Der Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung (KSLE) folgend, sollten die Emissionen aus diesem Bereich bis 2050 um 40 % sinken. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht im Zusammenhang mit dem Pariser Klimaabkommen wird dieses Ziel durch einen Umbruch ab 2030 erreicht: Der Tierbestand fällt in diesem Szenario bis 2050 um 30 %.

Die Ziellücke schliessen

«Zuerst haben wir den Effekt aller bereits eingeführten und in Umsetzung befindlichen Massnahmen abgeschätzt», erklärt Daniel Bretscher das Vorgehen. Der Agroscope-Forscher hat die Emissionsszenarien für die Landwirtschaft erarbeitet. Die nächste Annahme sei gewesen, dass durch eine erhöhte Stickstoffeffizienz ab 2030 die eingesetzte Mineraldüngermenge um weitere 15 % sinkt. Das reicht allerdings nicht für die 40 %-Reduktion bis 2050. «Aufgrund der verbleibenden Lücke wurde die Verkleinerung des Tierbestandes – Rindvieh, Schweine, Geflügel und Schafe – berechnet, die notwendig ist, um das Ziel zu erreichen», so Bretscher.

Ein kleinerer Tierbestand sei übereinstimmend mit einer nachhaltigen und gesunden Ernährung und stehe somit auch im Einklang mit den Zielen der KSLE, heisst es im Bericht. Es ist ein Grundsatz der KSLE, dass sich sowohl Produktion als auch Konsum verändern müssen, im Sinne einer Transformation des gesamten Ernährungssystems. Die Autoren der KSLE (die Bundesämter für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie für Umwelt) sehen darin den grössten möglichen Beitrag zur Treibhausgas-Reduktion in diesem Sektor.

«Länderspezifische Reduktionsziele ergeben nur dann Sinn, wenn sie nicht zu höheren Emissionen im Ausland führen», gibt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband zu bedenken. Wenn die hiesigen Tierbestände bei gleichbleibendem Konsum reduziert würden, geschehe genau das. «Umgekehrt führt die Veränderung des Konsums automatisch zu einer Anpassung der Produktion.»

Reduktion ist keine Vorgabe

Die 30 %-Reduktion des Tierbestandes ist das Resultat der Modellierung und keine Vorgabe, wie Daniel Bretscher betont. Er ergänzt: «Wenn es künftig zusätzliche Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen gibt, würde das bedeuten, dass die Tierbestände weniger stark gesenkt werden müssen, um das Ziel der KSLE zu erreichen.»

Die Landwirtschaft könne überall dort einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wo mit technischen Massnahmen oder einer Veränderung in der Praxis eine Reduktion möglich sei, sagt Sandra Helfenstein. «Das kann beim Stallbau, der Hofdüngerlagerung oder Düngerausbringung sein.» Sie erwähnt weiter die CO2-Speicherung im Boden und das «riesige Potenzial» bei Biogasanlagen. «Wenn wir alle Hofdünger vergären würden, könnten wir den Tierbestand praktisch stabil halten und klimaneutral sein.» Nicht zuletzt würden die Methan-Emissionen der Raufutterverzehrer noch immer zu hoch bewertet.

Nichts Konkretes

Der aktuelle Katalog der KSLE enthält keine konkrete Massnahme zur Reduktion des Tierbestandes. Im Bereich «Produktionsportfolio anpassen» gibt es stattdessen als Stossrichtung etwa eine Branchenvereinbarung zu Treibhausgasen, Förderbeiträge und Beratungsprojekte zur Reduktion der Lebensmittel-Futter-Konkurrenz.

Ist die Reduktion des Tierbestandes demnach mehr Notlösung als ernste politische Absicht?

Potenzial beschränkt

«Wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass das Treibhausgas-Reduktionspotenzial von derzeit bekannten, technischen Massnahmen beschränkt ist», hält Daniel Bretscher fest. Vor allem aber würden Erfahrungen in Pilotprojekten zeigen, dass selbst mit finanzieller und fachlicher Unterstützung die Umsetzung teilweise sehr herausfordernd sei. «Zudem können gesellschaftspolitische Vorurteile die Umsetzung gewisser Massnahmen erschweren.»

Basierend auf aktuellem Wissensstand und Erfahrungen sagt der Forscher, dass sich das 40 %-Ziel bis 2050 kaum mit technischen, produktionsseitigen Massnahmen erreichen lasse. Entsprechend wichtig könnten dafür strukturelle Anpassungen werden. «Die Reduktion des Tierbestandes ist der Ansatz, der in der Modellierung gewählt wurde, um die Zielerreichung abzubilden.»

Mit gemeinsamem Handeln

Diese Modellierung von Emissionsszenarien sei primär eine wissenschaftliche Aufgabe und solle den Akteuren als Entscheidungsgrundlage dienen, sagt Daniel Bretscher zum Gewicht des Berichts. «Die politische Relevanz und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, liegen im Ermessen der Politik, der Verwaltung und der Gesellschaft.» Er ist aber überzeugt: «Mit gemeinsamem Handeln aller Akteure im Landwirtschafts- und Ernährungssystem sind die Ziele der Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung erreichbar.»