Ab 2023 tritt ein neuer Tierwohlbeitrag in Kraft. Dieser Weidebeitrag ergänzt die bisherigen Programme BTS und RAUS. Wie dem Namen bereits zu entnehmen ist, soll er eine vermehrte Haltung und Futteraufnahme des Rindviehs auf der Weide fördern. Mehrere Labelprogramme, wie beispielsweise die Wiesenmilch von IP-Suisse, fördern diese Haltungsformen schon länger. Nun will der Bund ein Zeichen setzen und für diese Haltungsform ebenfalls in die Tasche greifen.

In der Vernehmlassung zum Verordnungspaket Parlamentarische Initiative 19.475 war dieser neue Beitrag wenig umstritten. «Die Neugestaltung der Tierwohlbeiträge in RAUS und Weide findet bei den Milchproduzenten im Grundsatz grosse Anerkennung», schrieb beispielsweise der Verband Schweizer Milchproduzenten (SMP) in seiner Stellungnahme.

Kleinere Korrekturen nötig

In «Detailpunkten» forderte man zwar noch Korrekturen im Interesse eines einfachen Vollzugs. «Der Geltungsbereich muss nach Tierkategorien erlaubt sein. Zudem soll im Sinne der Einfachheit eine minimale Weidefläche in Aren (beispielsweise 15 Aaren im Tal, allenfalls abgestuft nach Zonen) definiert werden, anstatt eine nicht kontrollierbare minimale Futteraufnahme festzulegen», hiess es vonseiten SMP.

Verzehr ist nicht mehr relevant

Kürzlich hat der Bundesrat nun entschieden, den neuen Weidebeitrag definitiv einzuführen. Auch beim gut etablierten Beitrag RAUS kommt es durch die Neuerung zu Anpassungen. Davon sind 85 Prozent aller Tiere der Rindergattung betroffen, denn so viele werden in der Schweiz im entsprechenden Programm gehalten.

«Beim RAUS für das Rindvieh ändert, dass die aktuelle Regelung wegfällt, wonach an Weidetagen 25 % der Trockensubstanz (TS) über das Weidefutter aufgenommen werden müssen. Dafür müssen den Tieren neu 4 Aren Weide je Grossvieheinheit (GVE) zur Verfügung stehen», schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft gefragt nach den Neuerungen.

Das heisst, dass der Verzehr hier nicht mehr relevant ist, dass aber sichergestellt werden muss, dass alle Tiere auf die Weide gehen. Diese Anforderung muss von Mai bis Oktober an jedem Weidetag eingehalten werden. Da es sich beim Wechsel von der 25 %-TS-Regelung auf die Regelung mit den 4 Aren um eine Lockerung der Bestimmung handelt, erwartet das Bundesamt bei den meisten bestehenden RAUS-Betrieben keine neuen Probleme.

Was ist mit Koppelweiden?

Es gibt Weidesysteme, wie zum Beispiel die Koppel- oder die Umtriebsweide, wo bereits jetzt schon weit über 25 % der TS auf der Weide verfüttert werden und weit mehr als 4 Aren Weide je GVE zur Verfügung stehen. Diese werden den Tieren aber in kleineren Einheiten angeboten, damit es beim Beweiden nicht zu grossen Futterverlusten kommt. Damit ist diese Regelung der 4 Aren im Grunde nicht erfüllt. Die Arbeitsgruppe «risikobasierte Kontrollen» habe daher entschieden, eine Unterarbeitsgruppe mit Vertretern der Kantone und Kontrollstellen zum Thema der «Weideregelungen im RAUS» einzusetzen, so das BLW. «Diese möchte bis im Herbst 2022 Vollzugsvorgaben erarbeiten, welche diese Frage präziser beantwortet, damit derartige Weidesysteme nicht vom RAUS-Beitrag ausgeschlossen werden», erklärt Jonathan Fisch vom BLW.

Das ist neu

Der neue Beitrag für die Rindviehkategorien heisst «besonders hohe Auslauf- und Weideanforderungen» oder kurz «Weidebeitrag». Er kann erstmals für das Jahr 2023 angemeldet werden und beinhaltet neben den üblichen RAUS-Anforderungen drei wesentliche Zusatzanforderungen:

  • Futteraufnahme: An Weidetagen müssen 70 % der Trockensubstanz via Weidefutter aufgenommen werden (von dieser Anforderung sind die bis 160 Tage alten Kälber ausgenommen)
  • Winter: Von November bis April müssen die Tiere 22-mal Auslauf oder Weide pro Monat erhalten
  • Gesamtbetrieblichkeit: Er kann nur bezogen werden, wenn alle Rindviehkategorien, welche auf dem Betrieb vorhanden sind und die nicht für den Weidebeitrag angemeldet sind, die RAUS-Anforderungen einhalten.

160 Franken mehr pro GVE

Der Weidebeitrag beträgt pro GVE und Jahr 160 Franken mehr als der RAUS-Beitrag. Die Anmeldung erfolgt gleichzeitig mit der Anmeldung der anderen Direktzahlungsprogramme beim jeweiligen kantonalen Landwirtschaftsamt im Herbst 2022.

Gefragt nach der Festlegung der 70 %-Regel schreibt das BLW, dass man ursprünglich von einem Vollweidesystem ausgegangen sei. Aber mangels eindeutiger Definition des Vollweidesystems und um den Betrieben einen gewissen Spielraum für eine Zufütterung zu geben, habe man sich vor der Vernehmlassung auf 80 % der TS geeinigt. «Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung wurde beschlossen, den Spielraum auszuweiten und hat die Grenze bei 70 % festgelegt», begründet das BLW den Wert.

Kosten von 25 Mio Franken

Das BLW schätzt, dass bis 2025 rund 20 % der GVE, welche heute beim RAUS mitmachen, beim Weidebeitrag mitmachen werden, was rund 25 Mio Franken kostet (Mehrausgaben von Weidebeitrag gegenüber von RAUS).

Auf die Frage, wo diese 25 Mio Franken eingespart werden, damit ein solcher Beitrag überhaupt eingeführt werden kann, schreibt das Bundesamt: «Die Einsparung der Mittel ist nicht für einzelne Massnahmen. Die Umlagerung läuft über das gesamte Direktzahlungssystem für alle neuen und auch die bisherigen Beiträge.»

Die neuen Beiträge und die Erhöhung der Beteiligung bei den bisherigen Beitragsarten würden durch frei werdende Mittel bei den Ressourceneffizienzbeiträgen (REB) und beim Versorgungssicherheitsbeitrag sowie über eine Reduktion des vor wenigen Jahren eingeführten Übergangsbeitrags finanziert.

Kritikpunkt Ammoniak

Mit einem steigenden Anreiz, das Rindvieh vermehrt draussen zu halten, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Zielkonflikt zwischen Tierwohl und Ammoniak. Denn, wenn Tiere mehr Stallfläche und mehr Auslauf bekommen, nehmen die Emissionen in der Regel zu. Und hier sind es – neben den tierfreundlichen Schweineställen – insbesondere die Laufställe für Milchkühe, die zu höheren Ammoniakemissionen führen.

Eine Studie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), die im Sommer 2021 veröffentlich wurde, hat gezeigt, dass die flächendeckende Umsetzung der Tierwohlprogramme BTS und RAUS im Vergleich zur bisherigen Situation nur eine geringe Steigerung der Ammoniakemissionen zur Folge hätte (wir berichteten).

Weidegang reduziert

Was ebenfalls aufgezeigt werden konnte ist, dass der Weidegang gar reduzierend wirken könnte. Ein Vollweide-Szenario für Milchkühe könnte die Effekte der Tierwohlprogramme mehr als kompensieren, geht aus der Studie hervor.