Die mittlerweile verbreitete Bezeichnung «Ewigkeitschemikalien» für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) nennt das Problem beim Namen: Einmal freigesetzt, bleiben sie in der Umwelt und können sich über die Nahrungskette anreichern. Bisher gibt es in der Schweiz Höchstwerte für PFAS in Trinkwasser, die einer aktuellen Studie des Verbands der Schweizer Kantonschemiker zufolge landesweit eingehalten werden. Ab Februar 2024 gibt es auch Höchstwerte für PFAS-Rückstände in Eiern, Fleisch, Fisch, Krebstieren und Muscheln. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) begründet dies mit dem Gesundheitsschutz der Konsumierenden. «Die Höchstwerte wurden von der EU übernommen und sind aufgrund von vorhandenen wissenschaftlichen Daten festgelegt», erklärt Sprecherin Sarah Camenisch.
In Böden und Schweizern
PFAS sind nicht nur kaum abbaubar (nur in Hochtemperaturöfen lassen sie sich so entsorgen, dass sie nicht in die Umwelt gelangen), diese Chemikalien werden in der Industrie auch breit eingesetzt: von Outdoor-Kleidung (Imprägnierung) über Skiwachs bis zur Lebensmittelverpackung. «Sie gelangen hauptsächlich über die Ernährung in den menschlichen Körper und können sich dort teilweise anreichern», heisst es beim BLV. Über den Einsatz in der Industrie oder in alltäglichen Gegenständen (von Zahnpasta über beschichtete Pfannen bis zum WC-Papier) gelangen sie in Böden und Wasser sowie schliesslich in die Lebensmittelkette. Für einige PFAS seien verschiedene gesundheitsschädliche Wirkungen bekannt, etwa auf Nieren und Leber oder ein verschlechterter Impfschutz. Eine Pilotstudie mit Blutproben von 700 Schweizer(innen) wies bei allen Teilnehmenden PFAS nach. Untersuchungen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) stellten PFAS in allen 146 Proben von Oberböden in der ganzen Schweiz fest. Die Autoren gehen von diffusen Quellen aus, denn einen Zusammenhang mit der Bodennutzung fanden sie nicht.
Mit guter Praxis
«Nahrungsmittel können durch kontaminierte Böden und Wasser, die zum Anbau genutzt werden, durch die Konzentration von PFAS in Tieren über Futter und Wasser, durch Lebensmittelverpackungen oder während der Verarbeitung kontaminiert werden», zählt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf. Quasi unzerstörbar, überall vorhanden und neu mit einem Grenzwert geregelt: Werden PFAS damit zum potenziellen Problem für Schweizer Fleisch- und Eierproduzenten? «Die Höchstwerte sind so definiert, dass Fischerei und Landwirtschaft sie mit einer guten Herstellungspraxis grundsätzlich einhalten können», versichert Sarah Camenisch vom BLV. Eine Untersuchung zum bisherigen Gehalt in Lebensmitteln aus Schweizer Produktion gibt es nicht, es läuft lediglich eine Studie zur aktuellen Belastung von Fischen aus Schweizer Seen.
Dazu verpflichtet
Die Kantone sind für den Vollzug der Höchstwerte in Lebensmitteln zuständig. Sie führen Produktkontrollen durch und ordnen allenfalls Massnahmen an, führt das BLV aus. Grundsätzlich sind Lebensmittelhersteller – also auch Landwirt(innen) – zur Einhaltung der rechtlichen Anforderungen und der nötigen Selbstkontrolle verpflichtet. Da es keine Informationen zur aktuellen Belastung von Schweizer Eiern und Fleisch gibt, ist es schwer abzuschätzen, ob dies hinsichtlich PFAS zur Herausforderung wird. Auf Anfrage nennt das BLV folgende möglichen Präventionsmassnahmen, um das Risiko für zu hohe PFAS zu minimieren:
Weide: Vieh und Geflügel auf verschiedenen Flächen weiden lassen.
Fütterung: Die Futtermittel, sofern aus tiergesundheitlicher Sicht sinnvoll, variieren.
Produkte mit zu hohen PFAS-Werten dürfen nicht in den Verkehr gelangen bzw. müssen aus den Regalen entfernt werden.
Eintrag reduzieren
«Langfristig muss das Hauptaugenmerk darauf liegen, den Eintrag von PFAS in die Umwelt zu reduzieren», hält Sarah Camenisch fest. Ein Vorstoss für ein Verbot von PFAS in Lebensmittelverpackungen haben allerdings sowohl der Bundesrat als auch die kleine Kammer vor zwei Jahren abgelehnt. Der Bundesrat hatte damit argumentiert, die EU sehe Bedarfsgegenstände im Vergleich zu Trinkwasser oder Lebensmitteln als geringe Belastungsquelle für die Bevölkerung an. Die Verwendung besonders bedenklicher PFAS ist zwar hierzulande bereits verboten – sie sind aber laut BLV immer noch in der Umwelt, der Nahrungskette und im Menschen nachweisbar.
Tiefere Grenzwerte für PCB
Für polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dioxine – langlebige, heute verbotene Chemikalien – gibt es schon länger Höchstwerte für den Gehalt in tierischen Produkten. Per Februar 2024 sinken sie im Fall von Rohmilch und Milcherzeugnissen. Zur Vermeidung hoher PCB-Gehalte gibt es ein Merkblatt der Agridea.
