Die jüngst publizierten Zahlen zur Entwicklung der Bio- und Labelproduktion zeigen: Im Jahr 2024 sank die Zahl der IP-Suisse- und Bio-Suisse-Betriebe um 360 auf 18 460. Statt einer Zunahme von jährlich 560 Betrieben – wie es die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes vorsieht – ergibt sich damit ein Rückstand von 920 Betrieben gegenüber dem Soll. Für die Organisation Faire Märkte Schweiz (FMS) besonders alarmierend: Dieser Rückgang ereignet sich in einer Zeit, in der nachhaltige Produktionssysteme politisch und gesellschaftlich eigentlich weiter gestärkt werden sollten.

Marktsignale bleiben schwach

Ein zentraler Grund für diese Entwicklung sind laut FMS die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Umstellung. Diese seien aus Sicht vieler Betriebe unattraktiv. Unsicherheiten beim Absatz und mangelnde Preissicherheit würden die Bereitschaft zur Transformation hemmen. Produzenten fordern klare Signale – etwa faire Preise und stabile Märkte – die derzeit aber weitgehend ausbleiben. Laut der Organisation Faire Märkte Schweiz (FMS) ist damit nicht nur die Strategie des Bundes gefährdet, sondern auch der Weg hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen insgesamt.

FMS-Präsident Stefan Flückiger sagt: «Die Transformation des Ernährungssystems braucht klare politische Leitplanken – freiwillige Absichtserklärungen reichen nicht mehr.» In einem Schreiben an die Bundesbehörden forderte die Organisation Ende 2024 konkrete Massnahmen, etwa zur Sicherstellung der fairen Preisbildung und zur Bekämpfung ungleicher Wettbewerbsverhältnisse im Lebensmittelhandel.

Detailhandel in Verantwortung

Ein besonderer Fokus liegt auf den grossen Detailhändlern. Diese bestimmen laut FMS mit ihrer Marktmacht massgeblich, was und wie produziert wird – und auch, wie hoch die Entschädigung für Produzenten ausfällt. Die Verantwortung könne nicht einfach auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt werden. Vielmehr brauche es eine faire Verteilung der Wertschöpfung über die gesamte Kette hinweg – vom Feld bis zum Ladenregal.

Laut FMS ist der aktuelle Markt nicht nur ineffizient, sondern bremst aktiv den Wandel: Tiefpreisstrategien setzen Produzentenpreise unter Druck, während gleichzeitig hohe Ladenpreise für Bio- und Labelprodukte viele Konsumenten abschrecken. Ein doppelter Negativ-Effekt, der sowohl die Nachfrage als auch das Angebot nachhaltiger Produkte beeinträchtigt.

Migros weist Vorwürfe zurück

Auf Anfrage der BauernZeitung nimmt die Migros ausführlich Stellung zur Kritik. Das Unternehmen wehrt sich gegen den Vorwurf, es fehle an Engagement für Nachhaltigkeit: «Die ‹Nachhaltigkeits-Lokomotive› Migros ist in voller Fahrt. Unsere jüngst präsentierte neue Nachhaltigkeitsstrategie stiess denn auch bei den Label-Produzenten auf grosses Wohlwollen. Wir halten an unseren Nachhaltigkeitszielen fest, auch wenn Nachhaltigkeit in der Gesellschaft und der Politik nicht mehr oberste Priorität hat.»

Im Rahmen einer strategischen und organisatorischen Neuausrichtung habe Migros zudem viele Label-Preise gesenkt – dies jedoch, wie betont wird, nicht zulasten der Produzenten: «Diese Preissenkungen wurden möglich, weil wir deutlich effizienter arbeiten können. Die Migros bezahlt marktübliche Preise und hält sich an bestehende Vereinbarungen. Den Vorwurf überhöhter Margen weisen wir entschieden zurück.»

Auch zur rückläufigen Zahl von Label-Betrieben hat Migros eine klare Meinung: Diese sei nicht primär auf fehlende Unterstützung zurückzuführen, sondern vor allem Ausdruck eines Strukturwandels innerhalb der Landwirtschaft: «Die Abnahme der Label-Betriebe ist aus unserer Sicht vor allem auf die Tendenz zu grösseren Betrieben zurückzuführen. Darauf lässt beispielsweise auch die praktisch unveränderte Bio-Fläche schliessen. Grössere Betriebe sind nicht weniger nachhaltig als kleine.»

FMS fordert Konsequenzen

Für Faire Märkte Schweiz genügt das jedoch nicht. Der Verein fordert verbindliche Zielvereinbarungen zwischen Bund und Detailhandel zur Förderung nachhaltiger Sortimente sowie konkrete Vorgaben zur attraktiveren Gestaltung und zum Ausbau dieser Angebote. Zudem müsse der Bund seinen gesetzlichen «Marktbeobachtungsauftrag» ernster nehmen – insbesondere im Rahmen der kommenden Reform AP30+.

Die derzeitige Wettbewerbssituation im Lebensmittelmarkt sei unzureichend reguliert, was die faire Preisbildung untergrabe. FMS fordert deshalb, dass die Agrarpolitik künftig mehr Transparenz über Produktionskosten und Wertschöpfungsverteilung schafft – wie es auch der Bundesrat im Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik festhält.