Foodwaste ist seit Jahren ein leidiges Thema: Zu gross, zu krumm, zu angeschlagen. Solches Obst und Gemüse kauft niemand – ausser in medienträchtigen Facebook-Aktionen, wo Landwirte verhageltes, zu grosses Obst und Gemüse zu Billigstpreisen feilbieten.
Ein Ärgernis und Dauerbrenner
Im Normalfall will der Privathaushalt qualitativ hochstehendes, frisches Obst und Gemüse, das möglichst lange haltbar ist. Das ist nicht immer gewährleistet. Und so kommt es vor, dass Gemüse im Kühlschrank verrottet und schliesslich im Abfall landet. Das ist im Fachjargon Foodwaste und ist für Politiker(innen) aller Couleur ein Ärgernis. Das betonten Gabi Müller (parteilos), Manuel Strupler (SVP), Kurt Egger (Grüne) sowie Andreas Allenspach von Rathgeb Bio. Eingeladen zum Foodwaste-Podium hatte die Kommission Zukunft Landwirtschaft des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL).
Zu wenig Wertschätzung für die Lebensmittel
Für Manuel Strupler, SVP-Nationalrat und Co-Vizepräsident des VTL, ist eines der Probleme die starke Veränderung der Lebensart: «Lebensmittel werden zu wenig wertgeschätzt, da sie zu günstig sind.» Gabi Müller, Gemeindepräsidentin von Rapperswilen, stimmte ihm zu und nannte ein Beispiel aus ihrer Kindheit: «Bei uns gab es oft Resten zum Essen. Man ass, was man sich leisten konnte – und das war nicht viel.» Die Lokalpolitikerin zeigte sich erschüttert, wie wenig Bezug die Bevölkerung in den Städten heute zur Landwirtschaft hat. Sie würde es begrüssen, wenn das Thema Ernährung schon in der Schule thematisiert würde. «Früher gab es Schulgärten. Ich fand das etwas sehr Sinnvolles.»
Grüne-Nationalrat Kurt Egger ist der Meinung, dass man Produzenten und Konsumenten näher zusammenbringen muss, um mehr Wertschätzung für Lebensmittel zu erzielen. «Zum Beispiel über Wochenmärkte oder Hofläden.» Für Gabi Müller ist dies Wunschdenken.
«Eine lokale Versorgung der Bevölkerung ist illusorisch.»
Gabi Müller, Gemeindepräsidentin von Rapperswilen TG
Man brauche den Handel und die Grossverteiler, hob Andreas Allenspach hervor. Manuel Strupler würde sich mehr Verständnis bei den Einkäufern – «besser bei den Leuten der Nachhaltigkeitsabteilung» – wünschen. Damit kamen die Podiumsteilnehmer auf einen gemeinsamen Nenner, nämlich dass Foodwaste alle Partner entlang der Wertschöpfungskette betrifft.
Nicht Genormtes bleibt im Regal liegen
Doch wo könnte man ansetzen? Gabi Müller meinte, wenn es Verkaufsstellen gäbe, die nur nicht genormtes Gemüse und Früchte verkauften, würden die Konsumenten automatisch diese Produkte auch kaufen. «Weit gefehlt», hielt Andreas Allenspach dagegen und berichtete aus seiner früheren Tätigkeit bei Coop.
Dort wechselte man in zehn Filialen im Raum Zürich fünf Produkte aus – Kabis, Karotten, Kartoffeln, Äpfel und Birnen –, die grösser und missförmiger waren oder leichten Schorf hatten. Während drei Wochen wurde bei diesen Produkten nur das zweitklassige Gemüse angeboten. Die Umsätze gingen in dieser Zeit um 30 Prozent zurück. «Die Konsumenten haben die Produkte einfach nicht mehr gekauft», berichtete Allenspach. Eine Substitution fand ebenfalls nicht statt. Insgesamt ging während dieser Zeit der Gesamtumsatz bei allen Früchten und Gemüse um 4 Prozent zurück. Danach dauerte es sechs Wochen, bis man wieder auf dem Umsatz vor der Aktion war.
Krumme Rüebli und zerbrochene Spaghettis in Kantinen
Kurt Egger brachte ein: «Zweitklass-Ware könnte man doch in öffentlichen Verpflegungsstätten wie Altersheimen oder Schulkantinen verwerten.» Eine gute Idee, fand Moderatorin Katharina Serafimova. Doch auch hier stellte sich die Frage der Praxistauglichkeit. Mensas werden heute meist mit bereits vorgekochten Produkten versorgt. Und für eine höhere Schlagkraft hat man lieber gerade Kartoffeln und Karotten als krummes Gemüse.
Einig waren sich die Podiumsteilnehmer darin, dass man mit dem Prinzip Freiwilligkeit nicht zum Ziel kommt. «Aber Gesetze sind sicher nicht das richtige Rezept, um Foodwaste zu reduzieren», wandte Gabi Müller ein. Manuel Strupler glaubt, dass es beim Konsumenten ein grundlegendes Umdenken braucht.
«Wenn verstanden wird, dass optisch schlechtere Produkte gleich viel Wert sind wie genormte, können wir den nächsten Schritt machen.»
Manuel Strupler, SVP-Nationalrat
Für Andreas Allenspach sind Kartoffeln ein gutes Beispiel, dass dies gelingen kann. «Bei den Kartoffeln können wir alles vermarkten: Von den Babykartoffeln im Hochpreis-Segment bis zu jenen mit leichtem Schorfbefall in der Niedrigpreis-Linie.» Es besteht also Hoffnung auf ein Umdenken, doch der Weg dorthin ist noch weit.


