Derzeit machen mit PFAS-belastete Lebensmittel vor allem aus dem Kanton St. Gallen Schlagzeilen. «Aber wenn man weitersucht, kommen sicher weitere Kantone dazu», ist Empa-Forscher Markus Zenegg überzeugt. Und die Suche geht weiter, denn mit der Einführung neuer Höchstwerte für Eier und Fleisch in der Schweiz begannen 2024 in verschiedenen Kantonen Messkampagnen. Ausserdem koordiniert der Bund in diesem Jahr die Analyse von einheimischen sowie importierten Produkten (Fisch, Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte).

Verunreinigung vor 30 Jahren

Je nach Definition zählen bis zu mehrere Millionen Substanzen zur Gruppe der PFAS, so Markus Zenegg. In St. Gallen seien ausschliesslich problematische Belastungen mit PFOS – die zu den PFAS gehören – festgestellt worden, versicherte Barbara Beck-Wörner vom Landwirtschaftlichen Zentrum (LZSG). Wie Zenegg referierte sie an einem Webinar der Agridea, das in Sachen PFAS auf den neusten Stand brachte. «PFOS sind in der Schweiz seit langem verboten», fuhr sie fort. Die Verunreinigungen in den betroffenen Böden stammten demnach von vor über 30 Jahren und wahrscheinlich aus als Dünger ausgebrachtem Klärschlamm. «Aber nicht jeder Klärschlamm war belastet», gibt Beck-Wörner zu bedenken. Das heisst, nicht überall, wo einst Klärschlamm ausgebracht worden ist, ist mit einer PFOS-Belastung zu rechnen.

In St. Gallen geht es nun darum, die betroffenen Betriebe bestmöglich zu begleiten und zu beraten. Mit dem Ziel, die Produktion zu erhalten, hat der Kantonsrat einen Sonderkredit über 5 Millionen Franken für 2025 bis 2028 beschlossen. Diese Gelder werden laut Barbara Beck-Wörner eingesetzt, um notwendige oder erfolgsversprechende Massnahmen zu finanzieren, etwa den Anschluss an öffentliche Wasserversorgung, Beprobungen und Futterzukäufe oder auch alternative Bewirtschaftungsformen (z. B. andere Kulturen oder Fruchtfolgen, bodenunabhängige Produktion, Blumen, Pensionspferde oder Weihnachtsbäume statt Lebensmittel). Angestrebt sei die Kenntnis der innerbetrieblichen Verteilung der Belastung und ein Betriebskonzept, das den Fortbestand des Hofs sichert.

«Betroffene haben nichts falsch gemacht»

«Es ist wichtig, zu sagen, dass die Betroffenen nichts falsch gemacht haben», betonte die Beraterin. Da bei PFAS-Belastungen viele verschiedene Ämter involviert sind, brauche es zudem eine gute Koordination. Dazu wird in St. Gallen jeweils für die betroffenen Betriebe ein Dossier geführt, auf das auch das LZSG Zugriff hat. «So muss der Landwirt nicht überall wieder seinen Fall schildern», erklärt Barbara Beck-Wörner.

Wasser ist oft relevant

Eine Verfügung wegen überschrittener Höchstwerte in Fleisch und Eiern sei ein Schock für die Betriebsleitenden, ist sie sich bewusst. Die Beratung erfolge auf Anfrage und sei auch für die Mitarbeitenden des LZSG nicht einfach. «Es gilt, aktiv zuzuhören und beim Einordnen zu helfen.» Der St. Galler Bauernverband bietet zusätzlich ein Coaching für die Landwirt(innen) an. «Es ist eine Phase des Ausprobierens», schildert Beck-Wörner, «es gibt keine Garantie, was funktioniert.» Zu dem, was wirken könnte, zählt:

  • Geflügel: Reduktion des Bodenkontakts (Alternativen anbieten, Zeit auf der Weide reduzieren)
  • Mastkälber: Pulvermilch für auf Milchviehbetrieben oder Ausmast auf einem anderen Betrieb.
  • Fleischproduktion: Ausmast auf anderen Betrieben.
  • Boden: Gesteinsmehle

Hinzukommen verschiedene Quellen der Unsicherheit in der PFAS-Thematik. So sei der Höchstwert in Trinkwasser so hoch, dass sich mit konformem Trinkwasser eventuell keine konforme Milch produzieren lasse. «Bei vielen Betrieben mit belasteten Produkten haben wir gesehen, dass das Wasser ein relevanter Aspekt war», schildert die Beraterin. Es sei daher sinnvoll, auch das Wasser im Stall analysieren zu lassen.

Unklar ist weiter, so Barbara Beck-Wörner, ob es und wann es auch Höchstwerte für Milch, Boden und Futtermittel geben wird und welche Übergangsfristen dazu. «Und wohin mit belastetem Futter? Es geht um Tonnen.» Sie hält aber fest, dass die meisten Böden und Trinkwasserquellen okay seien, die Belastungen würden punktuell auftreten. «Landwirtschaftsbetriebe sind Leidtragende, aber nicht die Schuldigen», betont die Beraterin. Da PFAS ein globales und schweizweites Problem sind, braucht es ihrer Meinung nach einen nationalen Aktionsplan.

Bericht und Motion

Der Bund prüft derzeit einen solchen Aktionsplan, ein Bericht soll Ende 2025 erscheinen. Ausserdem verhandelt das Parlament eine Kommissionsmotion, die für die Einführung von PFAS-Höchstwerten in Lebensmitteln «angemessene Übergangsfristen» verlangt. Sie sollen es betroffenen Landwirtschaftsbetrieben ermöglichen, die nötigen Massnahmen zu treffen, um bis zur Inkraftsetzung der Höchstwerte konforme Produkte sicherstellen zu können. Ausserdem geht es um Unterstützungsmöglichkeiten für Landwirte.

Je nach Kultur und Boden

In Deutschland hat man schon mehr Erfahrung im Umgang mit PFAS-belasteten Landwirtschaftsflächen, wie Runa Boeddinghaus vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) berichtete. Am LTZ hätten die Arbeiten zu PFAS vor zehn Jahren begonnen. «Im Raum Mittel- und Nordbaden sind 1650 ha LN nachweislich verunreinigt, wahrscheinlich durch die Düngung mit PFAS-belasteten Papierschlämmen.» Dabei liegen belastete und unbelastete Flächen direkt nebeneinander. Es gebe wegen betroffener Grundwasserleiter Probleme für die Trinkwassergewinnung und die Bewässerung. Zum Vergleich: In St. Gallen geht es um 1700 ha mit PFOS-Belastung, darunter Bauland.

Abhängig von Molekülgrösse

«Kurzkettige PFAS akkumulieren sich vor allem in Pflanzen, langkettige in Tieren und Menschen», sagt Boeddinghaus. Die Versuche des LZT haben gezeigt, dass sich die PFAS-Aufnahme von je nach Kultur, Jahr, Bodenart und Konzentration im Boden unterscheidet. Nicht alle Pflanzenteile sind gleich stark betroffen. Um die Lebens- und Futtermittelsicherheit trotz PFAS in den Böden sicherzustellen, wurde in Baden ein Vor-Ernte-Monitoring (VEM) eingeführt. Risikobasiert wählen die Ämter Flächen aus, von denen zwei Wochen vor der Ernte Proben analysiert werden (essbare bzw. zur Futtergewinnung genutzte Pflanzenteile). Beurteilungswerte des Bundeslands Baden-Württemberg für verschiedene Kulturen dienen als Richtschnur. «Binnen 7–10 Werktagen erhalten die Landwirte einen Bericht», so die Forscherin. Alles sei bisher freiwillig, die Kosten trage «noch» das Bundesland.

Weniger Überschreitungen

Nur wenn die PFAS-Beurteilungswerte in der Probe unterschritten sind, ist eine Verwertung der Ernte als Lebensmittel möglich. «Mit Beratung und Massnahmen gab es in den letzten neun Jahren weniger Überschreitungen», freut sich Runa Boeddinghaus. Basierend auf den Versuchen des LTZ gibt es Anbauempfehlungen je nach Bodenkategorie, um das Risiko für belastete Kulturen zu senken. «Das VEM hat sich als sehr gut durchführbar erwiesen», so ihr Fazit. «Und es ist momentan die einzige Möglichkeit, um die belasteten Flächen noch für die Landwirtschaft zu nutzen.»

Spezialfall PFAS aus PSM

Peter Bormann vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unterscheidet klar zwischen «klassischen» PFAS, die überall in der Umwelt und auch in Menschen vorkommen und PFAS, sie beim Abbau von Pflanzenschutzmitteln (PSM) entstehen. Dabei handelt es sich um Trifluoressigsäure (TFA), die allerdings ebenso aus Bioziden, Arznei- und Kältemittel oder der Industrie stammen können. Tatsächlich bezeichnet Bormann TFA als «ganz normale Industriechemikalie».

TFA im Regen

Aus Kälte- oder Treibgasen gelangt es via Regen auf Böden und Pflanzen. Laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat die TFA-Konzentration im Niederschlag parallel zur «markanten Zunahme» des Einsatzes solcher Mittel zugenommen. «War es ein PSM-Wirkstoff, spricht man bei TFA von einem Metaboliten», verdeutlichte Bormann. Bei allen anderen Quellen ist TFA ein «Umwelt-Kontaminant». Die z. B. in Wasserproben nachgewiesenen TFA sieht man nicht an, woher sie kommt. Sie wurde schweizweit im Grundwasser gefunden, stellt Bormann fest, mit höheren Konzentrationen in Ackerbaugebieten. «Aber dort ist auch die höchste Dichte der Bevölkerung und der Industrie, das gilt es zu berücksichtigen.»

TFA sei in den Fokus gerückt, weil Deutschland bei der zuständigen EU-Behörde wegen neuer Studien eine Einstufung als reproduktionstoxisch beantragt habe, sagt Peter Bormann. Derzeit laufe die Neubewertung der Toxizität von TFA auf EU-Ebene, was noch bis mindestens Januar 2026 dauere.

Allerdings gibt es zu TFA aus PSM – im Gegensatz zum selben Molekül anderer Herkunft – gute Daten. Namentlich die PSM-Verkaufsstatistik. Flufenacet – den Wirkstoff mit TFA-Potential, der in der grössten Menge verkauft wurde – verbietet die EU ab dem 1. Juli 2025. Dasselbe gilt für Trisulfuron und bei Fluotanil sei ein Verbot in Diskussion. «Die EU hat ein Augenmerk auf TFA und die Schweiz wird diese Entscheide berücksichtigen.»

Andere Quellen bedenken

Das BLW selbst arbeitet in Sachen PFAS laut Peter Bormann einerseits an Massnahmen für die Praxis – etwa an Empfehlungen, neue Technologien oder in den Bereichen Risikominderung und Sanierung. Andererseits wolle man den Wissensstand verbessern zur Situation von PFAS in Böden, Kulturen, Nutztieren und Produktionsmitteln. «Meist liegt ein Fokus auf PFAS aus PSM, weil es dafür gute Daten gibt. Aber es müssen auch andere Gründe für belastete Lebensmittel eruiert werden, etwa Einträge aus Futter oder Dünger.»