Der Einsatz von Gentechnik ist in der Landwirtschaft ein kontrovers diskutiertes und emotionales Thema. Es erstaunt daher wenig, dass die Reaktionen nicht lange auf sich warten liessen, als die EU-Kommission am 5. Juli einen 70-seitigen Gesetzentwurf vorstellte, welcher sich hauptsächlich mit Pflanzen befasst, die mit Hilfe der sogenannten «Neuen genetischen Technik» (NGT) gezüchtet wurden.

Was bezweckt die EU mit dem Entwurf?

Als NGT werden dabei verschiedene neuere gentechnische Verfahren wie zum Beispiel die Genschere CRISPR/Cas zusammengefasst, welche nach 2001 entwickelt wurden. Die Ziele des Gesetzentwurfs sind vielfältig:

Einerseits erhofft sich die Europäische Union, dadurch eine Gesetzeslücke zu schliessen, da die bisherige Gesetzgebung die NGT nicht vollständig miteinschliesst. Dadurch soll sich die juristische Rechtslage für Firmen und EU-Bürger klären. Andererseits erhofft sich man sich in Brüssel, dass die gesetzliche Klärung eine wahre Innovations-Kaskade in der Pflanzenzüchtung auslöst.

Laut EU sollen dadurch noch robustere Pflanzen gezüchtet werden können, welche besser an klimatische Veränderungen angepasst und gleichzeitig nachhaltiger (weniger Pflanzenschutzmittel und geringerer Düngereinsatz) im Anbau sind.

Nachdem bereits am 3. Juli ein erster Entwurf des Gesetzesvorschlags an die Öffentlichkeit durchsickerte, folgten bei der offiziellen Publikation prompt ausgiebige Stellungnahmen einiger wichtiger Schweizer Branchenakteure.

So reagiert das Pro-Lager

Klar positiv reagiert Scienceindustries, der Verband der chemischen Industrie, Pharmaindustrie und der Biotechnologie. Scienceindustries bezeichnet den EU-Gesetzesentwurf in einer Mitteilung als innovationsfreundlich und fordert von Bundesrat und Parlament, dass «…rasch eine differenzierte Regelung erlassen wird, damit die Schweiz zu Lösungen für Herausforderungen wie Bevölkerungswachstum oder Klimawandel beitragen kann.»

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Swiss-food.ch, eine Wissensplattform im Bereich Landwirtschaft und Ernährung, welche von Syngenta und Bayer betrieben wird. Dort argumentiert man unter anderem damit, dass der Mensch bereits seit seiner Sesshaftigkeit Pflanzenzüchtung betreibe und dass moderne Pflanzenzucht erwiesenermassen wesentlich zielgerichteter erfolge als traditionelle züchterische Methoden. Auch vergleicht Swiss-food den Einsatz der NGT mit dem Kampf gegen den Klimawandel und fordert von den Gegnern auch hier, den wissenschaftlichen Fakten und nicht den Emotionen zu folgen.

Der Verein «Sorten für morgen» begrüsst ebenfalls den Entscheid der EU und betont, dass «mit einer solchen Regelung die Züchtung neuer Sorten möglich wäre, welche an den Klimawandel, die Pestizidreduktionsziele und veränderte Konsumbedürfnisse angepasst» seien. Mitglieder im Verein sind mit Migros und Coop unter anderem die beiden wichtigsten Grossverteiler der Schweiz sowie diverse landwirtschaftliche Verbände und die Fenaco.

Das Contra-Lager

Klar negativ reagierte der Dachverband Bio Suisse in seiner Medienmitteilung. Bio Suisse fordert darin, dass die Landwirte und Konsumenten weiterhin das Recht und die Möglichkeit haben sollen, auf Gentechnik zu verzichten. Betont wird die Notwendigkeit einer strikten Regulierung, welche Haftung, Zulassung und Deklaration eindeutig klärt.

In ihrer Medienmitteilung betont Bio Suisse zudem, dass nach wie vor 80 % der Konsumenten Gentech-Food ablehnen würden. Der Bundesrat und das Parlament seien daher gefordert, das geltende Moratorium so lange beizubehalten, bis Fragen zu Zulassung, Haftung und Deklaration eindeutig geklärt seien.

Ebenfalls negativ reagierte die Stiftung für Konsumentenschutz. Sie enerviert sich besonders darüber, dass NGT-Produkte in Zukunft nicht mehr als Gentech-Produkte deklariert werden müssten und so ungehindert ohne Deklaration und Risikoprüfung auf dem Teller der Konsumenten landen könnten. Sie fordert, dass die neuen Verfahren gleich behandelt werden müssten wie die herkömmliche Gentechnik, weiter eine klare Deklaration sowie effektive Massnahmen, um eine Vermischung von gentechnisch veränderten und nicht-gentechnisch veränderten Produkten zu verhindern.

Die Position des Schweizer Bauernverbandes

Der Schweizer Bauernverband (SBV) betont auf seiner Website, dass NGT keine Wundermittel seien. Jedoch könnten sie in Zukunft einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Pflanzenzüchtung zu beschleunigen und somit noch schneller zu neuen marktfähige Sorten beitragen.

Diese müssten zwingend einen agronomischen, ökonomischen oder ökologischen Nutzen aufweisen. Ausserdem seien die Entwicklungen in der EU zu berücksichtigen.

In einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen betonte SBV-Präsident Markus Ritter zudem die Schwierigkeit einer Kennzeichnungspflicht. Die bei der NGT eingesetzten Gene seien nicht artfremd und so könnte die eingesetzte Pflanzenzüchtungsmethode nicht klar nachgewiesen werden.