Viele Kantone und auch die Amtsstellen hätten interveniert und Fragezeichen gesandt, der Grundtenor sei recht kritisch, sagt Roger Bisig, Generalsekretär der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (LDK). Schon bei der Bekanntgabe des neuen Verordnungspakets habe sich die LDK in einer Medienmitteilung kritisch geäussert, dass übers Ziel hinausgeschossen worden sei.
Gute Absicht, aber fragwürdig
Eigentlich sei es ja eine positive Absicht des Bundes gewesen, der Branche mit freiwilligen Massnahmen und finanziellen Anreizen Hilfestellung zu bieten, um die Ziele des Absenkpfades erreichen zu können. Und dies in einem definierten Zeitraum, bevor härtere Massnahmen wie Verbote verfügt würden. Aber die Art und Weise dieser neuen Massnahmen in der Verordnung sei schon sehr fragwürdig, so Bisig.
Fakt sei, dass die Verordnung vom Bundesrat beschlossen sei und die Kantone nun in der Pflicht seien, diese «irgendwie» umzusetzen. Die Amtsstellen müssten sich nun arrangieren und die Beschlüsse der Politik umsetzen, «aber das gibt Probleme», sagt Bisig.
Kantone und Amtsstellen sollen Druck machen
Im Vorfeld der für gestern Donnerstag anberaumten Kolas habe die LDK eine Umfrage bei den Kantonen gemacht, um die Probleme und das Ausmass zu erfahren. Fazit: Das Ausmass der Probleme sei sehr gross. Die Rückmeldungen liessen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum einen sind da vollzugstechnische Probleme: Vieles sei nicht zu Ende gedacht, sei zu einfach oder zu unklar. Dies sei wohl eine Frage der Interpretation der Verordnungen und könnte wohl mit entsprechenden Weisungen und genügend Spielraum gelöst werden.
Anderseits gebe es aber grundsätzliche Probleme, die sich nur mit einer Anpassung der Verordnung lösen liessen, findet Bisig. «Da muss was gehen.» Es werde sicher Druck geben von den Kantonen und Amtsstellen, die Verordnung möglichst bald anzupassen.
Verwirrung in Schwyz?
Wie eine Befragung der Kantone zeigt, bestehen unterschiedliche Interessen und Probleme. Im Kanton Schwyz ist vor allem beim RAUS-Weidebeitrag ein reges Interesse zu spüren. Total 245 der gut 1400 Schwyzer Betriebe haben die Tierkategorien A1 oder A2, also Kühe, angemeldet. Dabei sind die Anteile Milchkühe und andere Kühe rund je hälftig. Etwas überraschend hätten zudem auch 155 Betriebe die Kategorie A5, also weibliche Kälber bis 160 Tage, für den RAUS-Weidebeitrag angemeldet, so Armin Meyer, Leiter Abteilung Agrarmassnahmen. Er vermutet, dass einzelne Betriebsleiter der Überzeugung sind, dass diese Kategorie bei einer Anmeldung der Kühe auch für den RAUS-Weidebeitrag angemeldet werden müsste, obschon für die Kälber in diesem Fall nur das Standart-RAUS Pflicht sei. Um solche Unklarheiten aufzuklären, findet im Kanton Schwyz am 13. Oktober ein Infoanlass statt. Abmeldungen von Programmen seien ja auch zu diesem Zeitpunkt noch möglich.
Die bisherige Kommunikation verlief im Kanton Schwyz hauptsächlich online über das Agriportal und über die landwirtschaftlichen Medien. Betreff des neuen Programms seien auch aus Sicht des Landwirtschaftsamtes noch einige Fragen offen. Diese würden über die Kolas mit dem BLW am kommenden Treffen hoffentlich geklärt. So sei es für Betriebe im Berggebiet sehr anspruchsvoll, im Mai und im Oktober mindestens 70 Prozent des Tagesbedarfs an TS durch Weidefutter zu decken. Auch über den genauen Sachverhalt bei längeren Schlechtwetterperioden oder bei Betrieben mit Sömmerung seien noch Detailfragen offen.
Luzern: Unklarheiten mit Weidebeitrag und bodenschonende Bearbeitung
In Luzern wüssten inzwischen die meisten Bewirtschaftenden, dass Änderungen anstehen. Durch die Presse und diverse Infoveranstaltungen hätten nunmehr die meisten direkt oder indirekt davon erfahren. Dies im Unterschied zu Anfang August. Die Stimmung sei unterschiedlich und verständlicherweise abhängig davon, ob die neuen Massnahmen auf dem Betrieb umsetzbar seien oder eben nicht. In der Zwischenzeit seien zwar die meisten Vollzugsfragen geklärt. «Im Bereich ÖLN erwarten wir noch Präzisierungen», sagt Annatina Bühler, Fachbereichsleiterin Direktzahlungen, Kanton Luzern.
Gefragt nach den grössten Unklarheiten und Herausforderungen erklärt sie, dass viele Anfragen zum Weidebeitrag eingegangen seien. Einerseits sind die Anforderung mit 70 Prozent TS-Aufnahme auf der Weide hoch und somit für viele nicht arrondierte Betriebe keine Option. Weiter führt die Voraussetzung RAUS für alle Rindviehkategorien auf dem Betrieb dazu, dass einige Betriebe sich nicht beim Weidebeitrag anmelden können.
Aber auch bei der bodenschonenden Bearbeitung tauchten häufig Fragen auf. Oft in Zusammenhang mit dem 60-Prozent-Anteil, der Verpflichtungsdauer und der Verknüpfung mit dem Programm der angemessenen Bodenbedeckung.
Aargau: Optimierungspotenzial bezüglich Bodenschutz und vierjähriger Verpflichtungsdauer
Mit den Infoveranstaltungen hätten im Kanton Aargau weit mehr als die Hälfte der direktzahlungsberechtigten Landwirtinnen und Landwirte erreicht werden können. «Nach den Veranstaltungen haben sich zahlreiche Personen per E-Mail oder Telefon gemeldet und Fragen gestellt, auch am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Die Fragen waren sachlich, berechtigt und nachvollziehbar. Wir stellen fest, dass sich viele sehr intensiv mit den neuen Bestimmungen auseinandersetzen. Wir gehen jedoch davon aus, dass auch einige mit den zahlreichen Neuerungen und insbesondere mit den verschiedenen Verknüpfungen der Massnahmen überfordert sind. Es muss weiterhin in Beratung und Aufklärung investiert werden», bilanziert Daniel Müller, Sektionsleiter Direktzahlungen und Beiträge, Landwirtschaft Aargau, auf Anfrage.
Im Aargau ist man der Ansicht, dass bei einzelnen Massnahmen zu viel hineingepackt wurde. «Weniger wäre mehr«, sagt Müller. Insbesondere die Massnahmen bezüglich Bodenschutz mit je einer Verpflichtungsdauer von vier Jahren und dem Ansatz der Gesamtbetrieblichkeit könnten dazu führen, dass bodenschonende Anbauverfahren weniger angewendet werden als bisher. Diesbezüglich bestehe Optimierungspotenzial. Auch die Umsetzung der 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf der Ackerfläche erachte man im Kanton Aargau als unausgereift. «Zielführender für die Förderung der BFF im Ackerbaugebiet wäre, geeignete Massnahmen im Zusammenhang der Neuausrichtung der Vernetzungsbeiträge ab dem Jahr 2026 zu definieren. Eine Verschiebung ins Jahr 2026 wäre zu begrüssen.»
St. Gallen: An- und Abmeldungen bis und mit Strukturdatenerhebung 2023
Im St.-Gallischen scheint die Lage ruhig. «Die Augusterhebung verlief ruhiger als erwartet. Dennoch gab es einiges mehr an Fragen zu beantworten bezüglich der neuen Produktionssystembeiträge», so Albert Fässler, Landwirtschaftsamt St. Gallen. Dort sei im Ackerbau und in den Dauerkulturen der Hund im Detail begraben.
Auch vonseiten des Bundesamts für Landwirtschaft seien noch nicht alle Fragen aus der Praxis restlos geklärt. «Durch die Möglichkeit, An- und Abmeldungen von Programmen noch bis und mit der Strukturdatenerhebung 2023 zu melden, hat jeder Betriebsleiter Zeit, sich eingehender zu informieren und abzuschätzen, ob er sich anmelden will beziehungsweise kann», erklärt Fässler.
Zürich: Extenso ist jetzt Verzicht auf Pflanzenschutzmittel
Im Kanton Zürich war man bereits sehr aktiv. «Das Amt für Landwirtschaft und Natur (ALN) des Kantons Zürich und der Zürcher Bauernverband informierten die Landwirte vorgängig intensiv. Dennoch gab es einiges mehr an Anfragen als in den Vorjahren», weiss Jakob Weidmann, ALN Kanton Zürich. Aber auch zum jetzigen Zeitpunkt gebe es noch offene Fragen und Mails von Betrieben, die sich abmelden wollten oder für ein anderes Programm noch anmelden wollten. «Wir nehmen noch Anmeldungen entgegen, koordinieren dies aber mit den Kantonen, die im Agricola-Verbund zusammengeschlossen sind.
RAUS- oder Weidebeitrag ist ein Thema, aber auch das Programm «Verzicht auf Pflanzenschutzmittel». Vielen war nicht bewusst, dass dies das Äquivalent zum früheren Extenso-Programm ist», so Weidmann. Betrieben, die bisher Extenso gemacht hätten, sei nicht bewusst gewesen, dass sie damit weiterfahren könnten einfach unter «Verzicht auf Pflanzenschutzmittel». Da gebe es jetzt mehr Nachmeldungen.
Bern: Gefragte Hotline
Im Agrarkanton Bern schloss am Mittwoch dieser Woche das Erhebungsfenster. «Wir stellen fest, dass die Hotline der Abteilung Direktzahlungen mit sehr vielen Fragen konfrontiert ist, die aber sachlich gestellt werden. Ansonsten verläuft die Herbsterhebung laut unseren Mitarbeiterinnen in einem ähnlichen Rahmen wie in den Vorjahren», sagt Stefan Schönenberger, Leiter Abteilung Direktzahlungen beim Amt für Landwirtschaft und Natur. Das Interesse an den neuen Programmen sei indes gross. Eine erste Beurteilung könne aber erst nach Abschluss der Erhebung und nach einer ersten Analyse in ein paar Wochen gemacht werden.
Von möglichem Frust oder Unsicherheit sei nichts zu spüren. «Wir stellen fest, dass die Bewirtschafter der betroffenen Betriebe, welche sich mit Fragen an die Hotline wenden, bereits sehr gut vorinformiert sind und sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben», bilanziert Schönenberger. Auch die Rückmeldungen der Erhebungsstellen würden sich im üblichen Rahmen bewegen. «Unsere Mitarbeitenden stellen im Vergleich zu den Vorjahren keine signifikanten Unterschiede fest.»
