Sie haben die Swissness kürzlich in einem Artikel der Alimenta als «Bürokratiemonster mit sehr wenig effektivem Output» bezeichnet.
Lorenz Hirt: «Bürokratiemonster» ist eine Einschätzung unserer Mitglieder, die durch die Swissness-Vorlage sehr viel mehr administrativen Aufwand haben. Diverse Firmen mussten in der Compliance neue Stellen schaffen, um sicherzustellen, dass jederzeit alle gesetzlichen Regeln eingehalten sind. Man kann das positiv finden, weil Arbeitsstellen geschaffen wurden. Am Ende zahlt es aber der Konsument, wir finden es negativ.

Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus der Evaluation des Bundes?
Sie hat den Eindruck bestätigt, dass Swissness für den Schweizer Nahrungsmittelsektor wichtig ist, aber auf die landwirtschaftliche Produktion keinen grossen Einfluss hat. Einzelne Produkte haben das Schweizer Kreuz verloren. Da ist man teilweise daran, Lösungen zu finden, zum Beispiel diskutiert man den Aufbau einer Schweizer Laktose-Produktion.

Was sind die grössten Herausforderungen für die Verarbeiter?
Einerseits die Halbfabrikate-Regelung. Ein Beispiel: Ein Mehl mit 95 Prozent Schweizer Weizenanteil darf ich im Detailhandel als Schweizer Mehl mit einem grossen Schweizerkreuz darauf verkaufen. Das gleiche Mehl gilt aber in einem Güetzi nicht als Schweizer Mehl, sondern muss als 95 % Schweizer und 5 % ausländisches Mehl angerechnet werden. Die jährlich durchzuführende Berechnung der genauen Rohstoffanteile ist eine riesige Herausforderung. Besonders bei Produkten, bei denen die Mengen an ausländischen Rohstoffen je nach Qualität der Ernte variieren. Oder Stichwort Massenbilanz: Nehmen wir den Schoggihersteller, der übers Jahr 30 % ausländischen Zucker in seinem Silo hat. Für die Schokoladentafel, die er übers ganze Jahr produziert, kann er bei der Rohstoffberechnung einfach den Jahresschnitt nehmen. Das ist einfach. Aber was ist mit den Schoggihasen, die er z.B nur im Januar produziert, vielleicht ist dort der Anteil an ausländischem Zucker vorübergehend grösser? Wir wünschen uns, dass man hier wie bei den Max-Havelaar-Produkten die Rohstoffanteile übers ganze Jahr und über die Produkte-Range berechnen dürfte. Auch das Verfahren für Ausnahmegenehmigungen müsste einfacher werden. In sämtlichen anderen Branchen darf der Branchenverband einfach eine Liste mit nicht erhältlichen Produkten online stellen. Wenn ein Schweizer Hersteller die Produkte liefern kann, werden sie von der Ausnahmeliste genommen. 

 

Zur Person

Lorenz Hirt  ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial).