Was hat die Abschaffung des Eigenmietwerts mit der Landwirtschaft zu tun?
Die Landwirtschaft ist indirekt betroffen. Profitieren wird vor allem die ältere Generation in der Landwirtschaft, die im selbst bewohnten Eigenheim lebt. Diese müsste künftig den fiktiven Eigenmietwert nicht mehr versteuern. Das ist eine wichtige Entlastung. Bei den aktiven Landwirten gibt es keine spezielle Betroffenheit der Landwirtschaft. Selbstständigerwerbende und somit auch Landwirte halten ihre Liegenschaft meist im Geschäftsvermögen. Dort wird es keine Änderung am aktuellen System geben. Bei vermieteten Wohnungen bliebe das bestehende System ebenfalls wie gehabt. Diese Einnahmen wären weiterhin als Liegenschaftsertrag in der Steuererklärung zu deklarieren. Im Gegenzug kann man Hypothekarzinsen, Liegenschaftsunterhalt, Versicherungsaufwände, Strom, Wasser, Heizung, etc. abziehen.
Hat die Abschaffung des Eigenmietwerts nicht gerade für ländlich geprägte Kantone negative Folgen, etwa in den Alpen?
Nein. Das Parlament hat zwar beschlossen, dass der Eigenmietwert grundsätzlich wegfällt, also auch bei selbst genutzten Zweitwohnungen. Das hätte für touristische, ländliche Regionen Steuerausfälle zur Folge. Aus diesem Grund stimmen wir im September über die Einführung einer Objektsteuer ab. Das soll den betroffenen Kantonen die Möglichkeit geben, Ferienhäuser- und -wohnungen mit einer Objektsteuer zu belegen, um die Abschaffung des Eigenmietwerts aufzufangen. Daher sind keine negativen Folgen zu erwarten.
Wird die Objektsteuer die Ausfälle tatsächlich kompensieren können?
Das wird von der Ausgestaltung und Höhe dieser Objektsteuer abhängen. Zudem ist daran zu erinnern, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts ab einem gewissen Zinssatz für Hypotheken zu Zusatzeinnahmen für die Kantone und Bund führen wird.
Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung des Eigenmietwerts auf die Regelung der Wohnsituation bei Hofübergaben?
Sofern sich die Liegenschaft im Geschäftsvermögen befindet, hätte die Reform bei einer Umsetzung keine Auswirkungen auf Hofübergaben.
Betrifft die Regelung auch Wohnungen, die zum Betrieb gehören?
Nein, wie oben beschrieben, dürften sich hier keine Änderungen ergeben, sofern die Wohnung im Geschäftsvermögen gehalten ist.
Welche Auswirkungen hat die neue Regelung auf Bauern, die Maiensässe und andere Gebäude besitzen und diese nicht regelmässig vermieten?
Wenn sich diese Gebäude im Geschäftsvermögen des Landwirts befinden, ergeben sich zur heutigen Regelung keine Änderungen. Falls das Maiensäss sich im Privatvermögen befindet und nicht vermietet oder verpachtet wird, fiele der bisherige Eigenmietwert bei der Steuerberechnung weg. Das gäbe eine finanzielle Entlastung.
Welche Auswirkungen hat es, wenn Schuldzinsen und Unterhaltskosten für selbst bewohntes Wohneigentum im Privatvermögen nicht mehr abgezogen werden können?
Wir befinden uns in einer Zeit mit tiefen Hypothekarzinsen. Daher hat es für die Steuerzahler positive Auswirkungen, wenn sie kein fiktives Einkommen in Form des Eigenmietwertes versteuern müssen, welches sie infolge der tiefen Zinsen nicht vollumfänglich «neutralisieren» können. Besonders die Liegenschaftsbesitzer, die ihre Schulden auf dem Wohneigentum zurückbezahlt und damit keine Abzugsmöglichkeiten in Form von Schuldzinsen haben, profitieren von der Reform. Dies kommt – wie erwähnt – speziell den Rentnerinnen und Rentnern zugute, die ihre Altersvorsorge in selbst bewohntem Wohneigentum halten und daher tiefe Renteneinkommen ausweisen. Diese müssen kein fiktives Einkommen mehr versteuern.
Weshalb sollen sich bäuerliche Exponentinnen und Exponenten in dieser Frage engagieren?
Weil die Landwirtschaft wie dargestellt indirekt profitiert. Zudem halten wir es für richtig, dass es künftig keine Anreize mehr gibt, hohe Hypothekarschulden zu behalten. Aktuell ist das Abzahlen dieser Schulden steuerlich nicht attraktiv. Wenn sich die hofübergebende Generation als Ersatz für die Betriebsleiterwohnung neues Wohneigentum leistet und so einen Teil ihrer Altersvorsorge investiert, wird sie deswegen künftig steuerlich nicht mehr belastet.
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Berggebiet (SAB) empfiehlt Stimmfreigabe, kommt es in den Bergkantonen zu Interessenskonflikten?
Viele Zweitwohnungen werden nicht vermietet. Somit fallen den touristisch geprägten Bergkantonen voraussichtlich Steuereinnahmen weg. Aus diesem Grund ist die Möglichkeit einer Objektsteuer sinnvoll. Die Frage des Umgangs mit Zweitliegenschaften ist der umstrittene Teil dieser Änderung. Die Gemeinden im Berggebiet kennen ihre aktuellen Einnahmen, die sie hier generieren.
Wie sollen sich landwirtschaftliche Exponenten verhalten, falls die kantonale Sektion eine andere Parole fasst? Wie lässt sich eine Spaltung der Landwirtschaft im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit bei künftigen Abstimmungen verhindern?
Ja, es gibt z. B. in der Westschweiz unterschiedliche Einschätzungen von kantonalen Sektionen. Der Grund liegt darin, dass in gewissen Kantonen in der Romandie die Eigenmietwerte sehr, sehr tief angesetzt sind und deshalb mit den Abzugsoptionen kompensiert werden können. Die tiefen Eigenmietwerte sind nicht in Stein gemeisselt. Am Schluss muss jeder für sich entscheiden, wie er seine persönliche Situation einschätzt.
Hätte der SBV mit einer Stimmfreigabe nicht Kräfte sparen können?
Nein. Die Landwirtschaft profitiert indirekt. Wir haben nicht den Eindruck, dass wir hierfür viele Kräfte brauchen. Wir haben eine Analyse gemacht und die Ja-Parole aus Überzeugung gefasst.