Man kann dem Bundesrat gratulieren. Im kürzlich verabschiedeten Bericht zur künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik hat er zum ersten Mal alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht genommen. Nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, auch der Konsum steht im Fokus der Massnahmen. Das gesamte Ernährungssystem wird miteinbezogen. Eine erfreuliche Entwicklung!
Landwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen
Die Wirtschaftskommission des Ständerates hat derweil die Beratungen zur Agrarpolitik 2022+ wieder aufgenommen. Die Zeit drängt, denn die Landwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen: Sie muss ihre Treibhausgasemissionen senken, ressourcenschonender wirtschaften und weiterhin ihren Versorgungsauftrag erfüllen. Gleichzeitig machen steigende Produktionskosten, extremere Wetterlagen und neue regulatorische Vorgaben zu schaffen.
Beispiel Absenkpfad Nährstoffe: Ökostrom Schweiz als Fachverband landwirtschaftliches Biogas begrüsst sehr, dass die Branche zur Reduktion der Nährstoffverluste in die Verantwortung genommen wird. Doch das vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vorgeschlagene Massnahmenpaket übersteuert. Zudem können die hochambitionierten Reduktionsziele wohl nur über eine zusätzliche Senkung der Tierbestände erreicht werden.
Tierhaltung zunutze machen
Statt das Kind mit dem Bade auszuschütten, könnte man sich eine nachhaltige Tierhaltung zunutze machen. So hat die Vergärung von Hofdünger in landwirtschaftlichen Biogasanlagen ein enormes ungenutztes Potenzial und bietet viele Lösungsansätze, um die akuten Herausforderungen zu bewältigen. Durch das Überführen von Hofdünger in gasdicht geschlossene Systeme werden klimaschädliche Emissionen reduziert. Ein Bericht des auf Ökobilanzstudien spezialisierten Unternehmens Carbotech zeigte im März 2022 auf: «Mit jedem aus Hofdünger produzierten Kubikmeter Biogas werden, im Vergleich zur konventionellen Hofdüngerbewirtschaftung, rund 1,4 kg CO2-Äquivalente weniger emittiert.» In der Tat ist die Hofdüngervergärung heute die mit Abstand wichtigste messbare Klimaschutzmassnahme in der Landwirtschaft. Zudem trägt sie dazu bei, die Landwirtschaft unabhängiger von immer teureren fossilen Treibstoffen und Kunstdüngern zu machen.
Auch der Beitrag zum Absenkpfad Nährstoffe liesse sich steigern, wenn mehr Mist aus der Landwirtschaft den Biogasanlagen zugeführt würde und Vergärungsprodukte Kunstdünger vermehrt ersetzten. Ökostrom Schweiz hat daher zusammen mit anderen Verbänden einen Antrag für ein Ressourcenprogramm eingereicht, das Massnahmen zum Ersatz von Kunstdünger praxisnah untersuchen möchte. Bereits im Januar schlug die Branche die Einführung eines Produktionssystembeitrags zur Förderung der Hofdüngervergärung vor. Damit würde ein Anreiz geschaffen, in zusätzliche Vergärkapazitäten zu investieren. Mehr Hofdünger könnte so in einer Biogasanlage veredelt werden.
Wenig beeindrucktes BLW
Beim BLW zeigt man sich indes wenig beeindruckt. Bis anhin stiessen die Vorschläge der Branche und der Antrag für das Ressourcenprogramm beim Bund auf grosse Zurückhaltung. Ökostrom Schweiz bietet im Hinblick auf die neue Agrarpolitik weiterhin Hand, die Herausforderungen gemeinsam anzupacken. Denn es müsste doch klar sein: Die Tierhaltung ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.