Die Schweizer Rindviehzucht steht vor einer bedeutenden Veränderung: Der Bundesrat plant eine umfassende Revision der Tierzuchtverordnung. Diese Totalrevision ist im Rahmen der AP 22+ beschlossen worden und stellt laut Bundesrat die Zuchtprogramme ins Zentrum der Förderung. Zwar seien die Zuchtorganisationen «weitgehend frei» in der Ausgestaltung dieser Programme – die Verordnung gibt aber die Leitplanken vor. So sei sicherzustellen, dass die Zuchtprogramme «angemessene Wirkungen in den Bereichen Wirtschaftlichkeit, Produktqualität, Tiergesundheit und Tierwohl, Ressourceneffizienz und Umwelt» zeigen.

Ziel ist es, effizientere Zuchtprogramme zu fördern und die Vergabe von Fördermitteln stärker an wissenschaftliche Kriterien zu knüpfen. Diese Änderungen bedeuten nicht nur eine Neuausrichtung der Förderung, sondern auch finanzielle Einschnitte.

Was sagen die Zuchtverbände?

Michel Geinoz, Direktor von Swissherdbook und Holstein Switzerland, der in dieser Sache auch für Braunvieh Schweiz spricht, erläutert die finanziellen Aspekte dieser Revision: «Die Rindviehzuchtorganisationen werden bislang in der Grössenordnung von 23 Millionen Franken vom Bund unterstützt. Mit der neuen Verordnung findet eine neue Verteilung der Mittel statt, die schlussendlich eine Kürzung von über 1,5 Millionen Franken für die Rindviehproduktion heissen wird.»

Die geplante Revision sieht vor, die Unterstützung der Rindviehzucht auf einen Herdebuch-Basisbetrag und spezifische Zuchtmerkmale zu konzentrieren. Diese Merkmale werden nur dann finanziell gefördert, wenn sie einen Beitrag zum Ernährungssystem in den fünf definierten Bereichen leisten und anhand von Zuchtwerten evaluiert werden. «Mit diesen Grundsätzen soll die Mittelkürzung im erwähnten Rahmen bleiben», erklärt Geinoz. «Allerdings kann der Bund die Ansätze reduzieren, was dann für die Zuchtorganisationen weitere Kürzungen heissen würde.»

Mögliche Kompensationen?

Auf die Frage nach möglichen Kompensationen für diese Mittel, die da verloren gehen, verweist Michel Geinoz auf zusätzliche Fördermittel: «Neben der Verteilung innerhalb dieses Moduls Herdebuch und Merkmalskatalog werden Mittel für die Erhaltung der Schweizer Rassen, für Innovations- und Forschungsprojekte sowie für ein Kompetenz- und Innovationsnetzwerk freigesetzt.» Diese zusätzlichen Finanzquellen könnten einige Verluste abfedern, doch der Handlungsspielraum bleibe begrenzt. «Ausser aus diesen Töpfen etwas abzuholen, sind uns keine anderen Möglichkeiten bekannt.»

Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, werden kontinuierlich neue Zuchtwerte und Methoden entwickelt. Beispielsweise arbeitet Qualitas an der Single-Step-Methode und neuen Zuchtwerten wie dem Methanzuchtwert im Rahmen des Projekts CH4COW. «Es ist wichtig, dass wir unsere Methodik weiterentwickeln und dass wir dafür unterstützt werden», betont Geinoz. «Am Ende trägt aber die Branche die Kosten», ergänzt er, was im Grunde bedeutet, dass die Züchter mittels ihrer Organisationen selbst in die Forschung investieren müssen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.

Zucht bereits effizient

Die Verordnung fordert zudem eine stärkere Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit, Tiergesundheit und Umwelt. Für die Züchter bedeutet dies, gesunde Tiere zu züchten, die aus Raufutter effizient Milch oder Fleisch produzieren, um die Umweltbelastung zu minimieren. «Das Verhältnis von Umweltwirkung pro Kilogramm Milch oder Fleisch soll optimiert werden, wobei die Wirtschaftlichkeit sichergestellt sein muss», erklärt Michel Geinoz. «Eigentlich verfolgen die Züchter seit Jahren bereits diese Ziele, wie die Statistiken nachweisen.»

Eine zentrale Kritik betrifft die bisherigen Methoden der Punktierung und genetischen Bewertung, die als unzureichend eingestuft werden. «Es ist unmöglich, einen Zuchtwert aus diesen Methoden zu rechnen», erklärt Geinoz. «Da aber diese Erhebungen bisher auch nicht über das Tierzuchtbudget finanziert wurden, erfolgt davon keine Änderung.» Die Punktierung und die Schauen sind also keine wissenschaftlichen Bewertungsmittel, die effizient in einem Zuchtprogramm genutzt werden können. Dass die neue Ausrichtung der Tierzuchtverordnung diese ausdrücklich ausschliesst, ist deshalb für den Direktor der grossen Milchviehzuchtverbände «eigentlich nachvollziehbar». Bislang wurden die Viehschauen durch den Bund aus dem Topf der Absatzförderung unterstützt. Wie Geinoz betont, ist die Unterstützung über die Absatzförderung kein Thema dieses Verordnungspakets.