Martin Rufer, im Moment ist es agrarpolitisch eher ruhig, ist das die Ruhe vor dem Sturm oder sind alle nach den Abstimmungen noch in Schockstarre?
Martin Rufer: Von Ruhe kann man nicht wirklich sprechen. Das Verordnungspaket zum Massnahmenplan Sauberes Wasser ist sehr ambitiös. Das wird die Landwirtschaft in der Umsetzung beschäftigen und wir müssen schauen, dass es praxistauglich ist. Zudem laufen im Hintergrund die nötigen Arbeiten nach der Sistierung der AP 22+.

Was hat oberste Priorität?
Was jetzt in erster Linie gelingen muss, ist die Inpflichtnahme der gesamten Wertschöpfungskette mittels einer glaubwürdigen Ernährungspolitik. Mit der heutigen Politik macht der Staat ein Mikromanagement auf den Betrieben, die Politik ist einseitig auf die Landwirtschaftsbetriebe fokussiert. Anschliessend folgt nichts mehr. Das muss sich ändern.

Haben Sie schon Vorstellungen, wie das gelingen soll?
Es geht beispielsweise darum, Transparenz über die Wert-schöpfungskette zu schaffen. Dies gilt für Produktionsmethoden und Herkunft ebenso wie für die Preisbildung. Damit die Konsument(innen) ihre viel zitierte Verantwortung wahrnehmen und über Kaufentscheide die Landwirtschaft bestimmen können, müssen sie auch über die nötigen Informationen verfügen.

Wie gross ist die Bereitschaft des Handels, diese Transparenz herzustellen?
Hier herrscht sicher noch eine gewisse Skepsis. An zusätzlicher Transparenz haben nicht alle Freude.

Der Massnahmenplan Sauberes Wasser (MSW) ist in Vernehmlassung. Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen?
Die Landwirtschaftskammer des SBV wird im August über die Position entscheiden. Der MSW ist mehr oder weniger ein Abklatsch der Umweltmassnahmen aus der AP 22+. Hier müssen wir schauen, dass nur Massnahmen reinkommen, die wirklich mit den vom Parlament beschlossenen Absenkpfaden im Zusammenhang stehen und auch, dass die AP nicht noch viel komplizierter wird. Einige der vorgeschlagenen Programme, z.B. die Begrenzung der Rohproteinzufuhr in der Fütterung sind sehr kompliziert und kaum praxistauglich.

Welche Elemente stehen nicht in Zusammenhang mit den Absenkpfaden?
Ein Punkt ist beispielsweise die neu verlangte Biodiversität auf der offenen Ackerfläche, die keinen direkten Zusammenhang haben mit den Absenkpfaden. Das BLW hat es sich hier etwas gar einfach gemacht, indem es die ganzen Umweltmassnahmen aus der AP 22+ raus- und in den MSW reingenommen hat.

Bereits stehen auch wieder drei neue Initiativen an, wo sehen Sie da die grössten Herausforderungen?
Bei der Massentierhaltungs-Initiative. Gerade die Poulet- und Eierproduktion würden aufgrund der Höchsttierbestände in Frage gestelllt. Die Initiative lehnen wir ganz klar ab, den direkten Gegenvorschlag des Bundesrats mit BTS- und RAUS-Obligatorium ebenfalls, da er sehr grossen Investitionsbedarf auf den Betrieben auslösen würde. Die Frage ist jetzt noch, ob man einfach die Initiative zur Abstimmung bringt oder ob es im Parlament noch Diskussionen um einen indirekten Gegenvorschlag gibt.

Was wären die Auswirkungen der weiteren Initiativen?
Die Landschafts-Initiative hätte natürlich auch grosse Folgen, weil die Gebäudezahl und die bebauten Flächen ausserhalb der Bauzonen eingefroren würden. Der vorliegende indirekte Gegenvorschlag könnte eine gute Basis sein, weil dieser keine Flächeneinschränkungen bei den landwirtschaftlichen Gebäuden vorsieht und der Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone Vorrang geben will.