«Wenn der Sohn gehen muss», titelte der Regionalbund Nordwestschweiz, Bern und Freiburg der BauernZeitung a. 2. August 2019 auf seiner Aufschlagseite. Worum ging es? Ein Landwirt, der den Betrieb seiner Eltern gepachtet hat, muss diesen bis Ende September räumen. So schreibt es das Obergericht vor. Im Dezember 2018 endete der Pachtvertrag nach Erstreckung. Eine Verlängerung oder einen Verkauf an die nächste Generation soll es nicht geben. Der Grund ist ein schwerwiegender familieninterner Konflikt, der seit gut 15 Jahren andauert, aber seinen Ursprung wohl noch viel früher hat. Im Vorfeld an das Schreiben des Obergerichts sind auf rechtlicher, wie auch auf menschlicher Ebene zahlreiche Dinge geschehen.
Eltern sagen nichts
Der aktive Landwirt Thomas Neuhaus wünscht sich, mit seiner Familie den Betrieb in die Zukunft führen zu können. Die Eltern, die zwar mit der BauernZeitung sprachen, aber nicht möchten, dass darüber berichtet wird, wollen das nicht und wollen auch öffentlich nicht über die Gründe sprechen.
Auch wenn der Konflikt in erster Linie zwischen Vater und Sohn herrscht, sind da weitere Personen im Spiel. Unter ihnen eine Person der Öffentlichkeit: der Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus, Thomas Neuhaus' Bruder.
Frage nach der Rolle
Die verfahrene Situation wirft unweigerlich die Frage nach der Rolle des Politikers im Ganzen auf. Der Wortgewandte, dessen grosse Kompetenz doch eigentlich ist, auf die Leute zuzugehen und die Dinge anzusprechen. So jedenfalls gibt er sich. Warum gelingt es Neuhaus nicht, hier zu schlichten? Welche beruflichen und privaten Bemühungen hat er angestellt? Um das zu erfahren hat die BauernZeitung Christoph Neuhaus am Dienstag getroffen und mit ihm gesprochen.
Mehr als genug
Der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektor sitzt am Tisch seines Büros in Bern. Er wirkt gelassen, aber auch ein wenig erschöpft. «In Ihrem Artikel ist etwas falsch», sagt er, «es sind nicht neun, sondern zehn Hektaren und 24 Aren», sagt Neuhaus. Seinen Ausführungen entnimmt man, dass er von der schwierigen Situation, die auf seinem elterlichen Betrieb herrscht, eigentlich mehr als genug hätte. «Es ist eine traurige Familiengeschichte», sagt er. Eine, in der er derzeit keinen hilfestellenden Lösungsansatz mehr sieht. Auf der einen Seite sei der schwerwiegende Konflikt zwischen Vater und Bruder, der jeglichem Anstand zwischen den Beteiligten entbehrt. Andererseits hätten vor wenigen Jahren Verkaufsgespräche zwischen den Parteien stattgefunden. Sie hätten aber zu keiner Einigung geführt. «Mein Bruder wollte den Betrieb um die Schulden übernehmen, mein Vater wollte und konnte ihn nicht um diesen Betrag geben», erinnert sich Neuhaus. Die Differenz dieser beiden Zahlen betrug damals 173 000 Franken.
2015 folgte ein Rechtsstreit
Heute scheint ein Kauf ausgeschlossen. «Mein Bruder hat 2015 gegen meine Eltern einen Rechtsstreit begonnen, dann habe ich mich verabschiedet aus der Sache», erinnert sich der Regierungsrat. Im Vorfeld hätten auf Stufe Statthalter, Gemeinde und Mediator sechs Schlichtungsversuche stattgefunden. «Alle erfolglos», so Christoph Neuhaus. «Ich musste mich aus beruflichen Gründen da rausnehmen, und ich muss auch ergänzen, dass ich nicht nur musste, sondern auch wollte», sagt er.
«Reformierte Grundhaltung»
«Der Prozess, den mein Bruder gegen meine Eltern führte, hat das Tischtuch zerschnitten», erklärt er und ist sicher, dass die Eltern nicht einordnen können, «dass man sie vor Gericht zog.» Dahinter sieht er eine Art «reformierte Grundhaltung» oder anders gesagt: «Das macht man einfach nicht. Was denken auch die Nachbarn, oder alle anderen, wenn sie erfahren, dass bei uns so etwas passiert.»
Christoph Neuhaus spricht von Scham. Auch er schämt sich für das, was da auf dem Hof, den er 1991 verliess, passiert. «Um sicherzustellen, dass ich beruflich nicht in die Sache reingezogen werde, habe ich mein Kader informiert, auch wenn ich mich dabei sehr geschämt habe», erklärt er.
Keine Möglichkeit mehr
«Was würden Sie denn an meiner Stelle tun», fragt der Regierungsrat die Schreibende. Seit dem Artikel in der BauernZeitung von vergangener Woche habe man ihn vereinzelt beschimpft. Damit habe er im Grundsatz kein Problem, das passiere in seiner Funktion immer mal wieder. «Aber ich sehe einfach keine Möglichkeit mehr für eine einvernehmliche Lösung.» Die Demütigungen, die in seinen Augen auch zu grosser Verbitterung beider Seiten geführt hätten, seien zu gross.
Kein Einzelfall
Christoph Neuhaus weiss, dass seine Familie kein Einzelfall ist. Er hat in seiner Funktion als Regierungsrat einige Beispiele erlebt, deren Grundlage eine Familientragik ist. «Was mir persönlich am meisten Mühe bereitete am Artikel in der BauernZeitung, ist, dass mein Bruder sich mit Verdingkindern vergleicht», ergänzt Neuhaus. «Allen schlechten Gefühlen zum Trotz ist so ein Vergleich nicht zulässig für mich.» In diesem traurigen Kapitel der Schweiz hätten sich Geschichten ereignet, die zu Schicksalen führten, die nicht mit einem Generationenstreit zu vergleichen seien, schliesst der Regierungsrat.