Um die Rentabilität der Alpbetriebe für die Zukunft zu sichern, soll die landwirtschaftliche Nutzung im Sömmerungsgebiet grundsätzlich Priorität haben – auch gegenüber dem Natur- und Landschaftsschutz. Dies fordert der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband (SAV) in einem Positionspapier zur Erarbeitung der Landwirtschaftspolitik 2030+. Zugleich soll der Bund die Mittel für Verbesserungen der Infrastruktur aufstocken.
Auf Kritik stossen diese Forderungen erwartungsgemäss bei der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL-FP). Diese legt regelmässig Beschwerde ein, wenn es um Erschliessungsstrassen durch unberührte Berggebiete geht. Dabei sei die SL-FP keineswegs grundsätzlich gegen Erschliessungsprojekte, betont Co-Geschäftsleiterin Franziska Grossenbacher. Es brauche eine Interessenabwägung. «Alle sollen ihre Anliegen in die Waagschale legen dürfen», sagt sie. Es sei weiterhin wichtig, dass bei einer Erschliessung möglichst wenig Natur und Landschaft zerstört werde.
«Ist das noch Alpwirtschaft?»
Manchmal sei eine Seilbahn deshalb die bessere Lösung – auch wenn aus Sicht des Einzelbetriebes eine Strasse praktischer wäre. Heute müssen beim Bau von Erschliessungsstrassen immer auch alternative Erschliessungsmöglichkeiten geprüft werden. Diese Regelung will der SAV gemäss Positionspapier abschaffen. «Viele Projekte sind überdimensioniert», sagt Franziska Grossenbacher. Das sei nicht nur wegen der unmittelbaren Auswirkungen auf Natur und Landschaft problematisch, sondern auch langfristig. Teure Investitionen würden getätigt, ohne zugleich eine tragfähige langfristige Betriebsstrategie zu erarbeiten. Dabei bestehe die Gefahr einer Überschuldung, was wiederum das langfristige Fortbestehen der Alpung gefährde. Sie spricht von einem «Hamsterrad».
Dabei dürfe nicht vergessen gehen, dass es sich bei der Alpwirtschaft um eine traditionell extensive Bewirtschaftung handle, was auch ihre besondere Unterstützung durch die öffentliche Hand rechtfertige. «Bei manchen Projekten fragt man sich, ob das noch Alpwirtschaft ist», sagt Grossenbacher. Als Beispiel nennt sie den Anspruch, dass eine Alp zu jeder Tages- und Nachtzeit mit dem Viehtransporter erreichbar sein müsse. Der SAV macht dagegen geltend, dass in den vergangenen Jahrzehnten zu wenige notwendige Investitionen getätigt worden seien. Eine zeitgemässe Infrastruktur bei Zufahrt, Transportbahnen, Wasser, Elektrizität und Telekommunikation sei Voraussetzung dafür, dass die Alpen weiter bewirtschaftet werden könnten. Die Baubewilligungsverfahren müssten deshalb vereinfacht und beschleunigt und die Bestandesgarantie von Gebäuden und Infrastruktur berücksichtigt werden. Ausserdem brauche es mehr Geld von Bund und Kantonen.
Höhere Beiträge
Mehr Geld will der SAV auch bei den Direktzahlungen. Hier soll es für Sömmerungsbetriebe eine Teuerungszulage geben, da diese die Inflation aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten «nur in sehr beschränktem Masse» durch Effizienzsteigerung kompensieren könnten. Weiter soll der Zusatzbeitrag für die Milchproduktion auf 200 Franken pro Normalstoss gemolkener Tiere erhöht werden. Derzeit liegt dieser Betrag bei 40 Franken.
Profitieren sollen davon Betriebe mit einer kurzen Alpzeit, wie sie typisch für hohe Lagen ist, führt SAV-Geschäftsführerin Selina Droz aus. Diese würden im aktuellen System benachteiligt, da sie bei gleich hohem Investitionsbedarf wegen der geringeren Zahl effektiver Normalstösse weniger Beiträge erhielten. Der derzeitige Zusatzbeitrag reiche nicht aus, um dies zu kompensieren. Schliesslich fordert der SAV eine Erhöhung der Verkäsungszulage von derzeit 15 auf 20 Rappen pro Kilogramm verkäste Milch.
Weniger strenge Auflagen für Mist
Die Vorschriften für die Lagerung von Mist und Gülle im Sömmerungsgebiet sollen praxisnaher gestaltet werden. Dies fordert der Berner SVP-Nationalrat Thomas Knutti in einer Motion. Ins Visier nimmt er die Vorgabe, dass Mist aus Gründen des Gewässerschutzes nur auf befestigten Plätzen gelagert werden darf. Dies stelle im Sömmerungsgebiet eine erhebliche Herausforderung dar, macht Knutti geltend. «Viele Alpen sind schlecht erschlossen, und die geforderten Gewässerschutzmassnahmen erfordern einen enormen Aufwand, der in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr einer Gewässerverschmutzung steht», begründet er die Motion. In den meisten Fällen würden Mist und Gülle auf den Alpen nur wenige Wochen gelagert. Dabei bestehe keine nennenswerte Gefahr einer Gewässerverschmutzung. Für die Betriebe entstünden aber hohe Kosten.
Knutti will die Gewässerschutzverordnung deshalb dahingehend anpassen, dass Massnahmen nur bei einer tatsächlichen Gefahr für die Gewässer strikt umgesetzt werden müssen. «Insbesondere in den Sömmerungsgebieten sind pragmatische Lösungen erforderlich, die den landwirtschaftlichen Betrieb nicht unnötig behindern», schreibt Knutti in der Begründung seiner Motion.
Konkret soll nun der Bundesrat die bestehenden Regelungen sorgfältig prüfen und die Festlegung der Mindestlagerdauer im Sömmerungsgebiet lockern. So soll eine praktikable Lösung ermöglicht werden, ohne die Gewässerschutzziele zu gefährden. Mitunterzeichnet wurde die Motion von SAV-Präsident Ernst Wandfluh.