Statistik Kantone mit hoher Viehdichte haben weniger Betriebsleiterinnen Friday, 11. August 2023 2022 wies die Schweiz unter den Betriebsleitenden einen Frauenanteil von 7,1 % auf. Vor 15 Jahren waren es noch 4,9 %. Man darf annehmen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Im europäischen Vergleich nimmt die Schweiz dennoch einen Platz am unteren Ende ein; nur Malta und die Niederlande liegen mit 6 bzw. 5 % tiefer. Die Spitzenplätze werden von Lettland und Estland belegt. Sie weisen einen Frauenanteil von je 45 % auf; der EU-Durchschnitt liegt bei 29 %.

Grosse Unterschiede zwischen Kantonen

Auf Kantonsebene zeigen sich überraschende Unterschiede. Den tiefsten Anteil weist mit 3,8 % Nidwalden auf. Am meisten Betriebsleiterinnen gibt es mit 16 % im Tessin. Es zeigt sich ein heterogenes Gesamtbild: Scheinbar gibt es mehr Betriebsleiterinnen in Grenzkantonen. Auch die Region (Berg, Tal) scheint einen Einfluss zu haben, ebenso die Sprache; in lateinischsprachigen Kantonen hat es tendenziell höhere Frauenanteile. Betrachtet man die Anteile an weiblichen Betriebsleitenden nach Betriebsform, zeigt sich, dass die Frauen bei Ackerbau- und Dauerkulturbetrieben häufiger vertreten sind. Untervertreten sind sie bei Veredlungsbetrieben.

Doch es scheint auch Ausnahmen zu geben. So gibt es mit Thurgau und St. Gallen zwei Grenzkantone mit tieferen Anteilen, mit dem Kanton Freiburg einen zweisprachigen Kanton, der dennoch eher wenige Betriebsleiterinnen aufweist, und mit dem Kanton Graubünden einen Bergkanton, der einen relativ hohen Anteil aufweist.

Westschweiz und Tessin haben höhere Frauenanteile

Versucht man die Zusammenhänge mit statistischen Methoden zu erklären, zeigt sich, dass weder die durchschnittliche Betriebsgrösse noch die Region (Berg oder Tal) die Frauenanteile der einzelnen Kantone  signifikant beeinflussen. Auch der Einfluss der Berufsprüfung als Bäuerin wurde getestet; diese Ausbildung ist vor allem in der Deutschschweiz beliebt und könnte mit der Ausbildung zur Landwirtin, welche eine Betriebsführung erst ermöglicht, in Konkurrenz stehen. Doch auch hier wurde kein signifikanter Einfluss festgestellt.

Ein signifikanter Effekt wurde hingegen bei der Sprache gefunden. Regionen mit einer lateinischen Sprache weisen höhere Frauenanteile auf. Dies bestätigt auch der Blick nach Deutschland und Frankreich, die mit Anteilen von 10 bzw. 21 % diese Annahme stützen. Einen noch stärkeren Einfluss übte aber die Tatsache aus, ob ein Kanton ans Ausland grenzt oder nicht. Handelt es sich um einen Grenzkanton, nimmt der Frauenanteil zu. Einen weiteren hochsignifikanten Einfluss übt die Viehdichte (GVE/ha) der einzelnen Kantone auf den Frauenanteil aus. Ist diese hoch, sinkt der Frauenanteil. Als letzte Variable mit signifikantem Einfluss wurde die Bevölkerungsdichte der Kantone eruiert.

Scheinbar ist der Austausch mit dem nahen Ausland hilfreich, um alte Rollenbilder aufzuweichen. Zudem könnte eine höhere Bevölkerungsdichte hilfreich sein, um gesellschaftliche Veränderungen schneller zu etablieren. Nicht zuletzt scheinen Betriebsformen mit einer hohen Viehdichte (GVE/ha) bei den weiblichen Betriebsleitenden weniger hoch im Kurs zu sein.

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Ausbildung als Indiz für steigende Anteile

Betriebsleiter und Betriebsleiterin sind in erster Linie administrative Begriffe und bedeuten nicht unbedingt, dass diese Person mehr oder besser arbeitet als andere Betriebsmitarbeiter. Ausser Frage steht, dass Frauen für die Schweizer Landwirtschaft seit jeher einen entscheidenden Beitrag leisten. Nichtsdestotrotz bleibt zu hoffen, dass sich auch diese Statistik in Zukunft weiter in Richtung baltische Werte entwickelt.

Ein Indiz für zukünftig höhere Frauenanteile unter den Betriebsleitenden geben die Abschlüsse im Jahr 2022: Im Ausbildungsfeld Pflanzenbau und Tierzucht wurden 40 Betriebsleiterinnen EFZ ausgebildet. Dies entspricht einem Frauenanteil von 12,3 %; dieser liegt deutlich über dem Anteil an Frauen, die zurzeit einen Betrieb leiten (7,1 %).

Zur Person: Nicolas Hofer ist Mitarbeiter von Agristat.