Derzeit wird aus verschiedenen politischen Lagern Druck auf den Wald ausgeübt. Aktueller Aufhänger ist die Ablehnung eines Baugesuchs durch das Aargauer Waldschutzamt.

Infrage gestellt wird diese von Nationalrat Christian Glur (SVP, AG). Zum Schutze des Waldes sei ein Damm auf Fruchtfolgeflächen verlegt worden, kritisiert er. Dafür habe sogar ein Bach weichen müssen. Das sei nur eines von vielen Beispielen, sagt der Nationalrat. Er hat deshalb in der vergangenen Sommersession eine Motion mit dem bezeichnenden Namen «Infrastruktur-Bauten von öffentlichem Interesse im Wald vereinfacht zulassen» eingereicht.

Vereinfachen möchte Glur beispielsweise das Errichten von Reservoirs, Pumpstationen für die Wasserversorgung oder die Kanalisation sowie Strassenverbreiterungen. Die Beratungen zur Motion stehen noch aus.

«Richtig und wichtig»

Dass das Gesetz den Wald schütze, sei zwar «richtig und wichtig», hält Glur fest. «Es geht mir nicht darum, den Wald gegen das Kulturland auszuspielen», betont er. Jedoch verunmögliche die restriktive Gesetzgebung in der Praxis alle Infrastrukturprojekte im Wald. Zumindest könnten diese nur unter erschwerten Bedingungen vorgenommen werden. Dabei wäre der Wald seiner Meinung nach in vielen Fällen durchaus der richtige Standort für solche Projekte. Denn damit könnten oft nicht nur Kosten verhindert, sondern auch der Verlust von Kulturland verhindert werden.

Auch der Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau, Ralf Bucher, steht hinter diesem Anliegen. Grundsätzlich hätten die Kantone die Möglichkeit, solche Bauten unter strengen Auflagen zu bewilligen, jedoch werde dies in der Praxis aufgrund der hohen Hürden faktisch nicht angewandt, moniert er. Dadurch würde oft auf ungeeignete Standorte ausserhalb des Waldes ausgewichen, welche dann jeweils sehr teuer in der Umsetzung seien.

Und weiter: «Die Waldfläche in der Schweiz ist in den letzten Jahren aufgrund des hohen Schutzes stark gewachsen. Dagegen nehmen die Fruchtfolgeflächen sowie das Kulturland im ganzen Land aufgrund verschiedenster Beanspruchungen wie Überbauungen, der Ausdehnung von Siedlungsgebieten und Infrastrukturbauten wie Strassen und so weiter massiv ab und werden die gesetzten Mindestflächen schon bald unterschreiten», meint Glur.

Wald Schweiz hält entgegen

Wald Schweiz stellt hinsichtlich dieser Behauptung klar: Zwar nehme gesamtschweizerisch die Waldfläche zu, die regionalen Unterschiede blieben jedoch gross. Über 90 Prozent der Waldflächenzunahme finde oberhalb von 1000 Metern über Meer statt, meist in steilen, forstwirtschaftlich schwierigen Lagen. Im Mittelland sowie in den Talgebieten der Gebirgskantone stehe die Waldfläche dagegen unter Druck.

Auf die Frage, ob der Aargauer Motionär denn auch Nachteile für den Wald – insbesondere hinsichtlich des Waldschutzes – sieht, sagt er: «Selbstverständlich würde der Waldschutz mit Annahme der Motion ein wenig gelockert», dies würde der Wald jedoch in Anbetracht der schrumpfenden Fruchtfolgeflächen und der Zunahme der Waldfläche aus seiner Sicht «problemlos verkraften», wie er sagt. Es sei höchste Zeit, Gegensteuer zu geben.

Weniger Verlust an Kulturland

Welche Vorteile entstünden durch die Annahme der Motion für Land- und Waldbesitzer? Grundsätzlich profitieren eher die Landbesitzer von der Motion, meint Nationalrat Glur. «Doch wenn wir zukünftig am technisch gesehen richtigen Standort bauen können, wird es zu weniger Verlust von Kulturland kommen, was den bäuerlichen Waldbesitzern ebenfalls Vorteile schafft.»

Der Verband der Schweizer Waldeigentümer (Wald Schweiz) will derzeit noch keine Stellung nehmen: Die Motion sei eben erst eingereicht worden, es sei noch zu früh, hiess es auf Anfrage der Bauernzeitung.

Und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL)? Die Forschungsanstalt betont ihren Auftrag als solchen und verweist auf die Verantwortung von Politik und der Gesellschaft. Es sei deren Aufgabe, sich aufgrund dieser Erkenntnisse und Fakten eine Meinung zu bilden und politische Positionen einzunehmen. Weshalb auch sie zur Motion nicht Stellung nehmen könne.

Einfach so durchgewinkt werde die Motion aber auf keinen Fall, prognostiziert Christian Glur. Dafür klafften die Grundinteressen bei derartigen Vorstössen zu weit auseinander.

Mehr Flexibilität beim Roden

In die gleiche Kerbe schlägt die vom St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth eingereichte Motion «Mehr Flexibilität beim Rodungsersatz»: Sie verlangt, dass, abgesehen von temporären Waldrodungen, der Rodungsersatz zukünftig mindestens zur Hälfte durch Massnahmen zur Aufwertung der bestehenden Waldfläche erfolgen kann. Der Nationalrat hat als Zweitrat dieser Motion ebenfalls klar zugestimmt; der Bundesrat muss sie nun mit Anpassungen im Waldgesetz umsetzen.

«Kein Handlungsbedarf»

Hierzu hat Wald Schweiz den Bleistift bereits gespitzt und schreibt eine Stellungnahme mit dem Titel «Eidgenössische Räte relativieren den absoluten Waldschutz». Mit dem geltendem Waldgesetz sei schon heute umsetzbar, was die Motion fordere. «Auf nationaler Ebene besteht kein Handlungsbedarf, da die Vollzugskompetenz bei den Kantonen liegt. Meistens sind es Infrastrukturbauten (Strassen, Schienen, Radwege, Stromleitungen), welche zu Rodungen führen, die gemäss heutigem Recht kompensiert werden müssen.»