Die Schweiz hat zu wenig Rindviecher. Jedenfalls, wenn man den Fleischmarkt betrachtet. Rund 80 Prozent des Bedarfs an Rindfleisch können durch die Inlandproduktion abgedeckt werden; das heisst, dass im Jahr 2020 rund 20 % – also knapp 24'000 Tonnen Rindfleisch – importiert werden mussten, um den Bedarf zu decken. Der Hunger nach Rindfleisch wird nicht merklich kleiner. Auch die vegane Bewegung kann daran wenig ändern. Insbesondere Verarbeitungsfleisch ist gefragt. Daraus entstehen Hamburger – sogenannte Covenience-Produkte, die gerne auch über die Gasse genossen werden und gerade berufstätigen Menschen das Leben zu vereinfachen wissen. Diese Hamburger entstehen aus Kuhhälften – oft aus Kühen, die aus der Milchproduktion stammen.

Viele Tiere produzieren viel Stickstoff

Geht es nach den Umweltverbänden, hat die Schweiz aber nicht zu wenig, sondern zu viel Rindvieh. Sie orten das Problem im Kunstdünger, der den weltweiten Anbau von Kraftfutter vorantreibt, was wiederum in Importländern mit hohen Tierbeständen, wie der Schweiz, zu einem Überschuss an organischen Düngern führt und ein weiteres Problem schafft. Die Umweltverbände attestieren den Behörden zwar, dass diese mit Beratungen und technischen Massnahmen (z. B. Schleppschläuchen) Gegensteuer geben, doch das grundsätzliche Problem – nämlich der zu hohe Tierbestand – werde kaum angegangen. Mit der Folge, dass die Schweizer Landwirtschaft einen Stickstoffüberschuss von mehreren 10'000 Tonnen pro Jahr produziert.

Setzt der Bund die richtigen Hebel an?

Eine deutliche Stickstoffreduktion lasse sich nur erreichen, wenn die Tierbestände massiv gesenkt würden und anstelle der Intensivmast und der Milchproduktion mit Hochleistungskühen graslandbasierte Fleisch- und Milchproduktion gefördert werde. Das wird schon länger gepredigt. Aber ist das auch wirklich so? Machen die Umweltverbände die richtige Rechnung und setzt der Bund schliesslich die Hebel am richtigen Ort an? Diese Fragen werden wir nicht mit Ja oder Nein beantworten können. Sicher ist aber, dass die Betriebsleitenden sich mit den angesetzten Hebeln, genauer gesagt, den von ihnen gewünschten oder gar geforderten Massnahmen, auseinanderzusetzen müssen, bevor sie diese umzusetzen haben.

Die Behörden sind auf dem Holzweg

Eine Massnahme beim Rindvieh ist die in Aussicht gestellte Zahlung für Kühe mit einer verlängerten Nutzungsdauer. Dadurch sollen Kühe mit einer hohen Anzahl Abkalbungen gefördert werden und nicht etwa einfach die alten Kühe. Der Bund setzt hier eine hohe Anzahl Abkalbungen einem hohen Alter gleich. Das ist ein Trugschluss. Mit so einer Zahlung fördert er zum einen, dass das Erstbesamungsalter nach vorne geschoben wird. Das heisst, die Tiere kalben früher ab. Als weitere negative Auswirkung wird die Zwischenkalbezeit verkürzt, weil das Geld nicht an das Alter der Kuh, sondern an die Anzahl Abkalbungen gebunden wird. Dadurch verkürzt sich auch die Galtzeit. Der Bund will damit das Durchschnittsalter der Kühe in den Beständen steigen lassen, in erster Linie wird er damit aber zur Intensivierung der Reproduktion beitragen. Kühe müssen jünger und mehr abkalben. Jeder Rindviehhalter weiss: Das ist ein absoluter Stumpfsinn!

Die Hochleistungskuh wird durch die Massnahmen bedroht

Subtil ist, dass man genau mit dieser Massnahme indirekt auch die Hochleistungskuh aus der Schweiz verschwinden lassen will; denn genau sie wird dieses neue System nicht ertragen. Was eine Hochleistungskuh konkret ist, will auf Nachfrage der BauernZeitung niemand beantworten. Nicht einmal die Zuchtverbände wagen einen entsprechenden Beschrieb. Neben dem Verschwinden der Hochleistungskuh – nennen wir sie einmal die Zehntausenderkuh, ein Tier, das in 305 Tagen 10'000 kg Milch gibt – hat der Bund noch andere Pläne. Er will die Bestände verkleinern. Und so, wie der Bund einst Gelder einsetzte, um die Bestände hochzufahren, setzt er schon bald ähnliche Mittel ein, um sie runterzufahren. Die Rechnung ist einfach: Weniger Kühe mit weniger Leistung gibt weniger Ertrag. Fleisch und Milch werden fehlen, die Schweiz wird abhängig vom Ausland. Statt Futter zu importieren, holt sie dann Milch und Fleisch ins Land. Auch wenn der Schweizer Bevölkerung und dem Bund egal sein sollte, woher diese tierischen Produkte dereinst kommen mögen, sie müssen irgendwo produziert werden. Mit den Kühen verschwindet auch die Gülle ins Ausland. Aber auch die wird uns dereinst fehlen. Denn so reich die Schweiz auch ist, sie ist und bleibt ein Binnenland – und die Schiffe, die den bald heiss begehrten Kunstdünger nach Europa bringen, werden nicht in Basel entladen.