Wahl steht bevor Niemand macht Marcel Dettling das SVP-Präsidium streitig Monday, 22. January 2024 Marcel Dettling hat eine Woche mit hoher Medienpräsenz hinter sich. Die BauernZeitung hat ihn in Bern getroffen, um mit ihm über den Mandatsentwurf für Verhandlungen mit der Europäischen Union zu sprechen. Zu allererst aber wollten wir wissen, ob der designierte SVP-Präsident Reaktionen auf sein Interview mit der «NZZ am Sonntag» hatte. Beim Lesen entsteht der Eindruck, als würde er den Klimawandel mehrheitlich als etwas Positives darstellen. Er setzt sich an den Tisch auf der Terrasse eines Restaurants am Bärenplatz vor dem Bundeshaus. Er schielt durchs Fenster ins Innere der Beiz. «Ist drinnen kein Tisch frei?», fragt er. Dettling mag es offensichtlich warm.

Zur Religion geworden

«Die muss man jetzt schreiben lassen», sagt er nach einer kurzen Pause, in der er die Analyse der «NZZ» überfliegt. «Das gehört dazu, wenn man sich mit den Klimajüngern anlegt. Das Ganze ist richtiggehend zur Religion geworden. Übrigens gut sekundiert vom Schweizer Fernsehen.»

«Das grösste Problem ist der Grenzschutz.»

Marcel Dettling, designierter SVP-Präsident.

Und dann kommt Marcel Dettling zu den Fakten: «Der Klimawandel ist nicht nur per se schlecht – auch für die Landwirtschaft nicht. Und anstatt einen Haufen Geld mit einem sinnbefreiten Kurswechsel zu vernichten, würden wir die Milliarden besser in Anpassungen investieren. Denn das Aufhalten des Wandels wird uns nicht gelingen.»

14 000 Seiten Bürokratie

Abo Bilaterale Abkommen Was hat das EU-Verhandlungsmandat mit dem Grenzschutz zu tun? Friday, 23. February 2024 Sehr rasch geht der Bauer vom Klimawandel zum Europäischen Green Deal über. Damit hat die EU-Kommission Ende 2019 den Fahrplan für eine nachhaltige Wirtschaft in der EU vorgestellt. Gesetztes Ziel ist, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt zu machen. «14 000 Seiten EU-Bürokratie», fasst Dettling zusammen. Kernstück ist die Strategie vom Hof bis auf den Tisch. «Das sagt die EU selber», ergänzt er und bezeichnet einen solchen Weg für die Schweiz als Würgegriff. Die EU regiere durch, vom Feld bis auf den Tisch. «Wir übernehmen das EU-Recht, und zwar auch auf all unseren Höfen. Pro forma können wir noch bestimmen, wie viel Geld verteilt wird, aber das, was greift, das ist EU-Recht», mahnt Dettling.

Der Politiker nennt mehrere Beispiele. So soll im Bereich der Gentechnik im Laden nichts mehr deklariert werden, was in seinen Augen nicht dem Wunsch der Schweizer Bevölkerung gerecht wird. «Nährstoffverlust minus 50 % und im Gegenzug ein Ökoflächen-Anteil von 25 %, Zuckersteuer, massive Tierbestandesreduktion, hauptsächlich pflanzliche Ernährung – nur um einige Beispiele zu nennen», erklärt er. «Das grösste Problem ist der Grenzschutz. Mit einem offenen Handel kriegen wir nicht nur ein Preisproblem, sondern auch eines mit der Menge», weiss er. Weiter befinde sich der Spardruck heute schon in extremer Höhe. «Im Bereich dieses Rahmenabkommens sprechen wir in Dimensionen der Milliardenhöhe für Kohäisionsgelder, welche die EU jährlich von der Schweiz fordert. Da wissen wir alle, wo gespart werden soll. Bei der Landwirtschaft», so Dettling.

Angriff auf Fleischproduktion

Seiner Meinung nach wäre die Übernahme dieses Green Deals ein direkter Angriff auf die Tierhaltung. Nicht nur das: «Die fahren dann ihre leidigen Tiertransporte durch unser Land. Wieso sollten sie noch über den Brenner, wenn sie endlich durch die Schweiz fahren dürfen?»

Abo Neben den vierzehn Milchkühen ist Priska Dettling auf ihrem Betrieb auch für die rund fünfzig Schafe verantwortlich. Bei Mehrlingsgeburten heisst es dann «schöppele». Bäuerinnenporträt Priska Dettling: Die Multitaskerin aus Oberiberg Friday, 9. June 2023 Gefragt danach, warum es überhaupt solche Verhandlungen braucht, sagt Marcel Dettling: «Es ist nicht etwa die EU, die einen Supervertrag wollte. Die Schweizer EU-Turbos wollten lieber einen Vertrag, als mittels Bilateralen alles einzeln zu regeln.» Was Marcel Dettling mit Unterstützung seiner Partei will, ist, dass die Schweiz mit klaren Forderungen an diese Verhandlungen mit der EU geht. «Eine automatische Rechtsübernahme sowie fremde Richter geht einfach nicht, und zwar aus unserem Staatsverständnis heraus nicht.» Die Grenzen seien zu wenig klar aufgezogen und viele, die verhandeln gingen, wollen im Grunde einen Beitritt zur EU.

Anfang März soll das Ganze laut Dettling vom Bundesrat verabschiedet werden. «Dann wird irgendwann verhandelt. Und aktuell wird gar nicht drüber diskutiert. Die Wirtschaft braucht das, man muss vorwärts machen – das ist der Tenor.»

Für Marcel Dettling steht fest, grosse Leidtragende dieses Deals sei die Schweizer Landwirtschaft. Und wie es den Berufskollegen in der EU ergehe, würden die aktuellen Proteste nur zu gut beweisen. «Wo haben wir die beste Bauernpolitik? Und wo gehen die Leute auf die Strasse?», fragt er und ergänzt: «Darum sind wir gut beraten, wenn wir dieses Regelwerk nicht übernehmen.»

Ausrichtung der AP

Und vom Rahmenabkommen kommt der Politiker auf die Ausrichtung der Agrarpolitik, die er am Scheideweg sieht. Seit der Installation des Direktzahlungssystems sei die Produktion staatlich runtergefahren worden. «Immer mehr Auflagen und immer weniger Geld. So arbeitet niemand in der Bundesverwaltung, zumindest kenne ich niemanden, der immer mehr arbeiten muss und dafür immer weniger verdient», bemängelt er. «Das sind die relevanten Themen, aber wissenschaftlich den Dinosauriern nachtrauern ist einfacher», schliesst er und lächelt.