Während auf den Äckern die Kulturen bisher einen guten Start hatten, kaut man in Bundesbern an der mittlerweile langjährigen Pflanzenschutzdebatte. Erneut wird auf dem politischen Parkett daran erinnert, wie die Gegnerschaft für eine Ablehnung der Trinkwasser-Initiative argumentiert hatte. Doch der Nationalrat hat in der Sondersession diese Woche für eine Anpassung der Gewässerschutzverordnung gestimmt, die laut Motionär Leo Müller (Mitte, LU) Lücken im Pflanzenschutz schliessen soll.
«Wieder rückgängig machen»
Im Vorfeld hatte sich die Bewegung 4Aqua, in der sich Fachleute und Wissenschaftler(innen) aus dem Bereich Trinkwasser und Gewässer zusammengeschlossen haben, mit einem offenen Brief an Bundesrat und Parlament gewandt. «Am Anfang stand ein Versprechen», heisst es darin einleitend. 2021 habe das Parlament beschlossen, die Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und dafür die Pa. Iv. 19.475 verabschiedet. Die damaligen Verbesserungen des Gewässerschutzrechtes sollten nun aber – bevor sie greifen könnten – wieder rückgängig gemacht werden.
4Aqua bezieht sich unter anderem auf die eingangs erwähnte Motion von Leo Müller. Er will die rechtliche Regelung anpassen, ab wann die Zulassung für einen Wirkstoff überprüft und damit potenziell entzogen werden soll. Dazu müsse, so der Vorschlag, ein Wirkstoff seinen Grenzwert in mindestens 20 Prozent aller untersuchten Gewässer überschreiten. Zusätzlich müsste dies in vier von fünf aufeinanderfolgenden Jahren der Fall sein. Das entspricht einer weniger restriktiven Auslegung davon, wann ein Grenzwert «wiederholt und verbreitet» überschritten ist.
«Die Anschuldigung, dass mit meiner Motion ein Versprechen gebrochen werde, stimmt einfach nicht», verteidigte sich Leo Müller im Nationalrat. Denn er wolle nicht am Grundsatz rütteln, dass eine Zulassung bei einer wiederholten und verbreiteten Grenzwertüberschreitung überprüft wird. Der Gesetzestext werde in der Verordnung bisher aber zu restriktiv umgesetzt – Lücken im Pflanzenschutz verschiedener Kulturen würden die Folge sein. Hier spricht Müller in der Zukunft, denn der fragliche Verordnungstext ist erst seit zwei Jahren in Kraft, und daher kam es bisher basierend darauf noch zu keinen Zulassungsentscheiden.
Bemerkenswerterweise hat sich der Bundesrat hinter die Motion gestellt. Umweltminister Albert Rösti erinnerte ebenfalls an Probleme im Pflanzenschutz. «Es kann wirklich nicht sein, dass wir aufgrund zu rascher Rückzüge und zu wenig Mittel einfach die entsprechenden Produkte importieren.» Das Trinkwasser bleibe sicher, zumal sich die Motion auf Oberflächengewässer beziehe. Es sei eine herausfordernde Güterabwägung zwischen Schutz und Nutzen. Angesichts der bestehenden «Riesenprobleme» in der Landwirtschaft sehe er dort einfach den grösseren Handlungsbedarf.
Es geht weiter
Mit 113 zu 72 Stimmen bei zwei Enthaltungen hat die grosse Kammer die Motion von Leo Müller angenommen, sie geht nun in den Ständerat. Für die kommenden Debatten steht eine ganze Reihe Vorstösse bereit, die ebenfalls Pflanzen- und Gewässerschutz zum Thema haben. 4Aqua äussert sich bereits besorgt, spricht von «Systemverschlechterungen», die eine Verbesserung der Gewässerqualität blockieren würden.
Derweil lehnt der Schweizer Bauernverband (SBV) den regelmässigen Rückzug wirksamer Wirkstoffe ohne verfügbare Alternativen ab. Sollten – wie vom Bund angedacht – die Herbizid-Wirkstoffe Flufenacet, Tritosulfuron und Metribuzin gestrichen werden, sei als Ersatz das in Grossbritannien erlaubte Cinmethylin zuzulassen.