Der Bundesrat hat beschlossen, EU-Zulassungsentscheide für Wirkstoffe direkt zu übernehmen und in benachbarten EU-Mitgliedstaaten bewilligte Produkte vereinfacht zuzulassen (wir berichteten). Das entspricht aber nicht ganz der Forderung, die bereits vor der Totalrevision der Pflanzenschutzmittel-Verordnung (PSMV) im Raum stand.

Es gibt zwei weitere, aktuelle politische Ansatzpunkte zur Verbesserung der Zulassung: Die Parlamentarische Initiative (Pa.Iv.) Bregy, die bereits 2022 eingereicht worden ist, und die Bilateralen III.

Auch Notfallzulassungen

Mit der Pa.Iv. «Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen» befasst sich das Parlament bzw. die jeweilige Kommission von grosser und kleiner Kammer seit 2023. Sie verlangt die Übernahme der Zulassungsentscheide sowohl von Wirkstoffen als auch PSM in der EU und deren Mitgliedsstaaten. Wenn nötig, soll die Schweiz die Produktbewilligungen an die hiesigen Anwendungsvorschriften anpassen. Das Ziel ist, in umliegenden Ländern zugelassene PSM «ohne Verzögerung» für den Schweizer Markt zur Verfügung zu stellen.

Die Wirtschafts-Kommission des Nationalrats (WAK-N) hat obige Pa.Iv. kürzlich ergänzt: Sie möchte auch Notfallzulassungen von PSM in den relevanten EU-Ländern in der Schweiz anerkennen. «Dies soll sicherstellen, dass die Schweizer Landwirtschaft in Bezug auf die Verfügbarkeit von PSM gegenüber umliegenden Ländern nicht benachteiligt ist», teilt die WAK-N mit.

Die Zustimmung beider Kommissionen und die Absicht einer Ergänzung um die Übernahme von Notfallzulassungen ruft die Umweltallianz auf den Plan. Sie kritisiert, Notfallzulassungen würden in der EU wie auch in der Schweiz immer mehr zum Normalfall. Mit der pauschalen Übernahme von EU-Zulassungen würde man sich einem System verfangen, das Innovationen behindere und risikoarme Alternativen ausbremse. Die Umweltallianz verlangt eine «souveräne Zulassungsprüfung», die Risiken für Biodiversität und Gesundheit ganzheitlich prüft – das gebe es bisher weder hierzulande noch in der EU. Umweltschonende PSM sollten beschleunigt zugelassen werden.

Referendum angedroht

Aus Sicht der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) sind die Arbeiten an der Pa.Iv. für modernen Pflanzenschutz zu sistieren. «Falls das Parlament daran festhält, prüft die VKMB ein Referendum», heisst es in einer Mitteilung.

«Die Pa. Iv. ist der schnellere Weg.»

SBV-Sprecherin Sandra Helfenstein über Vorteile gegenüber den Bilateralen III.

«Entscheide würden von der EU übernommen, ohne Einsicht in die dafür relevanten Unterlagen und ohne diese auf die spezifischen klimatischen, topografischen und agronomischen Gegebenheiten anwenden zu können», warnt die VKMB vor der Pa. Iv. Das würde es ihrer Meinung nach verunmöglichen, die heutigen hohen Qualitätsstandards und den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt zu erhalten. Man begrüsse grundsätzlich eine Annäherung der Schweiz in das Zulassungssystem der EU, die Pa. Iv. sei aber der falsche Ansatz. Vielmehr befürwortet die VKMB den Weg via Bilaterale III.

Ins System einbinden

Statt einer Übernahme von Zulassungsentscheiden sieht das Vertragspaket der Bilateralen III vor, dass die Schweiz in das EU-Zulassungssystem eingebunden wird – inklusive Zugriff auf die entsprechenden Daten. Das dürfte Einsicht in die Dossiers bedeuten, die Hersteller zur Risikobeurteilung für die Zulassung einreichen müssen.

Die Schweiz erhält gemäss Bund überdies Zugang zur Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Sie könne sich so an den Diskussionen zwischen EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten im Bereich Lebensmittelsicherheit beteiligen und ihre Anliegen frühzeitig einbringen. Im Faktenblatt des Bundesrats ist die Rede von einem «gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraum», der alle veterinär- und lebensmittelrechtlichen Aspekte entlang der Lebensmittelkette umfasse und den überwiegenden Teil des Handels mit Agrarerzeugnissen mit der EU abdecken soll. Agrarpolitik, Direktzahlungen und Grenzschutz würden durch das Abkommen nicht beeinträchtigt und die Schweiz bleibe in diesen Bereichen unverändert selbstbestimmt, versichert der Bundesrat (siehe Kasten).

Schnellere Verfahren

«Durch die Teilung der Arbeitslast mit der EU und deren Mitgliedstaaten dürfte es zur gewünschten Beschleunigung der Verfahren kommen», hofft die VKMB hinsichtlich Pflanzenschutz-Bewilligungen. Ausserdem werde das Problem wegfallen, dass die Schweiz als kleiner Markt für Hersteller oft zu wenig attraktiv ist für ein Zulassungsgesuch. Dank des Zugangs zu den Daten aus dem EU-Prozess könnte die Schweiz bei der Zulassung hierzulande die hiesigen Gegebenheiten berücksichtigen, so die VKMB.

Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat sich bisher noch nicht näher zu den Bilateralen III geäussert. Um die bestehenden Probleme im Schweizer Zulassungssystem anzugehen, sei die Pa. Iv. Bregy aber ganz klar der schnellere Weg, hält SBV-Sprecherin Sandra Helfenstein fest. Tatsächlich hat das Vertragspaket Bilaterale III noch einen langen politischen Prozess vor sich: Nach der laufenden Vernehmlassungsphase will der Bundesrat seine Botschaft dazu im ersten Quartal 2026 an das Parlament überweisen. «Wie lange die parlamentarische Phase dauern und wie viel Zeit demnach bis zu einer Volksabstimmung verstreichen wird, hängt vom Parlament ab», schreibt der Bundesrat.

«Wir haben aktuell grosse Probleme, den Schutz der Kulturen zu gewährleisten», unterstreicht Helfenstein den Zeitdruck. Die Pa. Iv. verspreche eine rasche Verbesserung der Situation. «Bis das EU-Paket greifen würde, vergeht noch sehr viel Zeit.»

Auch das Recht angleichen

Beim Nutzen der Einbindung der Schweiz ins EU-Zulassungsystem – wie es in den Bilateralen III vorgesehen ist – gibt sich der SBV zurückhaltend. Zwar brächte der Automatismus schnellere Prozesse und weniger Administration. «Damit das aber seine volle Wirkung erzielen kann, bräuchte es auch eine Angleichung des Schweizer Rechtes an dasjenige der Nachbarländer, z. B. beim Gewässerschutz.» Die vergleichsweise strengen Vorgaben zum Gewässerschutz in der Schweiz sind auch gemäss revidierter PSMV ein Grund für von der EU abweichende Bedingungen und Einschränkungen für die Anwendung von PSM in der Schweiz.

Die Bedenken, durch die Übernahme von EU-Entscheiden wie sie die Pa. Iv. Bregy fordert, könne zu wenig auf die hiesigen Bedingungen und Standards eingegangen werden, bezeichnet man beim SBV als «Scheinargument». «Die EU besteht aus verschiedensten Ländern und z. B. Österreich oder Regionen wie Süddeutschland haben sehr ähnliche klimatische, topografische und strukturelle Gegebenheiten wie die Schweiz», sagt Sandra Helfenstein.

Als Nächstes wird der Bundesrat zu dem Vorstoss Stellung nehmen, bevor er voraussichtlich in der Wintersession in den Nationalrat geht.

«Schweizer Besonderheiten bleiben»
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Der Bundesrat hat zu den Bilateralen III eine ganze Reihe von Faktenblättern veröffentlicht. Folgendes hält er zum Landwirtschaftsabkommen und der Lebensmittelsicherheit – neben der Einbindung ins EU-Zulassungssystem – fest:

EU-Binnenmarkt: Bessere Beteiligung der Schweiz durch den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse.

Schnellwarnsystem: Rasche Information der Schweiz bei Vorfällen wie falsch deklariertem Produkten oder gefährlichen Substanzen in Lebens- oder Futtermitteln via EU-Meldungen.

Ausnahmen: Verhandlungserfolge in den Bereichen Tierschutz und Regulation gentechnischer Organismen (GVO) sollen dafür sorgen, dass die Schweiz ihre hohen Standards aufrechterhalten kann.

Damit GVO-Produkte hierzulande auf den Markt kommen, müssten sie auch künftig ein Zulassungsverfahren mit den strengen schweizerischen Sicherheitskriterien durchlaufen, so der Bundesrat.

Eigenständigkeit: Die Bilateralen III änderten nichts bezüglich landwirtschaftlicher Zölle, Kontingente und deren Bewirtschaftung. «Das heisst, der bestehende Grenzschutz bleibt erhalten», so das Fazit im Faktenblatt. Über das Direktzahlungssystem entscheide die Schweiz auch künftig eigenständig.

In den Verhandlungen habe man überdies erreichen können, dass die Pflicht zur Angabe des Herkunftslandes für hierzulande vertriebene Lebensmittel beibehalten wird.