Noch eine Amtszeit, dann ist Schluss: Bei seiner Wiederwahl als SBV-Präsident für den Zeitraum 2024-2028 gab Markus Ritter auch gleich seinen Rücktritt bekannt. Stattfinden soll dieser erst in vier Jahren – der Zeitpunkt sei strategisch gewählt, so Ritter. Denn 2028 ist auch das Jahr, in dem das Parlament mit der Agrarpolitik 2030 die Weichen für das folgende Jahrzehnt stellen wird. Die vier Jahre bis dahin seien «die wichtigsten in der 127-jährigen Geschichte des SBV», mahnte Ritter an der Delegiertenversammlung im Berner Kursaal. Denn mit der AP 2030 werde die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft bis 2042 festgelegt.
Das strategische Ziel des SBV hatte der scheidende Vizepräsident Fritz Glauser zuvor in seiner Abschiedsrede umrissen. «In all den Jahren waren mir die Bauernfamilie am wichtigsten», sagte er. Eine Landwirtschaft, die auf professionell geführten und diversifizierten Familienbetrieben basiere, sei immer auch eine nachhaltige Landwirtschaft.
Basis spürt die Krise
Dass es vielen Bauernfamilien derzeit nicht so gut geht, zeigte ein Votum aus dem Kanton Jura: Vielerorts sei nach der schlechten Ernte und wegen der anhaltend hohen Produktionskosten die Liquidität nicht mehr gegeben, sagte Sylvain Quiquerez von der jurassischen Landwirtschaftskammer Agrijura. Dabei müssten die Betriebe gerade in dieser Zeit in die Zukunft investieren.
«Die Situation ist in den letzten zwei Jahren wirklich sehr schlecht geworden», meldete auch der Präsident des St. Galler Bauernverbands, Peter Nüesch. Das Problem seien dabei nicht nur die gestiegenen Kosten, sondern auch die aufgrund der Absenkpfade sinkende Produktion. So sei die Anbaufläche im Zwiebelanbau in den letzten fünf Jahren um 20 Prozent erhöht worden, gleichzeitig habe der Ertrag aber um 10 Prozent abgenommen. «Es ist wichtig, dass wir bei den Bundesausgaben draufhalten, aber gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Produktivität auf den Betrieben wieder erhöht wird – sonst wird es auch mit Preissteigerungen nicht reichen», zeigte er sich überzeugt.
Geplante Etappensiege
Um die Zukunft der Familienbetriebe bis mindestens 2042 zu sichern, muss der neue alte Bauernpräsident Markus Ritter aber noch einige politische Schlachten gewinnen. In seiner Rede tönten die grossen politischen Herausforderungen wie Stationen auf dem längst vorgezeichneten Weg zum Sieg. Zunächst sind da die Initiativen, die es abzuwehren gelte, wie Ritter angesichts einer sich langsam bemerkbar machenden Abstimmungsmüdigkeit anmahnte: Namentlich das vom SBV kurzerhand als «Steinzeitinitiative» betitelte Volksbegehren der Juso, das die Emissionen der Schweiz mit den «planetaren Grenzen» in Einklang bringen – und damit auf das Niveau von Ländern wie Eritrea oder Afghanistan absenken will, wie Direktor Martin Rufer bemerkte.
Über sie wird schon im kommenden Februar abgestimmt. Dann der zweite Streich der Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren, die Initiative für Ernährungssicherheit, die einen Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent in die Verfassung schreiben will. Möglich wäre das nur, wenn die Regierung ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg massiv in Produktion und Konsum von Lebensmitteln eingreifen würde, gab Martin Rufer zu bedenken. Markus Ritter hofft bei der Abstimmung auf ein noch deutlicheres Ergebnis als bei der eben erst erfolgreich abgewehrten Biodiversitäts-Initiative: Damit könne an der Urne geklärt werden, dass die Politik nichts auf dem Teller verloren habe.
Zeichen setzen dank Initiativen
Für Ritter sind die beiden Initiativen aber nicht nur eine Bedrohung der Landwirtschaft, sondern wichtig für die Gestaltung der AP 2030. Je kräftiger sie gebodigt würden, desto stärker das Signal an das Parlament, bei der künftigen Agrarpolitik Produktion und Versorgungssicherheit ins Zentrum zu rücken. Damit dies gelingt, muss Ritter mindestens noch einen dritten Urnengang gewinnen: Die Parlamentswahlen 2027. «Da müssen wir nochmal einige Sitze zulegen», stellte Ritter klar. Denn dannzumal werde das Parlament gewählt, das die neue Agrarpolitik verabschieden werde. Da sei die Landwirtschaft auf solide Mehrheiten angewiesen.
Kampf gegen Sparpläne
Für die AP 2030 erwartet der SBV zudem «nicht nur eine umfassende Integration der ganzen Wertschöpfungskette, sondern auch eine wesentliche Vereinfachung der Komplexität der Massnahmen und des administrativen Aufwands auf allen Ebenen», wie es in der Medienmitteilung zur DV formuliert wird.
Eine weitere Front tut sich im Finanzbereich auf. Sowohl im Budget 2025 als auch im Zahlungsrahmen 2026-2029 sind Abstriche vorgesehen, der Sparbericht der vom Bundesrat eingesetzten Expertengruppe um den ehemaligen Gewerkschafter Serge Gaillard listet weitere auf. Mit einem in die Kamera gehaltenen «Daumen-Runter-Emoji» bekundeten die Delegierten medienwirksam ihren Unmut über diese Sparpläne.
Die Landwirtschaft habe in keiner Weise zu den gestiegenen Mehrausgaben in den Bundesfinanzen beigetragen, betonte Ritter, es sei deshalb falsch, sie nun für die Mehrausgaben in anderen Bereichen zur Kasse zu bitten. «Wäre das Ausgabenwachstum in allen anderen Bereichen gleich hoch wie in der Landwirtschaft geblieben, hätten wir bald 40 Milliarden Überschuss», verdeutlichte er.
Dazu komme, dass die Bauern bereits heute mit niedrigen Arbeitseinkommen von – gemäss bundesrätlichem Bericht – durchschnittlich 17 Franken pro Stunde auskommen müssten. «Sparen auf dem Buckel der Bauernfamilien ist ein absolutes Tabu», hält der SBV dazu in der Medienmitteilung fest. Das Engagement im Parlament zeige bereits Wirkung, konnte Francis Egger berichten. Die Diskussionen in den Parlamentskommissionen gingen in die richtige Richtung, so seine Einschätzung.
Neue Gesichter an der Spitze
Neben dem Präsidium wurden an der Delegiertenversammlung weitere Positionen bestätigt oder neu besetzt. Als Nachfolger für den zurücktretenden Fritz Glauser folgt der Neuenburger FDP-Mann Damien Humbert-Droz. Wiedergewählt wurden Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands und Nationalrat Alois Huber.
Neu im Vorstand Einsitz nimmt der Präsident des Bauernverbands beider Basel, Marc Brodbeck. Er folgt auf den ehemaligen Präsidenten des Solothurner Bauernverbandes, Andreas Vögtli. Der freigewordene Sitz von Fritz Glauser geht an den Agri Fribourg-Präsidenten Adrian Brügger. Weiter gab es 16 Mutationen in der Landwirtschaftskammer.
