«Sorgenvoll»: So blickte der Schweizer Bauernverband (SBV) an seiner traditionellen Neujahrsmedienkonferenz am Mittwoch, 3. Januar, auf das noch blutjunge Jahr 2024. Man traf sich im Kuhstall auf dem Betrieb von Richard und Nadia Maurer in Frienisberg BE.

Schlechte Einkommen

Die wirtschaftliche Lage der Schweizer Bauernbetriebe habe sich stark verschlechtert, so der SBV. «In Durchschnitt verdiente eine Familienarbeitskraft 2022 noch 56 100 Franken pro Jahr, was einem Minus von 6,3 % gegenüber dem Vorjahr entspricht», sagte Anne Challandes. Die Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) hielt weiter fest: «Wirtschaftlich immer stärker angehängt wird das Berggebiet, wo eine 100-prozentige Familienarbeitskraft noch 40 100 Franken pro Jahr verdiente. Davon kann man nicht leben.»

Ein Grund für die wirtschaftliche Verschlechterungen seien die steigenden Kosten der Vorleistungen, bei denen es nicht gelungen sei, diese über bessere Produzentenpreise weiterzugeben, so die SBV-Spitze. «Die Produktionskosten sind für die Bauernbetriebe im Schnitt nach wie vor um 14 Prozent höher als im Dezember 2020», erklärte SBV-Direktor Martin Rufer.

Ein weiterer Grund für den Einkommensverlust bei den Bauernfamilien seien auch die gestiegenen Forderungen, unter anderem im Bereich Umweltschutz. Weil immer weniger Pflanzenschutzmittel für den Schutz der Kulturen zur Verfügung stehen, steige das Anbaurisiko, hiess es weiter. «Das alles führt dazu, dass die pflanzlichen Kulturen an Attraktivität verlieren und die Flächen zurückgehen. Dabei wäre eigentlich das Gegenteil gewünscht.»

Preisausgleich gefordert

«Die prekäre finanzielle Situation führt zu Frustration und wenig Motivation, sich weiter in den Bereichen Tierwohl, Klima oder Biodiversität zu engagieren», sagte SBV-Präsident Markus Ritter. Die Bauernfamilien – sogar sonst positiv eingestellte Betriebsleitende – hätten den Koller. Der Verband habe in letzter Zeit sehr viele Anrufe und Mails von Bauernfamilien erhalten. «Der Tenor ist fast immer gleich: Egal, was wir tun, es ist nie genug.»

Aus diesen Gründen fordere der Bauernverband eine Erhöhung der Produzentenpreise zwischen fünf und zehn Prozent. Eine Erhöhung in einem kostendeckenden Bereich wäre laut Martin Rufer absolut möglich: «Die Lebensmittelkosten sind zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 um 7,6 Prozent gestiegen, während sich die Produzentenpreise auf Stufe Landwirtschaft nur um 4,3 Prozent erhöhten.» Faire und kostendeckende Preise seien die Grundlage für weitere Verbesserungen im Bereich Tierwohl, Klimaschutz oder Biodiversitätsförderung. Die Abnehmer seien nun gefordert, den nötigen Mehrpreis zu bezahlen und sich beim Absatz zu engagieren. «Die gestiegenen Ladenpreise müssen angemessen in der Landwirtschaft ankommen», so die Forderung von Markus Ritter.

Breite Nein-Allianz

Der Schweizer Bauernverband (SBV) bekräftigte an der Medienkonferenz sein ausdrückliches Nein zur Biodiversitäts-Initiative, über die dieses Jahr abgestimmt wird.  Noch sei nicht klar, ob es am 9. Juni oder am 22. September 2024 so weit sein werde, erklärte Markus Ritter. Der SBV wird laut dem SBV-Präsidenten in einer breiten Nein-Allianz den Lead übernehmen – mit an Bord seien Verbündete aus Gewerbe und Wirtschaft, die Stromwirtschaft, der Baumeisterverband und viele mehr.

«Die Landwirtschaft muss sich beim Thema Biodiversitätsförderung nicht verstecken und kann selbstbewusst hin stehen», sagte Martin Rufer. Man werde einerseits der Bevölkerung und den Medien zeigen, was man heute schon tue, und zwar draussen, auf den vielen landwirtschaftlichen Biodiversitätsflächen. Ausserdem soll die Abstimmungskampagne auch aufzeigen, welche Folgen ein Ja zur Initiative hätte.

«Völlig unverhältnismässige Forderungen»

Die weite Förderung der Artenvielfalt sei mit der heutigen Gesetzesgrundlage bereits möglich und über eine nationale Strategie und den Aktionsplan bereits im Gange, hielt der SBV fest. «Es braucht keine neuen Gesetze und schon gar keine Anpassung in der Verfassung», sagte Martin Rufer.

Auch stellten die Naturschutzorganisationen völlig unverhältnismässige Forderungen, hiess es an der Medienkonferenz. Diese verlangten, 30 Prozent der Landesfläche unter Schutz zu stellen und «rechnen aktuell 8 Prozent als Schutzgebiet an». Dafür müssten weitere 800 000 Hektaren ausgeschieden werden. Die Landwirtschaft bewirtschafte rund 1 Million Hektaren und davon dienten bereits heute fast 200 000 ha zur Förderung der Biodiversität. Wegfallende Landwirtschaftsfläche erhöhe die Importe und die Abhängigkeit vom Ausland. Dies würde auch zu einem schlechteren ökologischen Fussabdruck führen.

«Ich habe Mühe, wenn ich als Landwirt das ganze Risiko tragen soll.»

Gastgeber Richard Maurer über gestiegene Anforderungen bei gleichbleibenden Produzentenpreisen.

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«Ich als Produzent muss akzeptieren, was ausgehandelt wurde»

Im Rahmen der Medienkonferenz stellte Landwirt Richard Maurer seinen gemischten Familienbetrieb mit Schweinezucht und -mast, Mutterkuhhaltung, Acker- und Futterbau vor.

Betriebsspiegel 

In der Gemeinde Seedorf bewirtschaften Maurers 87,4 Hektaren (darunter 11 ha IP-­Suisse-Extenso-Winterweizen, 3,5 ha Wintergerste, 9,3 ha Winterraps, 12 ha IP-Suisse-­Extenso-Zuckerrüben, 12,2 ha Kartoffeln, 5,3 ha Silomais und 1,3 ha Nützlingsstreifen. Dazu kommen 10 ha Kunstwiese, 2 ha Weiden, 13,2 extensiv genutzte Wiesen, 6,3 ha extensiv genutzte Weiden, 1,3 ha Hecken, 78  Hochstammfeld­bäume und 97 einheimische Einzelbäume. Auf dem Betrieb leben 11 Mutterkühe der Rasse Tiroler Grauvieh, 18 Muttersauen, 220 Plätze für Ferkelaufzucht und 520 Plätze für Mastschweine (Schweinehaltung IP-Suisse). Dazu kommen zwei Pensionspferde. Der 44-jährige Bauer kann auf die Hilfe seiner Frau, seines Vaters und zweier Teilzeitangestellten im Stundenlohn zählen.

«Die Erträge haben sich in den letzten Jahren um 20 bis 30 Prozent reduziert», erklärte Richard Maurer. Er habe die Produktion von Weizen und Zuckerrüben extensiviert. «Mit der Labelprämie versuche ich, in diesen Kulturen einen Mehrwert zu generieren. Ich brauche deshalb weniger Dünger, Pflanzenschutzmittel und Treibstoff, die alle teurer geworden sind.»

Die Extenso-Direktzahlungen sorgten allerdings für tiefere Erträge und schlechtere Qualität der Ware. «Dies führt wiederum zu mehr Importen und höherer Abhängigkeit vom Ausland. Mit welchen Umwelteinwirkungen die Importe produziert wurden, interessiert dann niemand.» Der Raps eignet sich gemäss Maurers Erfahrung nicht als Extenso-Kultur, deshalb baut er ihn konventionell an. «Die interessanteste Kultur auf unserem Betrieb – die Kartoffeln – produzieren wir in einem Programm mit reduziertem Einsatz von Insektiziden. Mit einer Vorleistung von 10 000 Franken pro Hektare ist diese Kultur finanziell mit einem grossen Risiko verbunden.»

Nachfrage wäre da

Richard Maurer stellt fest, dass die pflanzlichen Produkte sehr gefragt seien. Die Nachfrage könne längst nicht mehr gedeckt werden und wird über Importe sichergestellt. Die Preise von importierten Kartoffeln seien stark gestiegen. «Ich als Produzent habe wenig Einfluss auf die Preisbildung und muss akzeptieren, was ausgehandelt wurde.»

Es sei jedoch schwer nachvollziehbar, «wenn bei einer grossen Nachfrage die Preise auf unserer Stufe nicht steigen, die Konsumenten im Laden aber mehr bezahlen müssen. Auch verstehe ich nicht, dass die geforderten Mehrwerte der Abnehmer wie Ökologie und Nachhaltigkeit nur schwer verkauft werden können.» Das habe sich im IP-Suisse-Programm der Zuckerrüben gezeigt, als er auf eine Warteliste gesetzt worden sei oder als Label-Weizen deklassiert wurde. Die gestiegenen Anforderungen im Bereich Pflanzenschutz, Bodenerosion und Nährstoffeinsatz führten zu Mehraufwand und Mindererträgen – auch auf seinem Betrieb waren hohe Investitionen nötig. «Ich habe Mühe, wenn ich als Landwirt das ganze Risiko übernehmen soll.»