Nationalrätin Jacqueline de Quattro (FDP/VD) hat einen der neuesten Vorstösse – eine Interpellation – zum Thema Wolf eingereicht. Die Befürworter der an der Urne gescheiterten Jagdgesetzrevision hätten bereits davor gewarnt, dass Wölfe künftig auch andere Nutztiere als nur Schafe und Ziegen reissen könnten, schreibt die Politikerin in ihrer Einleitung.

Acht Jungrinder getötet

Der Wolf breitet sich auch in der Romandie weiter aus. Im Kanton Waadt hat sich ein zweites Rudel etabliert. Wolf «Die Hälfte der Parlamentarier hat nicht begriffen, welche Verzweiflung das bei den Landwirten auslöst» Monday, 11. October 2021 «Leider haben sich die Befürchtungen bewahrheitet, wie die jüngsten Angriffe im Waadtländer Jura zeigen. Innerhalb eines Monats wurden in Marchairuz VD acht Jungrinder getötet», hält sie fest. Die derzeitige Situation sei besorgniserregend. Die Wiederholung dieser Angriffe zeige, dass sich das Rudel daran gewöhnt habe, Rinder und andere Tierarten anzugreifen.

«Kein Haus- oder Nutztier ist mehr vor Angriffen des Grossraubtiers sicher, weder auf Alpen noch auf ganzjährig bewirtschafteten Bauernhöfen», schreibt de Quattro. Das schaffe grosse Unsicherheit. Sie frage sich, wie solche Angriffe verhindert werden könnten. Der Leidensdruck bei den Landwirten in der Region ist hoch, wie der Waadtländer Bauernpräsident Claude Bähler sagt).

Vier Fragen an den Bundesrat

Vom Bundesrat will Jacqueline de Quattro in ihrem Vorstoss Folgendes wissen:

  • Wie beurteilt der Bundesrat die Entwicklung der Wolfsangriffe im laufenden Jahr?
  •  Wie beurteilt er die Tatsache, dass nun Rinder und nicht mehr nur Ziegen und Schafe getötet werden?
  • Wie beurteilt er die Tatsache, dass sich einzelne Wölfe oder ganze Rudel dem Menschen nähern und dass es zu gefährlichen Begegnungen kommt?
  • Welche neuen Massnahmen gedenkt der Bundesrat im Hinblick auf diese Entwicklungen zu ergreifen?

Viele Vorstösse

Der Bundesrat dürfte die Interpellation bis zur nächsten Session beantworten. Auch sonst bleiben die Parlamentarier(innen) bezüglich Wolf nicht untätig, wie unsere Zusammenstellung von im Jahr 2021 eingereichten Vorstösse zeigt.

Auch ältere Tiere zum Abschuss freigeben
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Nicolo Paganini hat am 14. September eine parlamentarische Initiative eingereicht. Ihr Titel: «Zukunftsgerichtetes Wolfsmanagement – Für ein Miteinander von Grossraubtier, Alpnutzung, Siedlung und Tourismus».

Der Wolf solle eine geschützte Tierart bleiben, seine Regulierung soll aber ausgeweitet werden, heisst es im eingereichten Text. Der St. Galler Mitte-Nationalrat fordert, dass auch ältere Tiere in Rudeln zum Abschuss frreigegeben werden können. Nur so könne langfristig die Scheu der Wölfe sichergestellt werden. «Die Wölfe dürfen die Scheu vor dem Menschen nicht verlieren. Gerade bei erwachsenen Tieren zeigt sich, dass sie ihr nicht scheues Verhalten auch an den Nachwuchs weitergeben», sagte Paganini gegenüber dem «St. Galler Tagblatt».

Aufgrund des in den nächsten Jahren wohl anhaltenden exponentiellen Wachstums der Wolfsbestände sei mit einer entsprechenden Zunahme der Konflikte zu rechnen, schreibt Nicolo Paganini in der Begründung zu seiner parlamentarischen Initiative. «Die Chance ist gross, dass sich die Wölfe vermehrt auch in Gebieten in der Nähe des Mittellandes ansiedeln werden.»

Nicolo Paganinis Vorschlag findet offenbar Unterstützung bei den Kantonen. «Die Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft unterstützt diese parlamentarische Initiative, weil sie eigentlich einen Kompromissvorschlag im Ringen um das Jagdgesetz darstellt», erklärt der Generalsekretär der Organisation, Thomas Abt, gegenüber «SRF». Der Abschuss von älteren Tieren erlaube, genau da anzusetzen, wo das Problem entstehe: beim problematischen Verhalten einzelner Tiere.

Die Wolfs-Befürworter sehen das anders. Es sei nicht bewiesen, dass so das Verhalten von Wolfsrudeln wirklich verändert werden könne, sagte David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, zu «SRF». 

Wolf präventiv abschiessen?
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Gemäss Bundesrecht darf ein Rudel Wölfe nur reguliert werden, wenn ein Wolf zehn geschützte Tiere gerissen hat, etwa bewachte oder einge­zäunte Schafe. Dem Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas ist diese Zahl ein Dorn im Auge. «Wenn der Wolf eine geschützte Herde angreift,dann gibt es keine zweiteChance. Dann muss man handeln können, unabhängig von der Anzahl gerissener Tiere.Meines Erachtens auch unabhängig davon, ob der Angriff zu einem Riss geführt hat oder nicht», sagt er gegenüber SRF.

Martin Candinas wäre dafür, dass Wölfe gar geschossen werden dürfen, bevor ein Schaden entstanden ist. Überhaupt versteht er den Schadensbegriff weiter als die nationale Gesetzgebung. Bereits die Rückkehr des Wolfes habe den Bergbauern geschadet. Die Alpwirtschaft sei dadurch viel aufwendiger und damit auch teurer geworden.

In der Herbstsession hat er eine Interpellation eingereicht. Er will wissen, weshalb der Schadensbegriff so eng ausgelegt wird, und verweist auf ein Rechtsgutachten im Auftrag des Bauernvereins Surselva. Dieses kommt zum selben Schluss wie Candinas: Ein ernster Schaden entstehe für die Landwirtschaft nicht erst «bei Erreichen einer bestimmten, mehr oder weniger will­kürlich angesetzten Schadensschwelle bei Rissereignissen». Sondern bereits durch die Wolfpräsenz.

Vorzeitige Abalpung
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Nationalrat Fabio Regazzi reichte im März eine Interpellation mit dem Titel «Wolfspräsenz führt zur Enteignung der Alpen und persönlicher Einschränkung» ein. «Es häufen sich Fälle von Wolfsangriffen auf Herden, welche die Anforderungen an den Herdenschutz vollauf erfüllten. In beiden Fällen führen die Angriffe zu einer vorzeitigen Abalpung der Tiere und aufgrund der Gefahrenlage zu einem Verzichtder Sömmerung im Folgejahr», schrieb der Tessiner Mitte-Nationalrat in seiner Begründung.

Der Wolf werde geschont, die betroffenen Schafhalter würden die Alpung der Tiere aufgeben. Damit verbunden sei oft die Aufgabe der Tierhaltung und der Verzicht auf Direktzahlungen für die Schafsömmerung. «Die Alp verliert an Wert, da die Sömmerung unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist.» Er wollte vom Bundesrat unter anderem wissen, wer für die Kosten der Sömmerungsaufgabe durch die Rückkehr der Grossraubtiere aufkomme?


Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die Alpungs- und Sömmerungsbeiträge sowie auf finanzielle Hilfen für den Herdenschutz und laufende politische Bestrebungen. 

Wie weit ist Rückstufung auf «geschützt»?
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Der Walliser Mitte-Nationalrat Philipp Matthias Bregy wollte im März in einer Interpellation Diverses zur Berner Konvention wissen. Gemäss Artikel 22 des völkerrechtlichen Vertrags könne jeder beitretende Staat einen oder mehrere Vorbehalte in Bezug auf bestimmte Arten machen, schrieb Bregy. Er wollte unter anderem wissen, welche Staaten Vorbehalte gegen den Wolf kennen und wie diese aussehen. Ausserdem interessierte ihn, welche Vorbehalte die Schweiz angebracht hat und ob weitere geplant sind.

14 Staaten hätten einen Vorbehalt zum Wolfsschutz nach Anhang II der streng geschützten Tierarten gemacht, antwortete der Bundesrat im Mai: Belarus, Bulgarien, Finnland, Georgien, Lettland, Litauen, Nordmazedo­nien, Polen, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, die Türkei und die Ukraine. «Ein solcher Vorbehalt bedeutet, dass diese Vertragsstaaten den Wolf in ihrem nationalen Recht nicht unter einen strengen Schutz stellen müssen», erklärt er. Bei ihrem Beitritt zur Berner Konvention im September 1980 habe die Schweiz keine Vorbehalte angebracht. «Zu jener Zeit lebten keine Wölfe in der Schweiz.»


Bregy wollte auch wissen, wie weit das Verfahren der Schweiz bezüglich der Zurückstufung des Wolfes von «streng geschützt» auf «geschützt» sei. Die Schweiz hatte am 16. August 2018 bei der Berner Konvention einen entsprechenden Antrag eingereicht. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention hatte im selben Herbst entschieden, die Beratung über den Antrag der Schweiz zu sistieren, bis eine neue europäische Bestandser­hebung des Wolfs vorliegt. Diese liegt mittlerweile vor. Damit lägen die Grundlagen für die Beratung des Antrags der Schweiz an einer der nächsten Sitzungen vor. Der Ausschuss tagt jeweils einmal jährlich im Spätherbst. 

Zeit bis zur Abschussbewilligung und Hybriden
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Der ehemalige Nationalrat Franz Ruppen (SVP/VS) reichte im März 2021 eine Interpellation mit dem Titel «Verantwortlichkeiten bei der Bewirtschaftung von Grossraubtieren» ein. Diese wurde mittlerweile abgeschrieben, weil Ruppen nach seiner Wahl zum Walliser Staatsrat aus dem Nationalrat ausschied.

Er wollte wissen, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) das Dossier Wolf, Bär, Luchs oder Goldschakal  mit der massiv steigenden Wolfspopulation weiterhin alleine bearbeiten könne? Und wie das Amt künftig die lange Karenzfrist vom Schadensfall bis zur Abschussbewilligung verkürzen wolle?


In der Stellungnahme des Bundesrates heisst es unter anderem, wenn die Unterlagen vollständig seien, benötige das Bafu für die Prüfung der Unterlagen und das Ausstellen der Zustimmung normalerweise «maximal zehn Arbeitstage». Diese Dauer sei vertretbar.

Immer wieder für Schlagzeilen sorgen auch angebliche Wolfs-hybriden. Hierzu reichte Franz Ruppen im vergangenen März eine Anfrage ein. Das Bafu habe in Aussicht gestellt, eine europäische Konferenz zur Analysemethode der DNA von Wölfen und zur Erkennung von Wolfs-Hund-Hybriden zu organisieren. Da in den verschiedenen europäischen Ländern unterschiedliche Analyseverfahren kommen, seiein Erfahrungsaustausch unter Experten gewinnbringend. Er wollte wissen, wie weit die Vorbereitungen vorangeschritten seien und wie die Teilnahme von staatlich unabhängigen Organisationen gewährleistet werde?

Der Bundesrat antwortete, das Bafu habe das private Labor in Hamburg (D), das seit einigen Jahren von wolfskritischen Kreisen eingesandte Proben genetisch analysiert, um einen Austausch angefragt. Eine Antwort stehe aus. Sollte eine Konferenz zustande kommen, werde das Bafu diese für alle interessierten Organisationen öffnen. 

Das ABC der Vorstösse

Motion: Damit wird dem Bundesrat der Auftrag erteilt, eine Massnahme zu treffen oder einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen. Einer Motion müssen beide Räte zustimmen.

Postulat: Es beauftragt den Bundesrat zu prüfen und zu berichten, ob eine Massnahme getroffen oder ein Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorgelegt werden soll. Das Postulat ist angenommen, wenn ihm der Rat, in dem es eingereicht wurde, zustimmt. Der Bundesrat erfüllt das Pos-tulat mit einem Bericht.

Interpellation: Damit wird vom Bundesrat Auskunft über Angelegenheiten des Bundes verlangt. Der Bundesrat antwortet in der Regel bis zur nächsten Session.  Das Ratsbüro kann sie aber als dringlich erklären, dann muss sie der Bundesrat in der gleichen Session beantworten. Der oder die Urheber(in) kann erklären, ob ihn oder sie die Antwort ganz, teilweise oder nicht befriedigt und eine Diskussion darüber verlangen.

Anfrage: Damit wird der Bundesrat aufgefordert, Auskunft über Angelegenheiten des Bundes zu geben. Der Bundesrat beantwortet sie schriftlich bis zur nächsten Session.

Fragestunde: Die Montagssitzungen des Nationalratesder zweiten und dritten Sessionswoche beginnen mit der Fragestunde. Dabei beantworten die Departementsvorsteher aktuelle, von Ratsmitgliedern zuvor eingereichte Fragen.

Parlamentarische Initiative: Gehört nicht zu den Vorstössen. Damit kann ein Ratsmitglied, eine Fraktion oder eine Kommission den Entwurf zu einem Erlass oder die Grundzügeeines solchen Erlasses vorschlagen.

Ist der Bundesrat besorgt?
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Nationalrätin Esther Friedli (SVP/SG) wollte am 15. September in der Fragestunde wissen:

Ist der Bundesrat über die starke Vermehrung der Schweizer Wolfspopulation nicht auch besorgt?


Ist er nicht auch der Meinung, dass der Wolf reguliert werden muss, damit die Alpen auch in Zukunft bestossen werden können?

«Der Bundesrat ist sich der raschen Zunahme des Wolfsbestandes in der Schweiz bewusst», so die Antwort. Nach dem Nein zur Revision des Jagdgesetzes bleibe das Bestehende weiterhin gültig. «Demgemäss bleibt eine Rudelregulation nach Zustimmung des Bundes möglich. Der präventive Abschuss ist hingegen nicht vorgesehen.»

Das Parlament hatte den Bundesrat diesen Februar mit einer zeitnahen Revision der Jagdverordnung beauftragt. Diese sei bereits per Mitte Juli 2021 in Kraft gesetzt worden. Damit sei der Herdenschutz gestärkt und zusätzliche Bundesmittel gesprochen worden. «Andererseits können die Kantone nun bei Konflikten mit der Nutztierhaltung rascher in die Wolfsbestände eingreifen.» 

Unterstützung für Älpler(innen)
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Der Berner SVP-Nationalrat und Bergbauer Erich von Siebenthal stellte im September in der Fragestunde verschiedene Fragen zum Wolf. Unter anderem beschäftigte ihn die frühzeitige Abalpung wegen Wolfspräsenz in verschiedenen Kantonen. Er wollte wissen: «Was gedenkt der Bundesrat kurzfristig zu tun, um zu gewährleisten, damit diese Alpen im nächsten Sommer wieder bestossen werden?» Von Siebenthal nannte Möglichkeiten wie:

- Regulierung der Wölfe

- Entschädigung der Alpenfür anfallende Kosten bis Ende Saison
- Verzichten auf Kürzung der Sömmerungsbeiträge
- Entschädigung sämtlicher Kosten für den Herdenschutz (inkl. Personalaufwand) 
- administrative Vereinfachung im Bereich Herdenschutz.

Der Bundesrat antwortete, er habe die Jagdverordnung im Auftrag der Räte bereits auf den Alpsommer 2021 hin angepasst. Zurzeit prüften die zuständigen Bundesstellen mit den betroffenen Kreisen, welche flankierenden Massnahmen im Landwirtschaftsrecht möglich seien.