«Enttäuscht» ist ein zu schwacher Ausdruck. «In der Berufsehre gekränkt» trifft es eher, wenn die Rede von den neuen Produktionssystembeiträgen ist. Das Fazit der Kartoffelproduzenten an einer Flurbegehung im zürcherischen Humlikon lautete: Damit wird der Ackerbau deutlich geschwächt. 

Anforderungen gelten für alle Kartoffelflächen

Stein des Anstosses ist das Verordnungspaket Parlamentarische Initiative 19.475: Zum einen, dass der Versorgungs-sicherheitsbeitrag von 900 auf 600 Franken gekürzt wird – das schenkt recht ein –, zum andern sind es die Produktionssystembeiträge. 

Im Kartoffelbau bekommen die Produzenten bei einem Verzicht auf Insektizide gegen Blattläuse und gegen den Kartoffelkäfer (betrifft vor allem Audienz) Fr. 800.–/ha. Eine Ausnahme ist Parafinöl in Pflanzkartoffeln. Auch sind Insektizide auf Basis von Bacillus thuringiensis weiterhin erlaubt. Wer auf Herbizide verzichtet, bekommt Fr. 600.–/ha (Ausnahme chemische Krautvernichtung). 

Die Anforderungen gelten bei beiden Beitragsarten für sämtliche Flächen einer angemeldeten Kultur auf dem gesamten Betrieb, also für alle Kartoffelflächen. Die Anmeldung für diese freiwilligen Produktionssystembeiträge erfolgt im August zusammen mit der Anmeldung für ÖLN oder Bio.

Auch kein Herbizideinsatz bei der Vorkultur

Neu gilt als Beginn der Referenzperiode für den Herbizidverzicht bereits die Ernte der Vorkultur und nicht erst der Saatzeitpunkt der beitragsberechtigten Kultur. «Wir vom Kartoffelproduzentenverband haben zwei Jahre lang mehrfach insistiert, dass diese Massnahmen parzellenspezifisch sein sollen oder sortenspezifisch wie bei der IP-Suisse. Aber wir fanden kein Gehör», sagt Daniel Peter zum nun feststehende Resultat der Verordnung. Er ist Vizepräsident der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP). Der Herbizidverzicht sei fachlich falsch aufgegleist. Gute fachliche Praxis heisse, die Standort- und Bodengegebenheiten mitzuberücksichtigen.

«Auf einer ebenen Parzelle kann es Sinn machen, herbizidfrei zu produzieren. In Hanglagen bringt manchmal eine Herbizidbehandlung mehr, beispielsweise punkto Erosionsschutz.»

Daniel Peter, Vize-Präsident VSKP

Mehrkosten von bis zu 1500 Franken pro Hektare

Dem schloss sich Strickhof-Beraterin Sonja Basler an. «Das macht nicht auf allen Parzellen Sinn», sagte sie basierend auf den Erkenntnissen der mehrjährigen Versuche des Forums Ackerbau. Auf stark mit Wurzelunkräutern befallenen Parzellen lasse sich diese Massnahme nicht umsetzen. Man sei in mehrjährigen Versuchen auf Mehrkosten von bis zu Fr. 1500.–/ha gekommen, so Basler.

«Seit euch bewusst, dass ihr mit diesen 600 Franken den finanziellen Mehraufwand für Hacken und Striegeln nicht immer decken könnt.»

Sonja Basler, Ackerbauberaterin Strickhof

Herbizidfrei produzierte Kartoffeln seien dann wirtschaftlich, wenn man zusätzlich von einem Labelbeitrag profitieren könne, ergänzte sie. 

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Provisorisch anmelden und allenfalls wieder abmelden

Aber was tun? Da ist guter Rat teuer. Sonja Basler sagt, man könne sich mal provisorisch anmelden. Wenn es aufgrund des Schädlingsbefalls oder des Unkrautdrucks nicht klappe, könne man sich vor einer Behandlung wieder abmelden. Eine Alternative ist, dann ins Labelprogramm der IP-Suisse umzusteigen. Dort ist Audienz zugelassen.

Und wie macht es Daniel Peter? «Ich arbeite nach wie vor auf einer Teilfläche herbizidfrei. Leider werde ich das aber nicht bei den Produktionssystembeiträgen anmelden können», sagt er. «Unflexibel, bürokratisch und nicht praxistauglich», fasst er zusammen. Es werde der Eindruck erweckt, dass damit Geld zu holen sei, aber man könne nichts gewinnen. Im Kartoffelanbau stecke so viel Kapital und Arbeit drin. Es zähle der Ertrag und die Qualität.

«Ich setze ich wegen ein paar Hundert Franken nicht alles aufs Spiel.»

Daniel Peter

Viele Details sind noch nicht geregelt

Allenfalls kommen die Beiträge für angemessene Bodenbedeckung infrage. Das sei nichts anderes als gute landwirtschaftliche Praxis, ergänzte Sonja Basler. Auf dem gesamten Betrieb muss innerhalb von maximal sieben Wochen nach der Ernte der Vorkultur eine Bodenbedeckung angelegt werden.

Für den Erhalt der Fr. 250.–/ha für das Jahr 2023 müssen die Anforderungen an die Boden-bedeckung bereits ab Ernte der Vorkultur im Sommer 2022 eingehalten werden. Stolperstein ist auch hier, dass eine Verpflichtungsdauer von vier Jahren gilt. Basler wies auch darauf hin, dass die Pflanzenschutzfachstellen und die KIP laufend das Gespräch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft suchen, denn viele Details seien noch nicht geregelt.

Anforderungen