Einen klassischen Luzerner Familienbetrieb mit Milchwirtschaft und Mutterschweinehaltung führt Bauer X (Name der Redaktion bekannt). Haus und Scheune am Dorfrand sind zusammengebaut, das Wohnhaus wurde erneuert, der alte und arbeitsintensive Anbindestall mit rund 25 Kühen ist hingegen in die Jahre gekommen. Separat daneben steht der Schweinestall für rund 60 Zuchtsauen, samt Remise. Nun möchte der Betriebsleiter hinter diesem Gebäude, noch weiter weg von Strasse und Siedlung, einen Neubau für einen Milchviehstall mit etwas mehr Plätzen realisieren, auch für das Tierwohl.
Biowäscher bei Schweinen
Gleichzeitig soll eine Abluftreinigungsanlage (Biowäscher) bei der Schweinescheune eingebaut werden, was eine Reduktion der Ammoniakbelastung um bis zu 80 Prozent bringen soll und damit auch die Gerüche vermindert. Als weitere Massnahme zur Emissionsminderung würde künftig auch der Schleppschuh zum Güllen eingesetzt.
Allerdings setzt der Betriebsleiter auf bewährte Spaltenroste im neuen Stall; die alternative und emissionsmindernde Massnahme Kot- und Harntrennung kam für ihn im Moment nicht in Frage. Das führe zu glatten Oberflächen und bewähre sich in der Praxis noch nicht, erklärt Landwirt X. Dank dem vorgesehenen Entmistungsroboter würden die Laufflächen aber regelmässig gereinigt, was die Emissionen tief halte.
Baugesuch sistiert
Die Baueingabe machte der Landwirt nach den Vorabklärungen vergangenen Sommer, im August reichte er aufgrund von Sistierungen weitere Unterlagen nach. Die Baubewilligung erhofft er trotz Verzögerungen dieses Jahr, mit dem Bau möchte er nächstes Jahr starten.
Nun aber ist das Projekt ins Stocken geraten. Die Dienststelle Umwelt und Energie (UWE) veranlasste am 10. Oktober eine weitere Sistierung, weil die Mindestabstände nicht eingehalten seien. Die Begründung kann allerdings weder Bauherr X noch die planende Firma DeLaval verstehen. Weil in der alten Scheune noch einige wenige Kälber gehalten werden sollen, würden sich Alt- und Neubau gegenseitig beeinflussen. Deshalb wird für die Abstandsberechnung auch der alte Stall, obwohl quasi leer, und nicht wie angenommen der Bereich zwischen Schweinescheune und Neubau, wo die effektive Tierdichte künftig am höchsten ist, miteinbezogen. Zudem rechnete die UWE mit möglichem Kaltluftabfluss und setzte auch wegen der Geländeform höhere Faktoren zur Berechnung der Mindestabstände ein. Diese seien nicht eingehalten. Der Bauherr solle somit Sanierungsvorschläge bringen, beispielsweise Verzicht auf Tiere in der alten Scheune. Das würde aber mehr Raum und höhere Kosten im Neubau bedingen, zudem sei es doch raumplanerisch sinnvoll, wenn bestehende Gebäude noch weitergenutzt werden könnten, findet Bauer X.
Weniger Geruch reicht nicht
Dass die effektive künftige Geruchsbelastung mit der Verlagerung der Milchkühe in den Neubau und mit dem Biowäscher bei den Schweinen zudem massiv sinke gegenüber heute, werde offenbar gar nicht berücksichtigt. Auch der geforderte Mindestabstand ist für ihn nicht nachvollziehbar, sein Planer kam auf ganz andere, viel tiefere Werte. Auch der Kaltluftabfluss verlaufe, wenn überhaupt, nicht Richtung Siedlungen, sondern Richtung Freiland. Zudem müssten die geltenden FAT-Richtlinien für die Berechnung der Mindestabstände eigentlich erst ab vier Geruchsbelastungseinheiten angewendet werden, heisst es in einer Stellungnahme des Planers von DeLaval an UWE von Ende Oktober. Einige Kälber (maximal zwei GVE) im bestehenden Stall seien wesentlich weniger als diese Mindestlimite. Die Sichtweise der UWE entspreche somit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und entspreche auch nicht einer üblichen Praxis. Erwartet wurde deshalb eine Besprechung vor Ort.
Gerüche von Tierställen vermindern
Gemäss Luftreinhalteverordnung sind Emissionen so weit zu beschränken, wie das technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei. Die Erwägung und Beurteilung der zu erwartenden Geruchsimmissionen sei ein Ermessensprozess, für die Berechnung stütze sich die UWE auf den revidierten FAT-Bericht 476, heisst es im Luzerner Merkblatt von 2022, das als Vollzugshilfe dient.
Die Berechnung der Mindestabstände erfolgt nach einem komplexen Formular, wo zahlreiche Kriterien zu berücksichtigen sind: Geruchsbelastungsfaktoren, wo die Tierzahlen getrennt nach Gebäuden aufzuführen sind, Korrekturfaktoren für die Geländeform wegen Windverhältnissen und möglichen Kaltluftabflüssen, Aufstallung und Entmistung, Lüftung, Geruchsreduzierung der Stallabluft und der Güllelagerung. Mehrere Ställe könnten sich gegenseitig beeinflussen, deshalb werde für die Berechnung der Abstand zwischen den geometrischen Schwerpunkten der Gebäude herangezogen. Und die Vereinigung der gewichteten Mindestabstandskurven der einzelnen Gebäude bilde die für die Gesamtanlage massgebende Hüllkurve, heisst es im Merkblatt. Diese Auslegung führte im geschilderten Fall von Bauer X offenbar dazu, dass nach Ansicht der UWE die Mindestabstände nicht mehr eingehalten werden könnten.
Augenschein abgelehnt
Bis letzte Woche habe der Landwirt nichts mehr gehört. Auf Nachfrage bei der Gemeinde Anfang Januar wurde ihm mitgeteilt, dass die UWE intern geantwortet habe, dass eine Begehung vor Ort nicht zielführend sei.
Er nervt sich ob solchem Verhalten der Verwaltung: «Die UWE reagiert nicht auf eine Stellungnahme, E-Mails und Telefonanrufe bleiben unbeantwortet. Die Dienststelle zeigt kein Interesse an einer Problemlösung, man bekommt eine Sistierung ohne weitere Möglichkeiten zur Verhandlung.»
Nun wolle sich aber die Gemeinde engagieren. Auf Wunsch werde es in nächster Zeit doch einen Augenschein geben, allenfalls halt ohne die UWE, damit sich die Gemeinde einen Überblick über die Situation verschaffen und sich gegebenenfalls beim Kanton eingeben könne.
Der Darstellung des Landwirts widerspricht die UWE auf Anfrage der BauernZeitung. Die Haltung der Dienststelle sei der Gemeinde als verfahrensführende Partei wie auch dem Planer schon Ende Oktober mitgeteilt worden. Zudem habe Mitte Dezember eine Aussprache mit dem Planer und einem Vertreter des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes (LBV) stattgefunden, wo der Sachverhalt zum wiederholten Mal erläutert worden sei. Und letzte Woche sei auch der Bauherr telefonisch kontaktiert worden. Mögliche Lösungen seien bekannt, bereits diskutiert worden oder noch in Prüfung. Die Fakten würden auch bei einer Begehung vor Ort nicht ändern, lässt Paul Hürlimann, Abteilungsleiter Energie und Immissionen bei der UWE, verlauten. Massgebend sei das Luzerner Merkblatt von 2022 für Mindestabstände von Tierhaltungsanlagen, das auch mit dem LBV bei dessen Erarbeitung besprochen worden sei.
Schutz vor Klagen
Betriebe, welche die Mindestabstände nicht einhalten, müssten in der Regel saniert werden. Das gelte auch für Tierhaltungen, die vor Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes und des FAT-Berichtes 476 rechtmässig erstellt wurden. Und sanierungspflichtige Anlagen dürften nur umgebaut oder erweitert werden, wenn sie gleichzeitig saniert würden. Allein eine Verbesserung des aktuellen Zustandes sei nicht ausreichend. Dies sei auch zum Schutz der Investitionen der Landwirte im Falle einer allfälligen späteren Geruchsklage.
Laut Auskunft von Landwirt X wie auch des LBV-Bauberaters ist weniger das Merkblatt selbst Stein des Anstosses, sondern die Auslegung beim Vollzug. Für Mindestabstände sei früher die Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) zuständig gewesen, da seien meist pragmatische Lösungen gefunden worden. Seit aber die Zuständigkeit bei UWE liege, sei dies viel schwieriger geworden.
Unzufriedenheit bei Bauern nimmt zu
Die Bewilligungspraxis für landwirtschaftliche Bauten war auch Thema an der Vorstandssitzung des LBV Anfang Januar. Der Präsident erhalte fast täglich Anrufe von unzufriedenen und frustrierten Bauern, die bei ihren Baugesuchen nicht weiterkämen. Der Themenbereich Raumplanung werde wohl für den LBV 2023 zum Schwerpunkt bei den Aktivitäten und die Geschäftsstelle soll deswegen personell aufgestockt werden. Es brauche offensichtlich eine Ombudsstelle. Viele Fälle würden Mindestabstände oder auch die DB-/TS-Berechnung bezüglich Zonenkonformität betreffen.
Berichtet wurde gar von Fällen, wo selbst für eine energetische Dachsanierung von Wohnbauten eine DB-/TS-Bilanz und Planrechnungen verlangt würden zur Prüfung der gesamtbetrieblichen Zonenkonformität. Solches schrecke Bauern ab, überhaupt noch zu investieren. Bei der vom LBV eingerichteten Meldestelle seien schon viele Fälle deponiert worden, die Beispiele sollen für Gespräche mit der Verwaltung dienen. Auch Nationalrat und Rechtsanwalt Leo Müller berichtete im Vorstand von ihm gemeldeten Fällen, die auf Unverständnis stossen würden. Offensichtlich brauche es mehr politischen Druck, in Vorbereitung sind dem Vernehmen nach Vorstösse im Kantonsrat.