Ritter, Köppel, der Aldi-Chef und der schönste Bauer der Schweiz – das Programm klang vielversprechend. Der Chefredaktor der «Weltwoche» lud am Mittwochabend nach Bern. Unter dem Titel «Frisch vom Bauernhof» diskutierte Roger Köppel mit dem Präsidenten des Schweizer Bauernverbands Markus Ritter sowie Ex-Mister Schweiz Renzo Blumenthal und Aldi-Suisse-Chef Jérôme Meyer.[IMG 2]

Viel Frisches gab es dann allerdings nicht zu hören. Ritter kam gewohnt sattelfest mit Zahlen und Schalk im Gepäck und Meyer verbrachte einen gemütlichen Abend – denn der Wind im geschichtsträchtigen Empire-Saal des Restaurants Zum Äusseren Stand blies eher gegen Coop und Migros.

«Es ist nicht die anstrengende Arbeit, es sind die hohen Ansprüche, die gestellt werden.»

Markus Ritter, SBV-Präsident, zur Belastung der Bauern.

Fertig mit Bio

Renzo Blumenthal bot aus bäuerlicher Sicht dann beinahe schon die spannendste Aussage: «Ich mache jetzt IP.» Wie der Ex-Mister Schweiz berichtete, hat er sich von der Bio-produktion distanziert. Gründe dafür seien die vielen und vor allem zunehmenden Auflagen. So erzählte Blumenthal am Mittwochabend von bis zu zehn Kontrollen pro Jahr.

Ganz zufrieden scheint Blumen-thal aber auch mit der neuen Ausrichtung nicht zu sein, wie seinen Ausführungen mehrfach zu ent-nehmen war. Das sieht auch Roger Köppel so: «Viele Bauern leiden unter der Landwirtschaftspolitik. Das ist etwas ganz Fürchterliches.»

Markus Ritter erklärte in der Folge, was den Bauern zuweilen auch wirklich als Schrecken erscheint. So beobachtet der Bauernpräsident vor allem eine Zermürbung in den Kreisen seiner Berufskollegen. Ein durchschnittlicher Bauernhof habe 1,4 Arbeitskräfte. Und diese 1,4 Arbeitskräfte müssten die Tiere und Felder besorgen, das alles auch noch aufzeichnen und die Buchhaltung machen. «Der Büroapparat der Bauern wird auf den Abend oder den Sonntag verlegt», weiss Ritter. Hinzu kämen Kontrollen und relativ scharfe Bussen, wenn etwas nicht erfüllt werde. «Wir haben 2500 Kontrollpunkte. Dass hier irgendetwas vergessen geht oder nicht richtig gemacht wird – diese Gefahr besteht einfach», so Ritter. Das bedeute für viele Bauern eine psychische Belastung. «Es ist nicht die anstrengende Arbeit, es sind die Ansprüche und die hohen Anforderungen, die gestellt werden, die belasten», meinte Ritter.

In Sachen Belastung wollte Roger Köppel noch wissen, ob es alsbald – analog dem deutschen System – dazu kommen könnte, dass die Schweizer Bauern mit Drohnen überwacht würden. Das gebe es noch nicht, so Ritter, zog dann aber auch sofort wieder eine Geschichte aus dem linken Hosensack. Da habe ihn also einer vom Landwirtschaftsamt St. Gallen kontaktiert, wegen dieses Baumes. «Ich habe ihm gesagt, er solle doch schauen kommen», so Ritter. Dieser habe dann entgegnet, nein, er hocke hier vor dem Bildschirm vor der entsprechenden Luftaufnahme, den besagten Baum im Visier, und da sei die Sache mit diesem Baum eben anders als gedacht. «Also das hat mich dann beängstigt, das muss ich hier doch sagen», schätzte Ritter die Lage schmunzelnd ein.[IMG 3]

«Viele Bauern leiden unter der Landwirtschaftspolitik. Das ist etwas ganz Fürchterliches.»

Roger Köppel, «Weltwoche»-Chefredaktor, zur Agrarpolitik.

Meyer ohne Herausforderung

Mit viel Unterhaltung und wenig Konfrontation ging es dann weiter. Roger Köppel unterliess es, die teils gegensätzlichen Aussagen von Markus Ritter und Jérôme Meyer zu hinterfragen und die beiden vor dem Publikum debattieren zu lassen. Steilpässe dazu hätten die beiden mehrere geboten – insbesondere in Sachen Preispolitik im Detailhandel. Köppel stellte zwar die Frage, ob Aldi denn den Bauern genug für ihre Produkte zahlen würde, liess Meyer dann aber im Wohlfühlbereich argumentieren. Meyer sprach über Bio, das richtig gut ankomme, über Versorgungssicherheit und kostenbewusste Kundschaft. Weiter hob er hervor, dass Aldi als einzige Anbieterin in der Schweiz auf die Bewerbung von spanischen Erdbeeren verzichtet. Eine Antwort auf die Frage nach korrekten Preisen liess der Aldi-Chef aber aus.

Augen eines Raubtiers

Fleisch an den Knochen brachte auch die Diskussion ums Fleisch nicht. Zumindest aus landwirtschaftlicher Sicht. So konnte Markus Ritter abermals von einem stabilen Fleischkonsum berichten – rund 50 kg pro Kopf. Das, obschon Köppel von einem politischen und medialen Druck auf die Fleischproduktion berichtete. Ritter geht indes nicht von einer Veränderung in diesem Bereich aus. «Solange der Mensch die Augen geradeaus gerichtet hat – wie die anderen Raubtiere auch – und nicht etwa wie die Geissen, Kühe und Schafe, welche die Augen zur Seite gerichtet haben – solange werden wir Fleisch essen», erklärte Ritter und erntete entsprechend Lacher dafür.

Bier statt Wein

Lediglich amüsant blieb es auch bei der Frage nach den flüssigen Vorlieben. Während Roger Köppel davon ausgeht, dass der Weinkonsum in der Schweiz gestiegen sein müsste – das nicht zuletzt deshalb, weil man sich die Politik schöntrinken müsse –, erklärte Jérôme Meyer, dass die Schweizer lieber zum Bier greifen würden als zum Wein. Das habe stark mit der Vielfalt zu tun, die hier in den letzten Jahren entstanden sei. «Der Weinkonsum geht sogar zurück», so Meyer.

Eine Zusammenfassung des Abends bot Markus Ritter bereits lange vor Abschluss der Runde mit dem Satz: «Wir müssen das produzieren, was wir verkaufen können – der Konsument entscheidet.» Zu welchem Preis, das blieb, wie gesagt, weitgehend unbeantwortet.