In den letzten Wochen hat sich in verschiedenen Ländern lautstark und berechtigt eine Protestbewegung der Bauern gegen die verfehlte EU-Landwirtschaftspolitik bemerkbar gemacht. In den Niederlanden, in Frankreich, Belgien und Italien gab es teilweise spektakuläre Aktionen. In Deutschland, wo sich die aktuelle Regierung besonders mit neuen Auflagen gegen die produzierende Landwirtschaft stellt, waren die Proteste so heftig, dass in gewissen Medien gar von einem Bauernaufstand geschrieben wurde.
Es herrscht eine allgemeine Unzufriedenheit
In unseren Nachbarländern herrscht eine allgemeine Unzufriedenheit über die ständig zunehmenden Umweltauflagen der EU-Bürokratie für die Landwirtschaft und die Konkurrenz durch billige Importe von ausserhalb Europas. Es zeigt sich, dass die Agrarpolitik der EU oft stark von der Lebenswirklichkeit der Bäuerinnen und Bauern abweicht und einer ideologischen Klimapolitik untergeordnet wird.
Und in der Schweiz? Es wäre ein grosser Irrtum, zu glauben, dass die Schweizer Landwirtschaft nicht ähnliche Sorgen hätte. Der wesentliche Unterschied ist, dass dank der direkten Demokratie Veränderungen in der Politik von den Betroffenen einfacher als in anderen Ländern veranlasst werden können. Diese politische «Ventilfunktion» ist im EU-System nicht vorgesehen und deswegen bleibt oft nur der Weg des Protests, einschliesslich seiner negativen Nebenerscheinungen wie Gewalt und Zerstörungen.
Bürokratie hat überhand genommen
Die Regulierungswut im Landwirtschaftssektor mit dem Ziel des «ökologischen Wandels» wird auch bei uns immer drastischer und bringt manche Bauern zur Verzweiflung und zur Aufgabe ihrer Betriebe. Die Bürokratie nimmt überhand und die Digitalisierung hat sie paradoxerweise zum Teil noch verschlimmert, anstatt die Arbeit zu erleichtern. Der Hauptzweck der Landwirtschaft, die Versorgung der Schweiz mit hochwertigen Lebensmitteln, droht dabei in den Hintergrund gedrängt zu werden.
So nimmt etwa die Debatte um die Biodiversität seltsame Züge an, befeuert durch die extreme Biodiversitäts-Initiative. Die Initiative würde die produzierende Landwirtschaft schwächen und dazu führen, dass die Versorgung mit einheimischen Lebensmitteln gefährdet und mehr Importe notwendig würden. Es ist paradox, dass links-grüne Parteien von der Landwirtschaft mehr Biodiversitätsfläche einfordern, aber nichts gegen den grössten Treiber der Zubetonierung der Schweiz unternehmen wollen: die enorme Zuwanderung.
Gummistiefel an Ortstafeln
All dies trägt zur Frustration bei unseren Schweizer Bauern bei. Die Junglandwirte haben kürzlich eine Petition beim Bundesrat eingereicht, mit der sie fordern, dass sich die Landwirtschaft wieder auf die nachhaltige und tierfreundliche Produktion von Lebensmitteln fokussieren kann. Von der Öffentlichkeit bisher wenig beachtet wurde eine Aktion auch von Ostschweizer Bauern, die kürzlich auf Autobahnbrücken ihre Traktoren mit leuchtenden Warnblinkern abgestellt hatten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Mit der gleichen Absicht hängten Bauern in der Bodenseeregion Gummistiefel an Ortstafeln.
Es ist sehr wichtig, dass die Politik die Anliegen der Bauern ernst nimmt und sich endlich aktiv für die produzierende Landwirtschaft einsetzt. Das bedingt weniger Bürokratie und weniger Kontrollwahn für die Schweizer Landwirtschaft. Fakt ist, dass unsere Bauern die besten Lebensmittel der Welt produzieren und wir dank dem täglichen Einsatz der Bauernfamilien immer frische Schweizer Produkte konsumieren dürfen. Es ist also höchste Zeit, dass sich die Bundespolitik ernsthaft um die Sorgen und Nöten unserer Landwirtschaft kümmert und ich persönlich bin bereit, meinen Teil in Bern beizutragen.
Zur Person
Mike Egger ist Fleischfachmann und arbeitet bei der Micarna. Der SVP-Politiker vertritt den Kanton St. Gallen im Nationalrat. Egger schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.