Im Februar hat der Bundesrat beschlossen, dass ein Gegenvorschlag zur Massentierhaltungs-Initiative ausgearbeitet werden soll. Diese Woche ist durchgesickert, dass das Departement von Bundesrat Berset einen Vorschlag erstellt hat, der ein Obligatorium für die Bundesprogramme Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) und Regelmässiger Auslauf ins Freie (RAUS) enthält. Im Gespräch erläutert Initiantin Meret Schneider, warum sie diesen Entwurf ablehnt und was ihr Verhältnis zu Extremtierschützern ist.
Laut «Tagesanzeiger» befürworten Sie den Gegenvorschlag als «mutigen Schritt, der die Tierhaltung stark verändern würde». Warum?
Meret Schneider: Weil die Importe nicht berücksichtigt sind, ist dieser Gegenvorschlag für mich ein schlechter Witz. Ohne Importklausel werde ich das niemals befürworten.
Warum konnte sich die Importkomponente nicht durchsetzen im Gegenvorschlag?
Die wollen natürlich Freihandelsabkommen, und das will ich massiv nicht. Für unsere Exportindustrie sind diese Abkommen lukrativ. Aber das einzige, was die Mercosur-Staaten wollen, ist mehr Freiheit bei Agrarprodukten. Wenn das kommt, ist unsere ganze Initiative umsonst.
Wenn BTS und RAUS zum Standard werden, dann werden die Produzentenpreise sinken. Unterstützen Sie das?
Die Produzenten müssen einfach diejenigen Preise verlangen, die sie benötigen, um zu überleben, und dafür muss man die Grossverteiler in die Pflicht nehmen. Ich bin jetzt dran an einem parlamentarischen Vorstoss in diese Richtung.
Wie möchten Sie den Detailhandel in die Pflicht nehmen?
Wir haben ja jetzt in der Frühjahrssession den Gegenvorschlag zur Fairpreis-Initiative angenommen, hier werden wir einen Hebel haben. Wenn BTS und RAUS Standard werden, gibt es keinen Grund, warum die Labelpreise sinken sollten.
Da sehe ich schwarz, wenn man sieht, wie schwer es heute schon ist, das Labelfleisch abzusetzen.
Das ist mir bekannt. Sollte eine Preissenkung nötig werden, muss man dafür sorgen, dass die Einbusse zulasten des Detailhandels geht.
Das ist Wunschdenken.
Nein, das ist überhaupt nicht Wunschdenken. Die Konsumierenden wären sehr bereit, viel mehr zu bezahlen für artgerechtere Tierhaltung, wenn sie wüssten, was die Unterschiede zwischen Labelfleisch und konventionellem Fleisch sind.
Wie meinen Sie das?
Kennen Sie die Werbung von Proviande? Dort werden Biobetriebe vorgestellt. Dann heisst es aber nicht, kaufen Sie Biofleisch, sondern einfach: Kaufen Sie Schweizer Fleisch. Alle gezeigten Betriebe erfüllen die Bedingungen der Massentierhaltungs-Initiative. Das ist Irreführung. So meinen die Leute, dass alle Tiere Auslauf und Stroh haben.
Letzte Woche kamen wie zufällig die neusten Bilder mit Tierschutz-Problemen aus den Ställen. Ist das ein politisches Manöver im Hinblick auf den Gegenvorschlag?
Sie tun jetzt so, als ob ich diese Bilder recherchiert hätte. Ich bin daran nicht beteiligt.
Es gibt also keine Koordination mit Extremtierschützern?
Solche Filmaufnahmen geben der Initiative und meinen politischen Vorstössen natürlich Auftrieb. Aber erstens bin ich nicht mit den Urhebern koordiniert und zweitens habe ich dabei die Finger nicht im Spiel. Ich halte es zum Teil auch für problematisch, wenn einfach Tierschutz-Verstösse gezeigt werden. Dagegen helfen auch Gesetzesänderungen nichts. Ich habe viel Verständnis für die Bauern, die im Sandwich sind zwischen hohen Anforderungen und Preisdruck.