Bevor in den Einwohnergemeinden Bleienbach, Thörigen und Bettenhausen die Felder bestellt werden, grüssen sich die Landbewirtschaftenden auf den Feldanfahrtswegen. Freundliche Gesten und eine gute Zusammenarbeit passen in diese Oberaargauer Region. Doch warum begegnen sich Nachbarn auf dem Weg vom Hof zum Acker? Während Familie A die südlichste Parzelle der Region bewirtschaftet und gleichzeitig am nördlichen Dorfrand wohnt, bewirtschaftet die am südlichen Dorfrand wohnende Familie B die nördlichste Parzelle der Region. Würde zudem an Waldrändern eine Tanne gefällt, käme diese auf zwei bis drei Grundstücken zu liegen. Doch nicht nur im Oberaargau trifft man solche Eigentumsverhältnisse an. In vielen Regionen der Schweiz vom Mittelland bis ins Berggebiet gibt es Gebiete mit grossem Arrondierungspotential. Über eine ähnliche Situation berichteten wir bereits.
Eine Pachtlandarrondierung ist eine mögliche Lösung zum Problem
Eine einfache Möglichkeit, um Feld-Hof-Distanzen zu verkürzen, sind Pachtlandarrondierungen. Dabei werden keine Eigentumsparzellen verschoben. Lediglich werden die Bewirtschaftungseinheiten in einer bestimmten Region so verpachtet oder abgetauscht, dass möglichst viele Felder in Hofnähe bewirtschaftet werden können. Bereits mit dem Abtausch von einzelnen Parzellen unter zwei Landwirten können jährliche Fahr- und Arbeitskosten deutlich reduziert werden.
«Bereits mit dem Abtausch von einzelnen Parzellen unter zwei Landwirten können jährliche Fahr- und Arbeitskosten deutlich reduziert werden».
Um verbesserte Bewirtschaftungsverhältnisse langfristig zu sichern, werden in bestimmten Regionen nach Zustimmung einer Mehrheit von Grundeigentümern mit genügend grossen Flächenanteilen Gesamtmeliorationen durchgeführt. Dabei setzen die Beteiligten neben der Neuordnung des Grundeigentums bautechnische Massnahmen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Infrastruktur-Anlagen, der Ökologie und des Wasserhaushalts um.
65 bis 85 % der Kosten einer Gesamtmelioration werden mittels öffentlichen Geldern finanziert
In der Schweiz werden Meliorationen von Bund und Kantonen im Rahmen der Strukturverbesserungs-Massnahmen unterstützt. Zusammen mit Kostenübernahmen von Einwohnergemeinden und Interessensverbänden können so 65 bis 85 % der Kosten einer Gesamtmelioration durch öffentliche Gelder gedeckt werden. Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) verbleiben den Landwirtschaftsbetrieben Meliorations-Restkosten von 3000 bis 5000 Fr./ha. Diese Restkosten sollten durch den Privatnutzen nach einer Melioration in vier bis sieben Jahren amortisiert werden. Als grobe Richtwerte gibt das BLW jährliche Produktionskostenreduktion nach einer Melioration von 200 bis 800 Franken pro Hektare an. Zudem werden je nach Bewirtschaftungsart jährliche Mehrerträge von 200 bis 1 500 Fr./ha aufgrund höherer Bodenfruchtbarkeit – beispielsweise infolge Drainagesanierung – angenommen.
«Als grobe Richtwerte gibt das BLW jährliche Produktionskostenreduktion nach einer Melioration von 200 bis 800 Franken pro Hektare an.»
Viele Unsicherheiten
[IMG 3] Wegen des hohen Anteils an öffentlichen Geldern dürfen die Kosten einer Melioration nicht nur durch den Privatnutzen für Landwirtschaftsbetriebe gerechtfertigt werden. Öffentliche Interessen wie zum Beispiel mehr Raum für Naherholung und Freizeitaktivitäten, Entlastung von Hauptverkehrsachsen, Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien, Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen oder Hochwasserschutzprojekte, müssen berücksichtigt werden. Der effektive monetäre Wert für solche öffentliche Interessen ist allerdings schwierig zu bestimmen und mit vielen Unsicherheiten behaftet.
Zum Autor: Ueli Werren kommt aus Riedstätt im Kanton Bern, ist gelernter Geomatiker, Agronom und Entwickler des Optimierungstools für Pachtlandarrondierungen.
Ein Optimierungsmodell für moderne Meliorationen, die nicht nur den Bewirtschaftern etwas bringen
Bei landwirtschaftlichen Gesamtmeliorationen werden kleine Grundstücke zusammengelegt, neu geordnet und den Eigentümer(innen) möglichst gerecht zugeteilt. Zudem soll die Landbewirtschaftung optimiert werden:
- möglichst kurze Feld-Hof-Distanzen,
- möglichst gut auf die Bodeneigenschaften angepasste Pflanzenkulturtypen,
- genügend vordefinierte Flächen für die Biodiversitätsförderung.
Der Agronom Ueli Werren stellt in seiner ETH-Masterarbeit das von ihm entwickelte Programm vor. Das Ziel des Tools ist es, ideale Bewirtschaftungsverhältnisse für die Landbewirtschaftenden vorschlagen zu können. Die effektive Neuzuteilung des Grundeigentums wird in einem zweiten Schritt mit klassischen Planungsmethoden vorgesehen.
«Die Summe der Feld-Hof-Distanzen kann mit dem Tool um 35% reduziert werden»
Das Optimierungsmodell wurde im Februar 2022 am am Beispiel einer anstehenden Gesamtmelioration im Kanton Bern getestet. Schrittweise wurden die Optimierungskriterien im Fallbeispiel implementiert. Hierbei konnte die Summe der Feld-Hof-Distanzen im Vergleich zur Ausgangssituation um rund 35 % reduziert werden. Dies entspricht einer durchschnittlichen Fahrkostenreduktion von rund 60 Franken pro Hektare und Jahr. Pflanzenkulturtypen der Fallbeispielregion und entsprechende geschätzte jährliche Fuhrenzahlen sind in diesem Kostenreduktionswert einkalkuliert. Allerdings sind die Bewirtschaftungsvorteile infolge grösserer und optimal geformter Feldflächen in den Berechnungen nicht einbezogen. Gleichzeitig mit der Optimierung der Feld-Hof-Distanzen werden im Modell die bestehenden Flächenanteile verschiedener Pflanzenkulturtypen möglichst passenden Böden zugeteilt. Besondere Wünsche einzelner Landwirte oder vermutete Auswirkungen agrarpolitischer Massnahmen können mit der Anpassung der Modellinputdaten zusätzlich berücksichtigt werden. Mit dem Einsatz des neuen Optimierungsprogramms soll ein Planer einer Gesamtmelioration spezifische Lösungen für die optimale Landzuteilung vorschlagen können, die allein mit herkömmlichen Planungsmethoden möglicherweise nicht erkannt würden. Zudem wird dabei von einer Reduzierung des totalen Planungszeitaufwands im Vergleich zu klassischen Planungsabläufen ausgegangen.
Private und öffentliche Ziele
Es gilt zu beachten: Mit den Modellkriterien wird nur ein Anteil der privaten und öffentlichen Ziele moderner Gesamtmeliorationen in der Schweiz einbezogen. So werden beispielsweise optimale Feldformen (privates Ziel) oder mehr Raum für Naherholung und Freizeitaktivitäten (öffentliches Ziel) im Modell nicht berücksichtigt. Das Optimierungsmodell ist deshalb als Ergänzung und nicht als Ersatz der bewährten Denkarbeit von Meliorationsplanern anzuwenden, wie der Autor der Studie betont.
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Fünf Fragen an Stephan Tschudi, Ingenieur-Geometer und Vorsitzender der Geschäftsleitung der bbp geomatik AG. Tschudi ist technischer Leiter der Gesamtmelioration BTB.
Herr Tschudi, was war der Auslöser der Gesamtmelioration Bleienbach-Thörigen-Bettenhausen (GM BTB)?
Stephan Tschudi: Auslöser für die Gesamtmelioration war die Vorstudie «Mögliche wasserbauliche Massnahmen längs der Altache» vom November 2013. Sie zeigte auf, wie die Problempunkte Biber, Hochwasserschutzdefizit und ungünstige landwirtschaftliche Strukturen gelöst werden könnten. Ein freihändiger Erwerb der benötigten Flächen entlang der Altache schien jedoch unrealistisch und es war klar, dass die ungünstigen landwirtschaftliche Strukturen nur mit einer Gesamtmelioration gelöst werden können.
Was sind die aktuellen Arbeiten und wie sehen die nächsten Schritte aus?
In der Regel erfolgt bei Gesamtmeliorationen eine Umlegung der Parzellen nach Werten und nicht nach Quadratmetern. D.h. alle Parzellen werden durch eine bodenkundliche Fachperson kartiert und bewertet. Die Schätzungskommission legt dann weitere Abzüge oder Zuschläge beispielsweise für Hanglage, Schatten oder Anthäupter fest. Dieser Anspruchswert pro Parzelle resp. Eigentümer ist im Dezember öffentlich aufgelegen. In einem nächsten Schritt wird nun das «generelle Projekt» ausgearbeitet. Dieser Entwurf des Wegnetzes, der Revitalisierung der Fliessgewässer sowie der ökologischen Massnahmen muss eng auf das Revitalisierungsprojekt der Altache abgestimmt sein.
Was gibt es bei der GM BTB für besondere Herausforderungen?
Der Perimeter der GM BTB liegt teilweise im «Smaragdgebiet Oberaargau». Alle umzusetzenden Massnahmen inkl. Parzellenstruktur müssen diesen Umstand berücksichtigen. Obwohl die Revitalisierung der Altache ein eigenständiges Projekt ist, ist eine sehr enge Koordination unabdingbar. Die zukünftige Linienführung der Altache beeinflusst die Planung des Wegnetzes aber natürlich auch die zu sanierenden Drainagen.
Welche Ziele hinsichtlich moderner Meliorationen sollen in Thörigen umgesetzt werden?
Eine Melioration muss heute immer die drei Zieldimensionen «Landwirtschaft», «Ökologie» und «Raumplanung» gleichwertig berücksichtigen. Aus Sicht Landwirtschaft sind dies die zweckmässige Arrondierung des Grundeigentums, die Erneuerung des Flurwegnetzes, die Rekonstruktion des Drainagenetzes. Zur Zeit prüfen wir, ob eine zukunftsgerichtete Bewässerung ein Teil der Massnahmen sein könnte.
Welche modernen technischen Hilfsmittel werden für die GM BTB eingesetzt?
Alle Arbeiten im Büro erfolgen heute in einem «GIS». Das geografische Informationssystem ermöglicht uns, die im Feld mit GPS aufgenommenen Daten zu speichern und weiter zu bearbeiten. Ebenso können aktuelle Luftbilder hinterlegt werden oder das Gelände kann dreidimensional dargestellt werden.