politik spielen soll. Gefragt danach, ob mit staatlicher Unterstützung zu rechnen ist oder ob alles am Markt geregelt werden soll, heisst es vonseiten IG: «Wir wollen selbst Verantwortung übernehmen in der Wertschöpfungskette. Ob die Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, wird sich zeigen.»

Auf die Frage nach der Beteiligung der Produzentenorganisationen verweist die IG darauf, dass Bio Suisse, IP-Suisse und der Schweizer Bauernverband zu den Erstunterzeichnenden gehören. Sie würden in die konkrete Ausgestaltung eingebunden. Wer letztlich über die Gewichtung der Interessen entscheidet, bleibt indes offen.

Zur Rolle der Konsumentinnen und Konsumenten äussert sich die IG: «Das ist insbesondere Aufgabe des Detailhandels.» Wie genau diese Zielgruppe informiert und zur Mitverantwortung bewegt werden soll, bleibt ebenfalls unbeantwortet.

Erster Schritt – kein Durchbruch

Dass die Absichtserklärung bislang wenig Verbindliches enthält, könnte Kritiker aufs Tapet bringen. Die IG entgegnet: «Kritisieren ist einfacher als machen.» Man sei stolz, erstmals die wichtigsten Akteure zusammengebracht zu haben. «Es ist der Anfang eines Prozesses, nicht das Ende.»

Das mag stimmen. Doch ob aus der Absichtserklärung mehr wird als ein Minimal-Konsenspapier, wird sich in den kommenden Monaten zeigen müssen. Bis dahin bleibt die Unsicherheit bei vielen Bäuerinnen und Bauern bestehen: Wer sagt, was zu tun ist, und vor allem: Wer zahlt am Ende welchen Preis für diesen Klimaschutz?

Rechner statt Rückhalt
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Kommentar von Simone Barth

Eine «branchenübergreifende Absichtserklärung» zur klimafreundlichen Landwirtschaft hatte der runde Tisch mit Detailhändlern, Verarbeitern, Umweltverbänden und dem Bauernverband angekündigt. Präsentiert wurde am Montag ein Papier ohne klare Ziele, ohne Zuständigkeiten, ohne Verbindlichkeit. Keine Antwort auf die wichtigsten Fragen: Was genau sollen die Bauern leisten? Wer entscheidet darüber? Wer zahlt – und wann? Statt konkreter Lösungen gab es Schlagworte. Doch wer glaubt, damit werde der Bürokratieabbau vorangetrieben, irrt. Im Gegenteil: Es drohen Rechner statt Rückhalt. Noch mehr administrative Last für die, die ohnehin schon zwischen Auflagen und Preisdruck zerrieben werden.

Auffällig auch, wer da am Tisch sitzt: Konzerne wie Nestlé – also genau jene, die an der neuen Ordnung auch verdienen dürften. Denn klar ist: Wäre damit kein Geschäft zu machen, sässen sie nicht da. Es geht nicht nur ums Klima, es geht auch um Marktsteuerung. Und um die Frage, wer am Ende das Sagen hat. Dabei ist das Bild, das vom Bauernstand gezeichnet wird – träge, rückständig, klimaschädlich – längst widerlegt. Viele Landwirtinnen und Landwirte sind schon seit Jahren so unterwegs: mit wissenschaftlich belegten Mehrwertprogrammen, Weidehaltung, Humusaufbau, Energieeffizienz. Alles real, messbar, geprüft. Und doch tut man so, als müsse erst ein Runder Tisch sie zur Einsicht bringen.

Zumindest was die Stundenlöhne angeht, war es wohl das in diesem Jahr teuerste Treffen zur Landwirtschaft. Der Inhalt kommt nun aber deutlich billiger daher. Im SRF heisst es in den 3-Uhr-Nachrichten am Montag zusammengefasst: Die Bauern sind Verursacher eines Klimaproblems – und der Detailhandel löst das jetzt. s.barth@bauernzeitung.ch