Vor einem halben Jahr hat der Verein «Sauberes Wasser für alle» in Bern die eidgenössische Initiative «Für eine sichere Ernährung» eingereicht (siehe Kasten). Bis diese vor Volk kommt, wird zwar noch einige Zeit vergehen, doch diskutiert wird jetzt schon darüber, allerdings noch kaum in der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund hat die Abschlussklasse der Agrotechniker am Strickhof in Lindau eine Podiumsdiskussion organisiert. Dabei kamen auf der Befürworterseite Franziska Herren und David Jacobsen zu Wort, Kontra gaben Martin Haab und Manuela Meier.
Vom Ausland abhängig
«Der Bund hat in den letzten acht Jahren bezüglich Ernährungssicherheit zu wenig unternommen», antwortete Franziska Herren auf die Frage von Moderator Hansjürg Jäger, was den Ausschlag für ein neues Volksbegehren gegeben habe. Die Bernerin verwies damit auf die entsprechende Initiative, die 2017 vom Schweizer Volk deutlich angenommen worden war. Seither ist die Ernährungssicherheit im Artikel 104a der Bundesverfassung verankert.
Doch Herren monierte: «Unsere Versorgung mit Lebensmitteln ist zu 50 Prozent vom Ausland abhängig.» Hauptgrund dafür sei, dass auf 60 Prozent der Ackerflächen Futter für Nutztiere angebaut würden. In Krisensituationen könnten die Importe jedoch sehr schnell wegfallen, so Befürworterin Herren weiter.
Daher sei es notwendig, die Selbstversorgung zu erhöhen und viel mehr Kalorien zu produzieren. Und zwar mit der Produktion von mehr pflanzlichen Lebensmitteln. So sei beispielsweise der Anbau von Proteinpflanzen wie Hülsenfrüchten zu fördern. Für die Landwirtschaft verspricht sich Herren dadurch eine höhere Abnahmesicherheit, mehr Arbeitsplätze und faire Produktionspreise.
Nichts Neues?
Martin Haab bezeichnete die neue Initiative als «alten Wein in neuen Schläuchen». Auch verwies er darauf, dass die landwirtschaftliche Produktion massgeblich mit der Nachfrage der Konsumenten zusammenhänge. Er nannte Beispiele: Ein hoher Anteil an Futterimporten werde für die Produktion von Geflügelfleisch verwendet, welche sich in den letzten Jahren verdoppelt habe. Und seit die Verfütterung von Gastroabfällen verboten worden sei, müsse für Schweine mehr Soja importiert werden. Franziska Herren störte sich dagegen, dass Fleisch auch dann als Schweizer Fleisch deklariert werde, wenn es mit Importfutter produziert worden sei.
Langfristige Projekte
Manuela Meier kritisierte, die Initiative sei aus dem Büro heraus entworfen worden. «Viel mehr praktische Unwissenheit geht fast nicht», meinte sie. So benötige die Züchtung von Saatgut viele Jahre, so schnell ginge das nicht. Als Landwirtin müsse sie langfristig rechnen, ein Stallbau etwa sei ein Generationenprojekt. Sie könne beispielsweise nicht einfach so schnell mal Hafer anbauen, um dann wenig später mit einem Preiszerfall konfrontiert zu werden. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, wenn die tierische Produktion weniger gefördert würde als die pflanzliche.
Neue Perspektiven
David Jacobsen verteidigte die Initiative: Darin gehe es ja nicht um Verbote, sondern um Förderung. «Es ist nur zum Vorteil für die Bauern, wenn wir einen höheren Anteil an inländischer Produktion erreichen und den Selbstversorgungsgrad erhöhen.» Es gehe auch darum, wie man Steuergelder zukünftig für die Landwirtschaft sinnvoll einsetzen könne. «Wir Landwirte brauchen neue Perspektiven», so Jacobsen weiter.
Einig waren sich sowohl Befürworter(innen) wie auch Gegner(innen) der Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung» vor allem darin, dass die Eigenständigkeit der Schweizer Landwirtschaft zu fördern sei. Doch betreffend möglicher Lösungsansätze kam es zu keinem Konsens.
Pro und Kontra
Martin Haab: Meisterlandwirt, Nationalrat, Präsident Zürcher Bauernverband (kontra)
Franziska Herren: Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle», Urheberin der Initiative «Für eine sichere Ernährung» (pro)
David Jacobsen: Bio-dynamischer Landwirt, Co-Betriebsleiter Gut Rheinau (pro)
Manuela Meier: Bäuerin, Meisterlandwirtin, Vizepräsidentin der Zürcher Landfrauen (kontra)
Moderator Hansjürg Jäger: Agronom, Dozent an der HAFL in Zollikofen BE
Die neue Initiative
Im vergangenen August hatte der Verein «Sauberes Wasser für alle» bei der Bundeskanzlei die eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung» eingereicht. Diese verlangt, dass der Bund einen Selbstversorgungsgrad von 50 bis zu 70 Prozent anstrebt. Zudem soll er die pflanzliche Produktion vermehrt fördern. Die Initiative beinhaltet eine Reihe weiterer Ziele und Massnahmen, unter anderem:
- Sicherstellung von Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit
- Reduktion des Pestizideinsatzes
- Förderung nachhaltiger Anbausysteme (z. B. Mischkulturen, Agroforst)
- Kein Überschreiten mehr von Höchstwerten für Dünger
- Verwendung von natürlichem Pflanz- und Saatgut
- Verringerung des Wasserverbrauchs
- Vermeiden von Food Waste