«Im Frühling fuhren wir mit den Traktoren nach Bern, heute kamen wir mit dem öffentlichen Verkehr, den Glocken und Treicheln», sagte Urs Haslebacher, Landwirt aus Lohnstorf BE und Mitorganisator der Demonstration, die am Dienstag, dem 3. Dezember, vor dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) stattfand.

Es reisten Bauernfamilien aus der ganzen Schweiz an – Berner, Freiburger, Waadtländer, Jurassier, Walliser und Zürcher, alle mit ihren jeweiligen Kantonsfahnen. Sie trugen Transparente und Banner, darauf standen Parolen wie «Bauern begehen keinen Suizid – sie werden vom Staat getötet». Adressiert werden die Staatsbehörden. Eine Gruppe aus der Westschweiz trug eine Bauernpuppe im Sarg symbolisch zu Grabe. Eine Landwirtin und ein Landwirt spielten Pingpong – der Spielball steht symbolisch für den Landwirt, die Spieler tragen Aufschriften mit «Coop» und «BLW».

Vier Forderungen

Neben dem Gebäude des BLW, auf einer Wiese, stellten die Teilnehmenden eine «Erinnerungstanne» auf, darauf nagelten sie vier Holzbretter. Auf diesen standen die Forderungen der Demonstranten:[IMG 2]

  1. Mehr Wertschätzung
  2. Weniger Bürokratie
  3. Mehr Stabilität
  4. Faire Preise

Laut Veranstalter Urs Haslebacher fuhren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer hierher, um nochmals auf diese Forderungen aufmerksam zu machen, die man bereits im Frühjahr gestellt hatte.

«Es ist schwierig, mit den Grossverteilern zu diskutieren.»

Urs Haslebacher, Landwirt aus Lohnstorf im Kanton Bern

Aufheben und abschaffen

Zahlreiche Landwirte äussern an der Veranstaltung ihren Unmut, wie zum Beispiel auch Jürg Haas, Landwirt aus Messen SO. Haas kritisiert unter anderem die Praxis bei den Sonderbewilligungen: «Wenn ein Pflanzenschutzmittel bewilligt ist, braucht es auch keine Sonderbewilligung dafür.» Es könne folglich nicht sein, dass ein Landwirt bis am Montag auf eine Bewilligung warten müsse, wenn er am Samstag behandeln sollte.

Die Lenkungsabgaben bezeichnet Haas als «Keil». Sie dienten einzig der Spaltung der Landwirtinnen und Landwirte, nämlich in solche, die produzieren, und solche, die von ihr profitieren wollten. Konkret fordert Haas vom BLW, sämtliche produktions-mindernden Auflagen sofort aufzuheben, die Sonderbewilligungen abzuschaffen und die Aufzeichnungen auf ein Suisse-Bilanz-konformes Minimum zu reduzieren.

«Das BLW unterstützt euch»

«Ich kann euren Unmut nachvollziehen», sagte Christian Hofer, Direktor des BLW, zu den anwesenden Demonstrierenden.

Hofer verwies in seiner Rede auf das schwierige Anbaujahr und das Spannungsfeld der gesellschaftlichen Erwartungen: «Die Bevölkerung möchte Ökologie, Tierwohl und gleichzeitig sollt ihr so arbeiten, dass ihr ein genügendes Einkommen erwirtschaftet.»

Täglich engagiere sich das BLW für die Landwirtschaft: «Wir unterstützen euch in der Ursprungsbezeichnung, unsere Mitarbeitenden schauen, dass der Grenzschutz funktioniert.» Zusammen mit den Direktzahlungen kann man laut Hofer so eine Landwirtschaft in der Schweiz betreiben, die den Anforderungen der Gesellschaft entspreche.

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Von vier auf acht Jahre

In seiner Rede geht Christian Hofer auch auf die vier Forderungen der Bauernschaft ein. Die Reduktion des administrativen Aufwands habe für das BLW eine hohe Priorität. In diesem Sinne habe das BLW auf zusätzliche Anforderungen beim ÖLN und auf eine Verschärfung beim Gewässerschutz in der AP 22+ bereits verzichtet, und dies, wie Hofer erklärte, obwohl die Massnahmen vom Bundesrat beschlossen waren. Anfang November habe man zudem Vereinfachungen im Bereich der Ökologie festgelegt.

Bei den Regulierungen arbeite das BLW daran, die Stabilität zu erhöhen. «Wir wollen vom Vier-Jahres-Rhythmus weg und hin zu einem Acht-Jahres-Rhythmus», sagte Christian Hofer.

Grenzschutz und Vereinfachung

«Es ist schwierig, zu den Grossverteilern zu gehen und bessere Preise einzufordern. Gerade darum brauchen wir unbedingt einen guten Grenzschutz», sagte Urs Haslebacher später in einem direkten Gespräch mit der BauernZeitung. Hauptsächlich sei man wegen des Grenzschutzes und der administrativen Vereinfachung vor das BLW gekommen. Grundsätzlich würden die Landwirte nämlich lieber von direkten Preisen statt von den Direktzahlungen leben.

Die zunehmende Extensivierung sieht Haslebacher kritisch. So verdiene er zum Beispiel mehr Geld mit extensiv angebautem Futtergetreide als mit intensivem Anbau. Den Nutzen für die Biodiversität von Ersterem bezweifle er jedoch. Stattdessen fände er es sinnvoller, auf einer Teilfläche richtig guten intensiven Weizen anzubauen und auf einer anderen Teilfläche richtig gute Biodiversität zu fördern. Von den Behörden erwarte er, dass sie den Import stärker regulieren – gerade bei Nahrungsmitteln, die mit Pflanzenschutzmitteln erzeugt wurden, die in der Schweiz nicht zugelassen sind.

Daneben erwartet Haslebacher auch von der Politik, dass sie sich für eine klare Deklaration der Lebensmittel einsetzt. Es könne nicht sein, dass man eine Verpackung drei- bis viermal drehen müsse, bis man erfahre, woher das Produkt stamme.

Initiativen führten zu Gesetzen

«Das Parlament hat vor drei Jahren neue Gesetzesbeschlüsse wie den Absenkpfad Pflanzenschutz gefasst. Dies, gerade auch, weil die Landwirtschaft Angst vor den Pflanzenschutz-Initiativen hatte», so Christian Hofer. Das BLW setze diese Beschlüsse nun um, kombiniert mit der Stabilität und administrativen Vereinfachung, auf die man hinarbeite.

Beim Grenzschutz muss man laut Hofer sorgfältig vorgehen. Die Schweiz sei diesbezüglich in internationale Abkommen eingebunden. Erhöhe man an einem Ort den Grenzschutz, müsse man in der Regel an einer anderen Stelle wieder herunterfahren. Auch sei damit zu rechnen, dass die verarbeitende Industrie bei einer Grenzschutzerhöhung die Preise anhebe oder auch ins Ausland abwandere.


Warum sind Sie hier an der Demonstration vor dem BLW in Bern?

Sollen wir in der nächsten Krise lieber Papier essen?
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Brigitte Wyttenbach, Heimenschwand BE

Ich erwarte, dass es diejenigen aufrüttelt, die für die Umsetzung der Gesetzgebung verantwortlich sind. Ich will ihnen zeigen, dass es so, wie es im Moment ist, für uns nicht stimmt. Insbesondere der Bürokratieaufwand ist enorm – dieser macht uns das Leben unnötig schwer. Kürzlich hat mir eine Kontrolleurin gesagt, sie rate jungen Bauern, eine Frau mit kaufmännischer Ausbildung zu suchen. Am liebsten hätte ich gesagt, dass sie in dem Fall bald nur noch Papier essen kann. Ich habe mich aber zurückgehalten, weil es in diesem Fall einfach gescheiter war.

Uns fehlen die konkreten Vorschläge
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Arnaud Rochat, Bavois VD

Es ist zwar schön, dass wir am Dienstag so zahlreich erschienen sind, aber wir wissen alle, dass wir auch Besseres zu tun hätten. Es kann nicht sein, dass wir Landwirte und Landwirtinnen uns alle paar Monate versammeln müssen, um unseren Unmut kundzutun. Es muss endlich etwas gehen – in der Politik sowie in der Verwaltung. Ich war vor Ort, weil wir bei der Bilanzierung der seit diesem Frühjahr erzielten Verbesserungen feststellten, dass sich nichts geändert hat. Es wurden keine konkreten Vorschläge eingebracht und keine Entscheidungen getroffen.

Das Einkommen sinkt, die Kosten steigen
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Elisabeth Frauenfelder, Maur ZH

Es gibt einen Teil der Bürokratie, den empfinden wir als reine Schikane und als Zeichen von fehlendem Vertrauen seitens des BLW. Das Einkommen stimmt nicht mehr, die Kosten steigen – wenn das so weitergeht, sind wir irgendwann auf null. Etwas zu verdienen oder zu investieren, um einen Betriebszweig zu optimieren, wird immer zäher. Wie können wir da junge Menschen motivieren, in diesen Beruf einzusteigen, der einen so hohen, oft zermürbenden Einsatz fordert? Ich erhoffe mir, dass wir ernst genommen werden, man uns zuhört und auch entsprechend handelt.

Wütender die Glocken nie klingen
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Kommentar von Sera Hostettler

An der Demo in Bern haben die bäuerlichen Organisatoren die warmen Wanderschuhe aus der Landi mit den schicken Business-Schnürern aus dem Büro zusammengebracht. Obwohl die Reden in unterschiedliche Richtungen zielten, wurde mindestens eine ihrer Absichten erreicht: Zusammenkommen, zusammen sprechen.

Nun haben beide Seiten, wie es sich hierzulande gehört, ihre Meinung zum Thema Inlandproduktion, Arbeitseffizienz und Bürokratie ausdrücken können. Aber während das Glockengeläut stets lauter wurde, zogen die Vertreter des BLW ihre Schultern immer höher. Es stellt sich die Frage, ob die Anliegen an den richtigen Adressaten gelangten. Medienwirksam war der Auftritt allemal – und er war friedlich, aber bestimmt. Es flogen keine Eier durch die kalte Luft und es wurde niemand ausgebuht. Bei Zustimmung wurden die Treicheln laut, es wurde getrunken und gejohlt – bei Widerspruch war es totenstill.

Mitten in der Masse von Bauern an der Demonstration konnte man schnell vergessen, dass es eine Aussenwelt gibt, die zunehmend ihr Verständnis gegenüber der Landwirtschaft verliert oder bereits gänzlich verloren hat.

Die Bauern sind teils zum Reizthema geworden, die Direktzahlungen zum allgemeinen Vorwurf an die Landwirtschaft. Das sind oftmals undifferenzierte Anschuldigungen. Aber die Bauernschaft, die nur noch 3 % der Schweizer Bevölkerung ausmacht, trägt eine grosse Verantwortung, die der Staat im Auftrag des Volkes kontrollieren muss – und die Bauern reagieren zunehmend empfindlich darauf, was von aussen teilweise als Sturheit oder gar als Arbeitsverweigerung missinterpretiert wird. Mit dieser Nebenwirkung muss man wohl oder übel leben, wenn die Betonung auf dem Negativen ruht. s.hostettler@bauernzeitung.ch