Pro: Für Solidarität und Verantwortung
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Josef Gemperle ist Landwirt und Thurgauer CVP-Kantonsrat. (Bild Josef Gemperle)
Solidarität unter der Landbevölkerung weltweit ist längerfristig die einzig richtige und glaubwürdige Strategie. Dennoch äussert sich unser Schweizer Bauernverband (SBV) aus taktischen Gründen leider gegen die Konzernverantwortungs-Initiative, um sich mit Economiesuisse gut zu stellen.
Diesen Kuhhandel lehne ich aus Überzeugung kategorisch ab, obwohl ich die Arbeit des SBV und insbesondere jene von Markus Ritter sehr schätze. Warum?
- Wir Schweizer Landwirt(innen) leiden mit, wenn hier ansässige Konzerne bei uns längst verbotene Pestizide ins Ausland verkaufen, mit den Importen wiederum Pestizid-belastete Lebensmittel in die Schweiz gelangen und deren Rückstände via Nahrungskreislauf in unseren Gewässern nachgewiesen werden. Bereits ein kleinster Bruchteil solcher Rückstände der in diesen Schwellenländern verursachten Verunreinigungen führt hier bei uns zu entsprechenden Konsequenzen.
- Die Gegner schüren, wie so oft, wenn sie keine Argumente haben, mit dem Faktor Angst. Sie verbreiten leider Falschaussagen, indem sie behaupten, alle KMU seien betroffen. Nennt mir die KMU in euren Regionen, die betroffen sind! Das Gegenteil ist der Fall: Unsere anständig wirtschaftenden Gewerbler und Bauern leiden darunter, dass sie zahllose Standards einhalten müssen, während International tätige Konzerne sich davor drücken können und damit einen Konkurrenzvorteil haben.
- Freiwilligkeit, wie auf Druck des Ständerates und des Bundesrates mit dem Alibi-Gegenvorschlag vorgesehen, reicht leider nicht aus. Was mich besonders schmerzt: «Meine» Partei, die CVP spricht von einem «umsetzbaren Kompromiss». Davon kann schlicht nicht gesprochen werden, weil mit dem Alibi-Gegenvorschlag Menschenrechtsverletzungen ohne Konsequenzen bleiben. Wo bleiben Ethik und die Würde der Menschen? Immerhin sagt die CVP Thurgau Ja!
- Die Missachtung der Menschenrechte und die Zerstörung von Lebensgrundlagen in Entwicklungs- und Transitionsländern durch Konzerne mit Sitz in der Schweiz schaden dem Ansehen unseres Landes.
- Die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards beraubt die Menschen ihrer Zukunft und Würde. Dies dürfen wir unter keinen Umständen tolerieren.
Werte wie Solidarität und Verantwortung sind gerade für uns aus der Landwirtschaft wichtig, darum sagen wir Ja zur Konzernverantwortungs-Initiative am
29. November.
Text: Josef Gemperle
Kontra: Zu radikal und kaum umsetzbar
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Markus Ritter (links) ist Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV), Martin Rufer SBV-Direktor. (Bilder SBV)
Die Konzernverantwortungs-Initiative will Schweizer Unternehmen verpflichten, gegenüber dem Bund in einer Sorgfaltsprüfung die Einhaltung internationaler Menschenrechte und Umweltstandards darzulegen.
Diese Prüfung schliesst auch die Geschäftsbeziehungen im Ausland ein. Besteht ein Unternehmen die Sorgfaltsprüfung nicht, würde es gemäss Initiative für die im In- und Ausland verursachten Schäden seiner Aktivitäten haften und entsprechend durch den Bund sanktioniert. Brisant ist die damit verbundene Beweislastumkehr: Nicht wie üblich muss der Staat ein Vergehen beweisen, sondern das Unternehmen muss dem Staat beweisen, dass es nichts verbrochen hat.
Der Schutz der Umwelt und von Menschenrechten ist unbestritten wichtig. Daher ist im Grundsatz das Anliegen der Initianten nachvollziehbar. Aber die gesamte Wirtschaft inklusive ihrer Lieferketten einer menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltsprüfung zu unterziehen, wäre unverhältnismässig und mit erheblichen Umsetzungsproblemen verbunden. Die Umsetzung im Ausland und über die weitverzweigten Lieferketten ist schwierig bis unmöglich. Viele Unternehmen trügen ein unkalkulierbares Risiko, indem sie ständig mit einer Klage rechnen müssten. Zudem sind die Anforderungen nicht International koordiniert und würden daher den Wirtschaftsstandort Schweiz stark benachteiligen. Unternehmen, welche die Sorgfaltsprüfung nicht erfüllen können oder wollen, würden ins Ausland abwandern, wo sie ihre Geschäftspraxis ohne Weiteres fortsetzen könnten. Die Wirkung auf die Menschenrechtslage wäre damit gering, während die Schweizer Wirtschaft deutlich geschwächt würde.
Entgegen der Darstellung der Befürworter bezieht sich der Initiativtext nicht bloss auf multinationale Konzerne, sondern auf jegliche Unternehmen in der Schweiz. Dazu gehören auch die Landwirtschaftsbetriebe. Auch Partnerunternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor könnten aufgrund von Geschäftsbeziehungen mit Zulieferbetrieben im Ausland von Sanktionen betroffen sein.
Aus diesen Gründen hat das Parlament einen Gegenvorschlag beschlossen, der umsetzbar ist. Dieser setzt auf mehr Transparenz und eine vernünftige Regulierung. Die Landwirtschaftskammer des Schweizer Bauernverbands hat mit 63 zu 3 Stimmen beschlossen, diesem Gegenvorschlag des Parlaments den Vorzug zu geben und die Konzernverantwortungs-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Alle Unternehmen müssen mit ihren Geschäftstätigkeiten auch Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt übernehmen. Die Konzernverantwortungs-Initiative ist aber zu radikal und in der Praxis kaum umsetzbar.
Text: Markus Ritter, Martin Rufer
Das will die Initiative
Schon heute haften Unternehmen in der Schweiz für Schäden, die sie selber verursachen. Die KVI will Schweizer Unternehmen nun dazu zwingen, Menschenrechts- und Umweltstandards auch im Ausland einzuhalten. Die Gegenwart zeigt laut den Initianten, dass die Forderung aktueller denn je sei. Katastrophale Arbeitsbedingungen in Kleiderfabriken in Asien oder Osteuropa, Kinderarbeit bei der Kakaoproduktion in Westafrika oder tödliche Emissionen in Sambia gehörten zur Tagesordnung. Kern der KVI ist eine Sorgfaltsprüfungspflicht, die verhindern soll, dass es überhaupt zu Verstössen kommt. Konkret müssten die Unternehmen eine Risikoabschätzung und eine umfassende Berichterstattung vorlegen sowie Massnahmen zur Vermeidung und Beendigung allfälliger Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden treffen. Die neuen Vorschriften würden für alle Schweizer Unternehmen gelten. Weil die Sorgfaltsprüfungspflicht aber an spezifische Risiken geknüpft ist, wären vor allem multinationale Konzerne in der Pflicht.
Vorgesehen ist auch ein Kontrollmechanismus zur Durchsetzung der Sorgfaltsprüfungspflicht. Künftig sollen die Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland haften – auch für jene ihrer Tochterfirmen und wirtschaftlich abhängigen Zulieferer. Urteilen würden Schweizer Gerichte nach Schweizer Recht. Kann ein Unternehmen glaubhaft nachweisen, dass es die Sorgfaltsprüfung umfassend durchgeführt und alle nötigen Massnahmen getroffen hat, ist es von der Haftung befreit.
sda