Manche Vernehmlassung geht still vonstatten. Diese tat es nicht. Zur künftigen Regelung neuer Züchtungsverfahren (NZV) wie Genomeditierung scheinen sich viele Organisationen öffentlich äussern zu wollen.

Zu weit oder zu lasch

Der Verein «Sorten für morgen» erklärt, aus seiner Sicht brauche es einen neuen Anlauf. Auch die Allianz hinter der Lebensmittelschutz-Initiative hält den Vorschlag des Bundesrats für ungenügend – wenn auch aus gegenteiligen Gründen.

Den Befürwortern der Genomeditierung geht er zu weit, damit würden die Anwendungen zu stark eingeschränkt. Das vorgelegte Spezialgesetz vernachlässige die Risikoprüfung, Kennzeichnungspflicht und Koexistenzregelung, warnen hingegen die Gegner. Für sie sind NZV genauso Gentechnik wie das, was bisher unter dem Gentechnik-Gesetz geregelt ist. Der Kritik schliessen sich Uniterre, die Kleinbauern-Vereinigung und Bio Suisse mit ähnlichen Argumenten an.

Auf die Seite von «Sorten für morgen» stellt sich der Wirtschaftsverband Scienceindustries. Der Schweizer Bauernverband positioniert sich vorsichtig und fordert, die Chancen von NZV «mit Bedacht» zu nutzen. Sie hätten erhebliches Potenzial, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen besser und zeitnäher zu bewältigen. «Bedingung ist, dass diese Züchtungen einen klaren, agronomischen, ökonomischen und ökologischen Nutzen aufweisen.»

Pflanze statt Prozess

Den Nachweis eines Mehrwerts hält das Forum Genforschung der Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) allerdings für kaum umsetzbar. Wie alle neue Technologien könnten auch NZV «unvorhergesehene ökologische, ökonomische oder gesellschaftliche Auswirkungen haben», so die SCNAT. Die Folgen seien daher im Sinne des Vorsorgeprinzips zu beobachten und auch die Wirkung von Patenten auf den Zugang zu genetischen Ressourcen und Innovation müssten evaluiert werden. Allenfalls brauche es hier flankierende Massnahmen. Es gebe indes keine Hinweise, dass NZV an sich grössere Risiken für Mensch und Umwelt bergen, weshalb die Zulassung auf die Pflanze statt auf deren Entstehungsprozess auszurichten sei.

Faktor für den Export

Vor vier Jahren bereits haben die Schweizer Milchproduzenten festgehalten, «Schweizer Käse ohne GVO» sei in der EU ein erfolgreiches Exportprodukt. Die Freiheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wird über Swiss Garantie kommuniziert und bezieht sich bei tierischen Produkten auf die Fütterung. Diese Differenzierungsmöglichkeit auf dem Exportmarkt würde durch das Spezialgesetz geschwächt, befürchten die SMP.

«Die Milchbranche möchte weiterhin auf Natürlichkeit und Gesundheit setzen», so ihre Stellungnahme. Die SMP schreiben, auch innerhalb der Landwirtschaft seien die Meinungen zu dieser Vorlage sehr unterschiedlich. Es werde entscheidend sein, wie die breite Öffentlichkeit auf die Initiative des Vereins für gentechnikfreie Lebensmittel (Lebensmittelschutz-Initiative) reagiert. «Bei den Produkten ist es wichtig, zu wissen, wie das Kaufverhalten sein wird. Dazu braucht es mehr Abklärungen.»

Tatsächlich haben die bisherigen Umfragen zur Akzeptanz von NZV-Produkten widersprüchliche Resultate geliefert – je nachdem, von welcher Seite gefragt wurde (wir berichteten).

Verkaufen dürften solche Ware allenfalls auch die Detailhändler Migros und Coop, die beide Mitglied im Verein «Sorten für morgen» sind. Sie verhielten sich in der Vernehmlassung eher still. Die Migros reagierte z. B. nicht öffentlich auf einen Protestbrief mit rund 60 000 Unterschriften, den ihr der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel zugestellt hat.

Und der Detailhandel?

«Wir haben das Anliegen des Protestbriefs zur Kenntnis genommen und werden die Forderungen sorgfältig prüfen», sagt Migros-Mediensprecher Andy Zesiger auf Anfrage der BauernZeitung. Der Absender habe eine ausführliche, schriftliche Reaktion erhalten.

Sowohl Migros als auch Coop betonen die Wichtigkeit der Wahlfreiheit für ihre Kundschaft. «Die Bedürfnisse unserer Kund(innen) stehen für uns an oberster Stelle», so Coop-Sprecher Kevin Blättler. Die Rahmenbedingungen für NZV seien so zu gestalten, dass die Methoden genutzt werden könnten, «aber dabei die potenziellen Risiken adäquat berücksichtigt werden.»

Fakten kommunizieren

Die Migros-Medienstelle gibt zu bedenken, man fordere eine Deklaration auf Saatgut-Ebene. «Die ganze Wertschöpfungskette kann regeln, wie sie die Wahlfreiheit gewähren will.» Denkbar sei etwa der Ausschluss von NZV in Label-Richtlinien. «Wir sind überzeugt, dass ein guter Teil unserer Kund(innen) solche Lebensmittel konsumieren würde», sagt Andy Zeisiger.

Detailhändler könnten die Akzeptanz von NZV beeinflussen, etwa via ihre wöchentlichen Magazine. «Mit NZV sind Mutationen möglich, die auch in der Natur entstehen könnten», bemerkt Andy Zeisiger. Zudem sei sich die Wissenschaft weitgehend einig, dass die Risiken von NZV mit jenen konventioneller Züchtung vergleichbar seien. «Diese Fakten werden weiter Teil unserer Kommunikation sein», so der Migros-Sprecher. Coop will sich zur Kommunikation zu NZV-Produkten noch nicht äussern. «Für uns steht bei der Bewerbung das Produkt an sich im Fokus», so Kevin Blättler.