Mit der AP 2030 kommt ein wenig bekannter Begriff auf das agrarpolitische Parkett in der Schweiz: Lenkungsabgaben. Die BauernZeitung erklärt, worum es dabei geht und was sie der Landwirtschaft überhaupt bringen sollen.
Die Grundidee von Lenkungsabgaben besteht darin, bisher von der Allgemeinheit getragene Umweltkosten in die Preise (potenziell) schädlicher Produkte zu integrieren. Diese würden im Vergleich zu anderen dadurch teurer und weniger attraktiv, was die erhoffte Lenkungswirkung bringen soll. Wichtig: Die Einnahmen aus der Abgabe fliessen in die betroffene Branche zurück und nicht zum Beispiel in die Bundeskasse.
Nicht in die Bundeskasse
Kürzlich hat der «Schweizer Bauer» Gerüchte aus dem Bundeshaus aufgenommen über die Gespräche in der Begleitgruppe der AP 2030 zu diesem Thema – Lenkungsabgaben scheinen ein Reizwort zu sein. Ist das angebracht?
«Lenkungsabgaben sollen das Verhalten der Bevölkerung und der Wirtschaft in eine gewünschte Richtung lenken», fasst die Website Easyvote zusammen. Die CO2-Abgabe (siehe Kasten) sei als Lenkungsabgabe keine allgemeine Steuer und funktioniere nach dem Verursacherprinzip, schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu): «Es zahlt, wer der Umwelt potenziell schadet. Wer dies nicht tut, profitiert.» Hausbesitzer mit einer Wärmepumpen-Heizung beispielsweise kommen ebenso in den Genuss der rückvergüteten Fr. 64.20.– pro Jahr aus der CO2-Abgabe, ohne aber die von dieser Abgabe verursachten Mehrkosten auf Heizöl berappen zu müssen. Hinzu kommen Fördergelder für den Einbau umweltfreundlicherer Heizungssysteme (Gebäudeprogramm), die als Teil der Rückvergütung ebenfalls zur CO2-Abgabe gehören.
«Mehrkosten grösstenteils aufgewogen.»
Robert Finger, ETH, über Rückvergütungen aus Lenkungsabgaben.
Beispiel CO2-Abgabe: seit 2008 in Kraft
[IMG 3]Ein bekanntes Beispiel einer Lenkungsabgabe ist die CO2-Abgabe auf Heizöl oder Erdgas, die laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) den sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoffen fördern soll. Sie wird bereits seit 2008 erhoben: Wer Heizöl oder Erdgas kauft, zahlt 120 Franken pro bei der Verbrennung freigesetzter Tonne CO2. Im Gegensatz zu einer Steuer – etwa der Mineralölsteuer – fliesst bei der CO2-Abgabe Geld an die Bevölkerung zurück, und zwar via Krankenkassenprämien. So erhält gemäss Bafu jede Schweizerin und jeder Schweizer dieses Jahr Fr. 64.20 rückvergütet. Ein weiterer Teil der Einnahmen aus der CO2-Abgabe dient der Finanzierung des Gebäudeprogramms für energetische Sanierungen und erneuerbare Heizungen. Im Fall der Mineralölsteuer als Gegenbeispiel werden die Einnahmen für den Strassenunterhalt eingesetzt oder kommen der Bundeskasse zugute.
Eine fiktive Lenkungsabgabe auf Pflanzenschutzmittel
[IMG 2]Das biologische Mittel Novodor zur Bekämpfung von Kartoffelkäfern ist heute deutlich teurer als Produkte mit dem ebenfalls biologischen Wirkstoff Spinosad, der von Agroscope als hoch bienengefährlich eingestuft worden ist. Eine Lenkungsabgabe auf risikoreiche Mittel würde Spinosad verteuern, dessen Einsatz weniger attraktiv machen. Die entsprechenden Produkte blieben aber im Gegensatz zu einem Verbot weiterhin verfügbar.
Die Einnahmen aus der Lenkungsabgabe aus spinosadhaltigen Produkten müssten der Landwirtschaft rückvergütet werden. Dies könnte zum Beispiel über die Förderung besserer Spritztechnik oder schonender Anbauverfahren geschehen. Wer darauf setzt und auf Spinosad verzichtet, würde die abgabenbedingten Mehrkosten einsparen und von der Rückvergütung profitieren. Dies analog zur CO2-Abgabe, die zum Teil zur Finanzierung des Gebäudeprogramms für energetische Sanierungen eingesetzt wird (siehe Haupttext). Das Ziel müsste sein, die Alternativen zu Spinosad nicht nur attraktiver zu machen, sondern damit verbundene Mehrkosten und Risiken auszugleichen.
Auch zur Vereinfachung
Die Idee, in der Landwirtschaft mit Abgaben zu lenken, ist ein zentraler Teil der AP 2030 und nicht erst seit Kurzem in Diskussion. Im Bericht des Bundesrats zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik ist etwa die Rede von Lenkungsabgaben auf gehandeltem Futtermittel. Dies als mögliche Massnahme zur Verbesserung von Ressourceneffizienz und Standortanpassung. Auch zur Vereinfachung des agrarpolitischen Instrumentariums sollen gemäss Bundesrat Lenkungsabgaben beitragen. Er will die Agrarpolitik künftig generell in diese Richtung statt mit mehr finanziellen Anreizen entwickeln.
Die Haltung des Schweizer Bauernverbands (SBV) ist zu den bisher im Rahmen der AP 2030 vom Bundesrat vorgeschlagenen Lenkungsabgaben klar ablehnend. Sie würden die Produktion verteuern, so das Argument. In einer Umfrage des SBV bei knapp 4000 Betrieblseiter(innen) Ende 2023 zeigte sich die Skepsis auch an der Basis: 73 Prozent der Befragten wären demnach mit der Einführung von Lenkungsabgaben zur Förderung der nachhaltigen Produktion eher nicht oder klar nicht einverstanden.
Beim Konsum ansetzen
Wie genau Lenkungsabgaben dereinst in der AP 2030 ausgestaltet werden, ist allerdings noch völlig unklar. Zumal sie im Sinne einer ganzheitlichen Landwirtschafts- und Ernährungsstrategie auch auf Konsumebene denkbar wären. Die Agrarallianz beispielsweise sieht Lenkungsabgaben als Möglichkeit, Umwelt- und Sozialkosten in Lebensmittelpreisen zu berücksichtigen. Das wäre ein Beitrag zur Kostenwahrheit, die auch der Bundesrat anstrebt.
Ein Forschergremium des Sustainable Development Solutions Network Switzerland (SDSN) hat den Ball 2023 im Leitfaden «Wege in die Ernährungszukunft der Schweiz» aufgenommen. Auch darin werden Lenkungsabgaben mehrfach genannt, ebenfalls in Form einer CO2-Abgabe auf Lebensmittel. Eine solche habe eine «direkte Lenkungswirkung auf das Konsumverhalten» und könne «den Konsum klimaschädlicher und ungesunder Lebensmittel merklich reduzieren», so das 40-köpfige Forscherteam.
Die Zeit von 2023 bis ungefähr Mitte 2026 ist vom Bundesrat für die Konzeption der AP 2030 vorgesehen, die Vernehmlassungsvorlage soll im Herbst 2026 erscheinen. Bis dahin finden Beratungsgespräche in der eingangs erwähnten, breit aufgestellten Begleitgruppe statt. Darin reden Verbände, Detailhandel, Umwelt- und Tierschutz sowie Kantone und Bundesämter mit. Wer oder welche Organisation in den Diskussionen welchen Standpunkt vertritt, darüber haben alle Beteiligten Stillschweigen vereinbart.
Verluste begrenzen
Das Anliegen einer besseren wirtschaftlichen Perspektive in der Landwirtschaft ist vom Bundesrat in seinem Zukunftsbild 2050 als Ziel der AP 2030 gesetzt. Lenkungsabgaben laufen einem besseren Einkommen auf den ersten Blick zuwider, da sie gewisse Produktionsmittel verteuern. Hier kommt die Rückvergütung ins Spiel, die zu jeder Lenkungsabgabe gehört. «Erlöse aus einer Abgabe sollen zurück zu den Landwirten fliessen, um Einkommensverluste zu begrenzen», hält ein Forscherteam um Robert Finger von der ETH Zürich 2017 in einer Studie fest. Darin analysierte man verschiedene, international bereits umgesetzte Systeme mit Lenkungsabgaben auf Pflanzenschutzmittel (PSM).
Nicht als alleinige Massnahme
Die Rückvergütungen sollten sich auf Ansätze konzentrieren, die den PSM-Einsatz weiter reduzieren – nicht aber die Produktionsmengen, schreiben die Studienautoren. So liesse sich eine Hebelwirkung erzielen, ohne negative Effekte durch höhere Importe ins Ausland zu verlagern. Als besonders aussichtsreich bezeichnen die Forschenden ein System, in dem nur sehr risikoreiche Produkte verteuert werden, diese aber deutlich. «Einkommenseffekte bleiben im Mittel gering», fasst Robert Finger in einem Blog-Eintrag zusammen. Da nur sehr risikoreiche Produkte stark besteuert würden, die meisten PSM aber nur geringfügig, sei keine grosse Abgabenlast zu erwarten. «Der Nachteil der Mehrkosten bei den Landwirten wird durch die Rückvergütung zu grossen Teilen aufgewogen», so Finger. Er betont aber auch, Lenkungsabgaben könnten lediglich andere Massnahmen ergänzen. Als alleiniges Instrument machten sie wenig Sinn.
Die Einbettung einer möglichen Lenkungsabgabe – auf welche Produkte auch immer – muss die AP 2030 leisten. Ebenso wird sie die Details der Ausgestaltung und Umsetzung festlegen, mit dem Inkrafttreten in knapp sechs Jahren als Zeithorizont.