Bis 2027 haben die Gemeinden in der Schweiz Zeit, die Gewässerräume auszuscheiden. Damit sollen die natürlichen Funktionen der Gewässer, der Hochwasserschutz und die Gewässernutzung sichergestellt werden. Als erste Gemeinde im Kanton St. Gallen ist Sargans daran, einen Nutzungsplan zu erstellen. In diesem Prozess zeigt sich nun, dass weit mehr Kulturland von der Renaturierung betroffen ist, als man ursprünglich angenommen hatte. Das sagen Andreas Peter, Ortsverwaltungsrat, und Daniel Peter, Ortspräsident. Beide sind Landwirte in Sargans.
Mühsame Bewirtschaftung
Andreas und Daniel Peter (sie sind nicht miteinander verwandt) zeigen direkt vor Ort, welche Auswirkungen die Gewässerraumausscheidung in ihrer Gemeinde auf die Landwirtschaft hat. Mit dem Auto geht es zu einem betroffenen Bauernhof. Rund um den Betrieb respektive durch die arrondierte Nutzfläche fliesst ein Bach, präziser ein Giessen. Das ist ein natürlicher Bewässerungskanal, der durch Grundwasser gespeist wird.Diese Giessen sind im Rheintal stark verbreitet. «Dieser Betrieb würde zwei Hektaren wertvolles Kulturland verlieren», schätzt Daniel Peter.
Die zweite Station ist auf einem Feld. Das Land hier ist topfeben. Links vom Bach steht eine Hecke, auf der rechten Seite folgt auf die Böschung ein Kiesweg, ein drei Meter breiter Grünstreifen, dann beginnt das Feld. Andreas Peter steht etwa sieben Meter im Feld, in 15 Metern Abstand zum Bach. «Hier ist Schutzzone 1, darum muss der Abstand zum Gewässer grösser als die üblichen sechs Meter sein», erklärt Daniel Peter. Schon von blossem Auge ist ersichtlich, dass hier enorm viel Kulturland betroffen ist.
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Dieser Betrieb würde rund eine Hektare Kulturland verlieren. Noch offen ist die Frage, ob in der extensiv bewirtschafteten Fläche noch gewendet werden darf. Ansonsten müsste ein frisches Vorhaupt (Rangierfläche) angelegt werden, um zu wenden. «Dies würde nochmals wertvolle Nutzfläche beanspruchen», sagt Daniel Peter. Die Äcker sind rund 300 Meter lang, gegebenenfalls müsste mit voll beladenen Erntemaschinen über das Feld zurückgefahren werden, um auf der anderen Seite zu entladen.
19 Betriebe sind in Sargans betroffen
Die Ortsgemeinde Sargans, der das meiste Landwirtschaftsland gehört, verfügt über keine Ersatzflächen, um den Bauern das «verlorene» Land zu ersetzen. Güterzusammenlegung ist ebenfalls kein Thema. «Das wurde bei uns bereits in den 1960er-Jahren gemacht», bemerkt Andreas Peter. Der Landverlust hätte auch finanzielle Auswirkungen für die Ortsgemeinde. «Es würde sicher die Forderung einer Pachtzinsreduktion kommen», ist sich Andreas Peter sicher.
19 Betriebe sind hier von Flächenverlust durch die Gewässerraumausscheidung betroffen, auch Daniel Peter. Es könne nicht sein, dass der Naturschutz immer auf dem Buckel der Bauern ausgetragen werde, findet er.
«Es geht um bestes und fruchtbarstes Kulturland.»
Daniel Peter, Landwirt und Ortspräsident Sargans
Die Folgen sind weniger düngbare Flächen und eine Reduktion des Tierbestandes. «Oder sonst müsste man die Gülle wegführen, was ein völliger Blödsinn wäre.»
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Bauern sensibilisieren
Im Dezember 2021 gab es in Sargans eine Infoveranstaltung mit dem Kanton und allen Pächtern von Flächen der Ortsgemeinde. Da habe man gemerkt, wie kompliziert das Ganze werde und den St. Galler Bauernverband ins Boot geholt.
«Wir sind die Ersten, die das anpacken. Sargans wird so quasi zur Pilotgemeinde des Kantons. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen.»
Andreas Peter, Landwirt und Ortsverwaltungsrat Sargans
Auf die Frage, wo sie Spielraum sehen, antwortet Daniel Peter: «Wenn man die Gewässerraumlinie in der Längsachse schieben könnte, hätte man etwas Spielraum.» Die Gewässer seien heute schon genügend geschützt, findet Andreas Peter. Man sei ja nicht komplett gegen Ökomassnahmen, aber es könne nicht sein, dass alles immer zu Lasten des wertvollen Kulturlandes gehe. Leider habe der Kulturlandschutz bei den kantonalen Amtsstellen noch immer zu wenig Bedeutung.
Betroffene sollen sich einbringen
Wichtig ist den beiden Lokalpolitikern, dass die Bauernfamilien hellhörig werden. Andreas Peter ergriff deshalb an der Delegiertenversammlung des St. Galler Bauernverbandes Ende März das Wort, um seine Berufskollegen in den anderen Regionen zu sensibilisieren. «Betroffen sind wahrscheinlich die meisten. Darum ist es wichtig, dass wir Bauern und Bäuerinnen möglichst früh im Prozess mitwirken», sind sie sich einig.
