In einem Schreiben, das der BauernZeitung vorliegt, werden Landwirt(innen) erneut zu Protesten aufgerufen. Nach wie vor herrscht Unzufriedenheit mit den aktuellen Preisen. Im vergangenen Jahr hatte der Schweizer Bauernverband (SBV) mit dem Ziel, gestiegene Kosten und verschiedene Ernteeinbussen auszugleichen, eine allgemeine Preiserhöhung um fünf bis zehn Prozent gefordert.

«Vielerorts nicht kostendeckend»

Anfang Jahr folgte eine Petition, die Vertreter des SBV, der Westschweizer Bauernvereinigung Agora und der Junglandwirte an den Geschäftssitzen der grossen Detaillisten und im Bundeshaus übergaben. Das Fazit des SBV nach Preisverhandlungen in diesem Herbst fällt gemischt aus: «Teilweise konnten Preiserhöhungen erzielt werden», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein. «In vielen Bereichen sind wegen der hohen Kosten die Preise aber nach wie vor nicht kostendeckend und es braucht weitere Anpassungen.»

Der Richtpreis für Brotweizen stieg um Fr. 1.50 – 5 % mehr hätten aber drei Franken mehr pro dt bedeutet, 10 % demnach gar sechs Franken. Davon ist man weit entfernt. Im Gegensatz zur heuer stark Mykotoxin-belasteten Getreidebranche konnte man zwar im konventionellen Anbau eine durchschnittliche Kartoffelernte einfahren – aber mit enormem Aufwand zum Schutz vor der Krautfäule.

Migros «hat Respekt»

Aktuell laufen die Traktoren 24 Stunden, um die Feldarbeit in einem erneut von Nässe geprägten Herbst zu bewältigen. Zusammenfassend: keine gute Stimmungslage. Und während die Bauern auf den Feldern sind, senken die Detailhändler ihre Preise. So informierte Migros am Montag darüber, dass rund 1000 Artikel günstiger werden sollen. Der Detailhandel beteuert aber einhellig, dass die Bauern keine Preissenkungen zu befürchten hätten – man wolle fair verhandeln.

Befürchtet die Migros nicht, dass die Bauern wieder auf die Strasse gehen könnten? «Wir haben Respekt davor, dass es Reaktionen gibt, die kontraproduktiv sind», sagt Peter Diethelm, CEO der Supermarkt AG. «Viele Schweizer Haushalte sind innerhalb von 30 Minuten über der Grenze und können dort Einkäufe tätigen, was wiederum zulasten der Schweizer Landwirtschaft geht», so Diethelm. Unter dem Strich könne die Landwirtschaft hierzulande nur überleben, wenn sie in der Lage sei, auch Volumen zu verkaufen. «Wenn wir nur Ballenberg machen, dann wird es nicht funktionieren», bilanziert er.

Befehlen geht nicht

Beim Blick in die nähere Zukunft taucht die AP 2030 am Horizont auf. Die Arbeiten dazu am Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) laufen, im Austausch mit den Branchen. Direktor Christian Hofer erklärte an der Pro-Natura-Landwirtschaftstagung, wie Detailhändler für mehr Nachhaltigkeit in die Pflicht genommen werden könnten. «Wir sind sehr stark daran, mit dem Detailhandel zu diskutieren», versicherte Hofer. Dieser solle sich selbst zu Zielvereinbarungen bekennen, etwa zu Preisen, Sortimentsgestaltung und Produktpräsentation. «Befehlen können wir es nicht», hielt der BLW-Direktor aber fest.

 

Kein Spiegel der Realität

[IMG 2]Nach den Protesten im Frühling wird über nächste Aktionen nachgedacht. Teilerfolge seien erzielt worden, aber die im Frühjahr formulierten Anliegen seien (noch) nicht angekommen, heisst es in sozialen Medien. Erneut mit Traktoren auf die Strasse zu gehen, ist aber kaum der richtige Weg. Solche Proteste bringen wenig, wenn sie in der Anonymität der Kabinen stattfinden und keinen echten Dialog fördern. Denn die Traktoren auf den Strassen spiegeln nicht die Realität der Felder wider und lösen die grundlegenden Probleme kaum.
Migros und davor Aldi haben ein Versprechen abgegeben, dass die Preissenkungen nicht auf Kosten der Bauern stattfinden werden. An dieses Versprechen muss man sie zu gegebener Zeit erinnern. Sicher ist, dass die Preisverhandlungen zur Königsdisziplin werden, klar ist aber auch: Das funktioniert nicht mit Kampfansagen oder Protesten.
Erfreulich ist, dass der Bund aktiv den Dialog mit dem Detailhandel sucht. So ist es jetzt wichtig, nicht hinter jedem Schritt des Bundes oder des Detailhandels einen Feind zu vermuten, denn das verstärkt nur das Gefühl der Ohnmacht. Im Frühling haben die Bauern nach fairen Preisen und tieferer Administration verlangt – genau das funktioniert nur über Bund und Markt. Was nun bleibt, ist die Frage der Wertschätzung. Sie fehle, hiess es im Frühling. Wertschätzung bezeichnet die Anerkennung und den Respekt, den man einer Person oder ihrer Arbeit entgegenbringt. Sie kann auf verschiedene Arten zum Ausdruck gebracht werden. Sie zu erfahren, ist aber sehr persönlich und auch nicht verhandelbar. Sie in geschlossenen Kabinen auf der Strasse einzufordern, dürfte zudem nicht funktionieren. Berufsstolz könnte da der bessere Weg sein.