Der Abstimmungstermin vom 25. September über die Massentierhaltungs-Initiative rückt näher. Trotz vielen Medienberichten in der bäuerlichen Presse und Kampagnen-Massnahmen scheinen die Sensibilisierung der Bauernfamilien und die Bereitschaft für aktiven Abstimmungskampf nicht gleich ausgeprägt wie bei den Agrar-Initiativen im Vorjahr. Die BauernZeitung sprach dazu mit Kampagnenleiterin Hella Schnider vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV).
Wieso ist es schwieriger, die Bauernfamilien zu überzeugen, sich gegen die Massentierhaltungs-Initiative aktiv zu engagieren?
Hella Schnider: Die letzte Abstimmung zu den Pflanzenschutz-Initiativen ist noch nicht lange her. Sie hat den Bauernfamilien einen grossen Effort abverlangt. Zudem sind dieses Mal nicht mehr so viele Betriebe direkt betroffen und die Zusammenhänge werden unterschätzt. Viele wiegen sich in falscher Sicherheit. Auch beim letzten Mal hat es allerdings eine Zeit lang gedauert, bis sich alle engagiert haben.
Kommuniziert wurde schon viel, aber offenbar wenig beachtet. Wieso kommen die Botschaften zu wenig an und werden zu wenig ernst genommen?
Die Infos sieht man nur, wenn man sie auch wirklich sehen will. Die Landwirt(innen) wurden und werden über verschiedene Kanäle informiert. Das Problem liegt wahrscheinlich wirklich darin, dass sich viele nicht betroffen fühlen oder sich nicht stets wegen allem rechtfertigen wollen. Der vergangene Abstimmungskampf war intensiv. Und sich nochmals im selben Umfang zu motivieren, ist nicht einfach.
Fühlen sich die Bauernfamilien auch wegen des veränderten Umfelds, Stichwort Ukraine-Krieg und höherer Stellenwert der Selbstversorgung, in falscher Sicherheit?
Sehr wahrscheinlich. Doch dies kann sehr schnell zum Verhängnis werden und muss vermieden werden. Die direkten Auswirkungen sind für die betroffenen Betriebe hart, die indirekten Auswirkungen werden alle zu spüren bekommen. Falls die Initiative angenommen würde, werden die Richtlinien in die Verfassung geschrieben und es gibt kein Zurück mehr. Egal, wie die äusseren Umstände sich entwickeln.
Die Jagdgesetz-Revision scheiterte vor Jahren überraschend, offenbar auch, weil die Befürworter meinten, die Sache sei klar. Gibt es da Parallelen?
Eine direkte Parallele zur Jagdgesetz-Revision würde ich nicht ziehen. Aber der Ausgang der Abstimmung hat uns deutlich gezeigt, was passieren kann, wenn man sich in falscher Sicherheit wähnt. Der SBV und die kantonalen Bauernverbände sind sich ihrer Aufgabe und der Wichtigkeit eines positiven Ausgangs bewusst und nutzen auch in diesem Abstimmungskampf alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Das Feuer muss jetzt nur noch zu allen Teilen der Basis getragen werden. Das war schon beim vorherigen Mal am Anfang so, aber wenn die Kampagne einmal Fahrt aufgenommen hat, sind die Bäuerinnen und Bauern nicht mehr zu stoppen. Stellenwert und Terminierung der Massnahmen hat man anhand des letzten Abstimmungskampfes sehr gut analysiert und dementsprechende Justierungen vorgenommen. Da sollte alles optimal passen.
Die Abstimmung ist im September, bald steht die Sommerzeit an, wenn viele Bauern während der Ernte besonders gefordert sind, danach aber auch gerne einige ruhigere Tage erleben wollen. Wie motivieren Sie die Bauern, jetzt aktiv zu werden, statt zu warten?
Einen guten Zeitpunkt für eine Abstimmungskampagne gibt es nicht. Es gibt immer etwas zu tun. Die Erntezeit kommt uns hier sicherlich nicht gelegen. Deshalb ist es umso wichtiger, vor und nach der Ernte Vollgas zu geben.
Wie beurteilen Sie die Solidarität der Bauernfamilien? Viele meinen doch, diese Initiative gehe sie nichts an, sondern betreffe nur grosse Tierhalter.
Wir appellieren an die Solidarität aller Bauern und zeigen ihnen auch die indirekten Konsequenzen und Auswirkungen auf alle Betriebszweige bei einer Annahme auf. Heute sind die Tierhalter von der Initiative betroffen, schon bald könnten es die Gemüsebauern oder alle sein! Daher ist das gemeinsame Einstehen für die Landwirtschaft in der Schweiz umso wichtiger.
Was erwarten Sie von den Bauernfamilien der Region in den nächsten Wochen?
Die Fahnen wurden verteilt und müssen spätestens jetzt an den Gebäuden angebracht werden. Auch die Autoaufkleber sollen platziert werden. Informiert euch über die Initiative, erkundigt euch bei eurem Gemeindevertreter, den Sektionspräsident(innen) oder beim LBV, wie ihr bei den Massnahmen unterstützen könnt und nutzt jede Gelegenheit, die Landwirtschaft von der besten Seite zu zeigen. Gespräche und ehrliche Diskussionen mit der Bevölkerung sind die wirkungsvollsten Massnahmen.